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Bit by Qubit in die Zukunft von Computing

Künstliche Intelligenz boomt. Sie verspricht bahnbrechende Anwendungen, z. B. bei der Vorhersage dramatischer Wetterereignisse oder Früherkennung von Hirntumoren. Allerdings sind diese Systeme äußerst rechen- und energieintensiv. KI muss grüner werden.

Innovationen wie Autonomes Fahren, die Entwicklung neuer Therapien für Krankheiten wie Alzheimer oder Krebs, präzise Wettervorhersagen und die Optimierung von Materialien für Batterien, Magnete oder Solarmodule – all diese Entwicklungen stellen besondere Anforderungen an die dafür nötigen Computersysteme. Und die erfordern für die immense Rechenleistung auch viel Energie. Die deutschen Rechenzentren haben mittlerweile einen Anteil von knapp vier Prozent am deutschen Stromverbrauch – Tendenz steigend. Effizientes Rechnen hat dadurch in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Um das Höchstleistungsrechnen zukunftsfähig zu machen, werden am Forschungszentrum Jülich Computing-Systeme entlang der gesamten Bandbreite der Forschung entwickelt. So ist mit der Zeit ein Computer-Ökosystem entstanden, das aus einer modularen Supercomputer-Architektur und Future-IT wie Quanten- und Neuromorphes Computing besteht. Eine solche einzigartige Recheninfrastruktur bietet enormes Potenzial für interdisziplinäre Forschungsprojekte und Anwendungen für Wissenschaft und Industrie.

Was können diese Computersysteme und wo kommen sie zum Einsatz?

Energieeffizientes Supercomputing
Moderne Supercomputer sind unerlässliche Instrumente der heutigen Forschung, insbesondere für KI, Simulationen und Datenanalyse. Das Jülich Supercomputing Centre (JSC) im Forschungszentrum Jülich betreibt und entwickelt Superrechner der höchsten Leistungsklasse. Die Supercomputer JUWELS und JURECA gehören zu den aktuell leistungsstärksten Superrechnern der Welt. Sie werden beispielsweise in der Forschung genutzt, um Medikamente weiterzuentwickeln, indem Reaktionen beim Aufeinandertreffen von potenziellen Wirkstoffen auf ein Protein simuliert werden. Möglich ist das durch die Rechenpower und die Feinauflösung der Supercomputer. Im JSC verfolgen die Forschenden zur Lösung komplexer Fragestellungen einen besonderen Ansatz bei der Zusammenstellung der Rechnersysteme. Während andere Hoch- und Höchstleistungsrechner vorwiegend auf einer großen Anzahl von universellen Prozessoren (CPUs) rechnen, sind die Systeme des JSC modular aufgebaut. Hier werden, neben CPU-Clustern Grafikprozessoren (GPU-Booster) in die Systeme integriert. Die sind insbesondere bei der Verarbeitung großer Datenmengen, zum Beispiel beim Maschinellen Lernen, effizienter als CPUs.

Jülichs neuester Rechner, das Exascale-System JUPITER, wird neben einem CPU-Cluster zusätzlich mit einem GPU-Booster aus 24.000 Grafikprozessoren ausgestattet sein. JUPITER soll als erster Supercomputer in Europa die Marke von einem Exaflop durchbrechen, was einer Trillion Rechenoperationen pro Sekunde entspricht. Das System wird damit eines der weltweit leistungsstärksten Rechner für Anwendungen im KI-Bereich sein. Bei Berechnungen mit acht Bit, wie sie für das Trainieren von KI-Modellen üblich sind, soll die Rechenleistung auf deutlich über 70 Exaflops steigen. Die enorme Rechenleistung von JUPITER soll dazu beitragen, die Grenzen wissenschaftlicher Simulationen zu erweitern und große KI-Modelle zu trainieren – zum Beispiel Klimasimulationen, Strömungsmechanik-Simulationen, oder Molekulardynamik-Simulationen. Das finale System wird im zweiten Halbjahr dieses Jahres schrittweise installiert und wissenschaftlichen Anwenderinnen und Anwendern zunächst im Rahmen des JUPITER Research and Early Access Program (JUREAP) zugänglich gemacht, bevor es Anfang 2025 in den allgemeinen Nutzerbetrieb übergeht.

Wie steht es um den Energiebedarf von JUPITER? Erfreulich gut. Ein erster Baustein des Exascale-Systems belegte den ersten Platz der Green500-Liste der energieeffizientesten Supercomputer, die im Mai auf der Internationalen Supercomputing-Konferenz ISC veröffentlicht wurde. Entscheidend für die Effizienz ist auch hier der Einsatz von Grafikprozessoren und die Tatsache, dass es gelungen ist, wissenschaftliche Anwendungen für die Berechnung auf Grafikprozessoren zu optimieren. Außerdem ist das modulare Rechenzentrum, in dem JUPITER untergebracht wird, darauf ausgelegt, die beim Kühlen anfallende Wärme auszukoppeln und zum Heizen der Gebäude auf dem Campus des Forschungszentrums Jülich zu nutzen.

Quantencomputer: Effizienz durch Gleichzeitigkeit
Effizient sind auch Quantencomputer, denn sie sind die Meister der Gleichzeitigkeit. Während Bits, die kleinsten Bausteine eines herkömmlichen Computers, entweder 0 oder 1 darstellen, können die Recheneinheiten von Quantencomputern, die Qubits, diverse Zustände gleichzeitig repräsentieren. Das hat den entscheidenden Vorteil, dass Quantencomputer zum Beispiel bei der Durchsuchung von Datenbanken eine massive Anzahl von Such-operationen gleichzeitig durchführen können, während klassische Computer jeden Eintrag in der Datenbank einzeln durchsuchen müssen. Quantencomputer sind daher besonders vielversprechend, um Optimierungsaufgaben für Verkehrsnetze oder Produktionsabläufe in Fabriken zu lösen oder beispielsweise chemische Reaktionen von Wirkstoffen vorherzusagen, damit Forschen-de neue Medikamente schneller entwickeln können.

Darin steckt eine große Chance für Wissenschaft und Wirtschaft, aber auch noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Welche Technologie sich am Ende durchsetzt, ist noch offen. Jülich deckt das gesamte Spektrum der Forschung ab – von der Suche nach geeigneten Quantenmaterialien über das Entwerfen von Schaltkreisen und passender Kryo-Elektronik, die für die Steuerung von Qubits in Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt von minus 273 Grad Celsius notwendig ist – der Betriebstemperatur von vielen Qubittypen.

Um Quantenmaschinen, die auf unterschiedlichen Ansätzen beruhen, für Wissenschaft und Wirtschaft zugänglich zu machen, baut das Forschungszentrum Schritt für Schritt eine Nutzerplattform als Testfeld auf: JUNIQ, die „JUelicher Nutzer-Infrastruktur für Quantencomputing“. JUNIQ bietet die Möglichkeit, verschiedene Quantencomputersysteme und Konzepte auf einer Plattform miteinander zu vergleichen. Teil dieser Infrastruktur sind auch die Jülicher Supercomputer, die hier mit Quantensystemen verknüpft werden. JUNIQ unterstützt Nutzerinnen und Nutzer bei der Entwicklung von Algorithmen und ihren individuellen Anwendungen fürs Quantencomputing. Bewerbungen sind jederzeit möglich, es werden aber auch Projekte ausgeschrieben.

Demnächst neu im Angebot von JUNIQ ist ein weltweit einzigartiger modularer Superrechner, der aus einem Quantenmodul und einem klassischen digitalen Modul besteht. Das Jülich Supercomputing Centre und das Siegener Startup eleQtron bauen ihn gemeinsam. Die Siegener Partner entwickeln dafür einen Ionenfallen-Quantencomputer. Der Vorteil ist, anders als andere Qubits müssen Ionenfallen nicht so stark gekühlt werden. Ende 2024 soll das eleQtron-Quantencomputer-Pilotsystem mit bis zu 30 Ionenfallen-Qubits aufgebaut und anschließend in JUNIQ integriert werden. Planmäßig steht es Anwender:innen ab 2025 zur Verfügung. Für Maschinelles Lernen und das Trainieren von KI-Modellen bietet der modulare Superrechner viel Potenzial, ebenso für Optimierungsaufgaben der Industrie.

Neuromorphes Computing: Auf den Spuren des Gehirns
Beim Neuromorphen Computing orientieren sich Forschende an einem sehr energieeffizienten Vorbild: dem Gehirn. Obwohl es nur circa 1,5 Kilogramm schwer ist, kann das menschliche Gehirn komplexe Fragestellungen und Probleme lösen, die selbst die besten Rechner der Welt vor große Herausforderungen stellen. Dabei verbraucht es nur so viel wie eine Glühbirne – 20 Watt.

Das liegt daran, dass das Gehirn Daten am gleichen Ort verarbeiten und speichern kann. Bei heutigen Computersystemen hingegen sind Rechen- und Speichereinheiten getrennt, was sehr energieaufwendig ist und die Rechnungen ausbremst, weil Daten zwischen Prozessor und Speicher kontinuierlich hin und her fließen müssen. Beim sogenannten „Computing-in-Memory“-Ansatz, der sich am Gehirn orientiert, finden Rechen- und Speicheroperation auf derselben Architektur statt. Auf diese Weise können Informationen hochgradig parallel verarbeitet werden. Dadurch wurden bereits erhebliche Leistungssteigerungen bei der Bildverarbeitung, Mustererkennung und beim Maschinellen Lernen erzielt – mit weniger Energie.

Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen könnten ganz besonders von neuromorphen Systemen profitieren, da sie ähnlich konstruiert sind wie die biologischen Netzwerke, die sie nachbilden. Langfristig sind eine Vielzahl von Anwendungen denkbar, insbesondere da, wo Datenmengen in Echtzeit verarbeitet werden, beispielsweise in der fahrzeugbasierten KI-Elektronik für Autonomes Fahren oder bei online-trainierbaren Steuerungen in der Industrie 4.0.

Neuromorphes Computing ist ein sehr interdisziplinäres Forschungsfeld: Am Forschungszentrum Jülich arbeiten Hirnforschung, Informatik, Elektronik, Chemie, Physik und Materialforschung Hand in Hand, um Computer-Chips zu entwickeln, die wie das Gehirn arbeiten. Konventionelle Computerchips basieren auf Transistoren. Im Neuromorphen Computing arbeiten Forschende an memristiven Bauelementen, die gleichzeitig Daten verarbeiten und speichern können. Ein solcher „Widerstand mit Gedächtnis“ ähnelt den Synapsen in natürlichen Nervenzellen und imitiert ihr Verhalten. Die Elemente sind somit lernfähig, wenn sie immer wieder vor vergleichbare Herausforderungen gestellt werden.

Future Computing: Innovations-Booster für NRW
Große Superrechner-Infrastrukturen sind unverzichtbare Instrumente der modernen Forschung und notwendig, um Künstliche Intelligenz als starken Motor der Entwicklung für alle Bereiche der Gesellschaft zu nutzen. Das Forschungszentrum Jülich ist auf dem besten Weg, das KI-Zentrum Deutschlands und ein europäischer Magnet zu werden: Es hat die Rechenpower für die Entwicklung und das Training großer KI-Modelle, kluge Köpfe, die sowohl KI entwickeln als auch anwenden, und die Daten aus den verschiedenen Forschungsdomänen. Diese besondere Verbindung nutzt es für den Aufbau einer starken europäischen KI-Community. Das Forschungszentrum unterstützt damit die Vision des Landes Nordrhein-Westfalen, das Silicon Valley Deutschlands zu werden und arbeitet zu diesem Zweck eng mit Partnern in Wissenschaft und Wirtschaft zusammen, etwa in EIN Quantum NRW, dem Quantencomputing-Netzwerk in Nordrhein-Westfalen. Die Leitidee dabei: Nur wenn alle Stakeholder zusammenwirken, kann Future IT ein echter Innovations-Booster für das Land werden und helfen, globalen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen.

Forschungszentrum Jülich
Als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft erforschen wir mit 7200 Beschäftigten interdisziplinär die digitalisierte Gesellschaft, ein klimaschonendes Energiesystem und nachhaltiges Wirtschaften. Wir konzentrieren natur-, lebens- und technikwissenschaftliche Forschung auf die Bereiche Information, Energie und Bioökonomie. Diese verknüpfen wir mit Expertise im Höchstleistungsrechnen sowie Künstlicher Intelligenz unter Einsatz einzigartiger wissenschaftlicher Infrastrukturen.

www.fz-juelich.de

Source: NMWP-Magazin

Forschungszentrum Jülich GmbH

Forschung für eine Gesellschaft im Wandel: Mit dieser Mission arbeiten im Forschungszentrum Jülich mehr als 6000 Menschen Hand in Hand, darunter jährlich 600 Gastwissenschaftler:innen aus 59 Ländern. Wir wollen, dass unsere Forschung wirkt....more...