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HiTecMass – Effiziente Massenproduktion mikrooptischer Hochtechnologiemodule

Mikrooptiken sind Hauptkomponenten in Smart Devices, Medizinprodukten oder Mobilitätsanwendungen. Eine kostengünstige, schnelle Produktionslinie ist der Schlüssel, um die Nachfrage nach hochwertigen Linsensystemen zu decken.

Optische Technologien sind elementare Funktionsbausteine vieler Applikationen und Innovationstreiber in einem breit gestreuten Anwendungsspektrum wie der industriellen Produktion, in elektrooptischen Endgeräten der Messtechnik und Konsumgüterwelt, sowie der Medizintechnik. Der Trend zur Miniaturisierung hat dabei zu zahlreichen kompakten optischen Bauelementen und Systemen geführt. Beispielhafte Anwendungen sind Einweg-Endoskopobjektive, Projektoren für strukturiertes Licht in 3D-Sensoren und der Gestenerkennung, sowie biometrische Identifikationssysteme auf Basis der Iriserkennung.

Das weltweite Marktvolumen für Endoskope ist im Jahr 2018 auf 37,6 Mrd. $ angewachsen. Für 3D-Sensoren und Gesten-erkennung wird ein Wachstumssprung von 2,2 Mrd. $ in 2012 auf 22,0 Mrd. $ in 2020 prognostiziert. Das Innovationspotenzial dieser und ähnlicher Anwendungen ist enorm und wird in den kommenden Jahren zu einem großen Bedarf an Produktionskapazitäten für hochauflösende optische Systeme führen.

Um die Produktfunktion innovativer mikrooptischer Systeme zu gewährleisten bzw. erst zu ermöglichen, erfordern optische Systeme höchste Präzision bei der Fertigung der Einzelkomponenten sowie ihrer Ausrichtung und Fixierung zueinander. Häufig ist eine Genauigkeit von wenigen Mikrometern respektive wenigen Mikroradiant oder genauer erforderlich. Trotz weit entwickelter Fertigungstechnologien für hochpräzise Bauteile, stoßen die aktuellen Fertigungstechniken für massentaugliche Hochtechnologieprodukte an technologische Grenzen. Deren Überwindung ist nur mittels exponentiell ansteigendem Investitionsaufwand oder mittels Minimierung der Fertigungskosten (Löhne, Einzel- und Gemeinkosten) – wie es in Niedriglohnländern der Fall ist – möglich.

Das interdisziplinäre HiTecMass-Konsortium hat hier die Chance identifiziert durch einen neuartigen Produktionsansatz den Standort NRW als Produktionsstandort für hochwertige und hochpräzise mikrooptische Systeme zu etablieren.

Kernidee des weltweit (auch in Abgrenzung zur Asiatischen Konkurrenz) neuartigen Ansatzes ist die Verknüpfung bis dato getrennter Fertigungsschritte des „Mikrospritzgießens“ sowie der ultrapräzisen „funktionsorientierten Montage“. Unter Einsatz von vernetzter Messtechnik und intelligenten, selbstlernenden Logistik- und aktiven Montagekonzepten (Industrie 4.0 Gedanke) wird durch die Effizienzsteigerung in der Wertschöpfung die Qualität von mikrooptischen Hochtechnologieprodukten gesteigert.

Der erste Schritt zu kostengünstigen Mikrolinsen besteht in der Herstellung eines hochpräzisen Form-einsatzes für den Spritzguss. Die Anforderungen an die Formgenauigkeit sind im Spritzguss besonders hoch, da kaum Einfluss auf die Schwindung genommen werden kann. Genauso kritisch ist die Gratbildung zu sehen, welche für die spätere Montage zu Problemen bei der Ausrichtung der Linsen zueinander darstellen kann. Um die Ausschussraten zu minimieren, wird eine hohe Koaxialität benötigt, welche durch einstellbare Formkerne erreicht wird. Alle optischen Formeinsätze wurden auf Maschinentechnik der Fa. Innolite gefertigt, mit maschinenintegrierter Messtechnik qualifiziert und anschließend für beste Formgenauigkeiten kompensiert. Durch diesen auf der Maschine durchgeführten Schritt kann die Effizienz in der Herstellung nochmals erhöht werden, bei gleichzeitiger Steigerung der Qualität durch Erzielen von Formgenauigkeiten im Sub-Mikrometerbereich.

Danach folgt die Herstellung der Linsen mit einer adaptiven Kavitätsanpassung im Spritzgießprozess. Integrierte Wirbelstromsensoren garantieren eine hochgenaue Auflösung des Verstellweges im Submikrometerbereich.

Bevor die Optiken zu einem finalen Produkt zusammengebaut werden können, müssen die einzelnen Linsen vermessen werden. Dabei greift das HiTecMass-Konsortium auf die Messtechnik der Wellenfrontsensorik zurück. Eine ebene Lichtwelle aus einem Laser durchstrahlt die Linse, dadurch verformt sich die Wellenfront und ein Wellenfrontsensor macht diese Deformation sichtbar. Dabei wird die Wellenfront in einzelne Beiträge und Koeffizienten zerlegt. Die Beiträge repräsentieren Abweichungen wie eine laterale Verschiebung oder Astigmatismus. Der Koeffizient gibt die relative Stärke der Abweichung an. Der Absolutwert kann erst im Vergleich zum Optikmodell ermittelt werden. Im Modell werden beliebig große Abweichungen den Linsen hinzugefügt und die Wellenfront simuliert. Der Vergleich aus Simulation und Messsignal gibt den Absolutwert der Abweichung wieder. Der Vorteil dieser Methodik ist, dass die Simulation nicht auf einzelne Linsen beschränkt ist, sondern auch auf ganze Optiksysteme ausgelegt werden kann. Im nächsten Schritt wird ein digitales Abbild der produzierten Linsen in einer Datenbank gespeichert und fortschrittliche Algorithmen kombinieren die Optiken solange zueinander, bis sich ein minimaler Ausschuss einstellt. Im Idealfall ist es sogar möglich eine 100% Montage zu erreichen, wenn man alle sechs Freiheitsgrade pro Linse in Betracht zieht.

Die Ausführung der Montage erfolgt nun nach Anleitung. Für jedes optische Modul ist bereits vorher klar, welche Linse aus dem Ensemble aufgenommen und in welche Position gebracht werden muss, um innerhalb der Spezifikationen zu bleiben. Dieser Schritt erlaubt eine schnelle, nahezu ausschussfreie Montage optischer Systeme und gewährt dem Land NRW einen technologischen Vorsprung im Bereich der optischen High-Tec-Massenproduktion.

Dieses Vorhaben wurde aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.

Abbildung 1: Formeinsatz Spritzgusswerkzeug mit adaptiver Kavitäts-anpassung und integrierten Wirbelstromsensoren. Die Kavitätsanpassung geschieht durch hochpräzise gefertigte Schieberegler (kupferfarben). Die Wirbelstromsensoren messen den Abstand kontaktlos zum Formeinsatz. In der Mitte wird die Optik spritzgegossen mit Hilfe der Formeinsätze.

Abbildung 2: Hochpräzise gefertigte Formeinsätze zur Herstellung von Mikrooptiken im Spritzgussverfahren. Für jede Optik sind zwei Formeinsätze notwendig und werden in das Spritzgusswerkzeug integriert.

Abbildung 3: Repräsentativ sind die Wellenfronten eines 2-linsigen Teleskops mit kommerziellen Asphären dargestellt. In der Mitte ist die Wellenfront des ideal ausgerichteten Systems abgebildet. Verändert man den Abstand der beiden Linsen zueinander, stellt sich ein Defokus ein, welcher durch die Wellenfronten Links und Rechts demonstriert wird.

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