Verbundwerkstoffe im Baubereich ressourceneffizient einsetzen
Im Fortschrittskolleg Verbund.NRW forschen elf Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler fachübergreifend an der Fragestellung, wie Verbundwerkstoffe und -konstruktionen im Baubereich ressourceneffizient eingesetzt werden können.
Der Bausektor verbraucht einen Großteil der Energie und Ressourcen. Der Mensch benötigt bezahlbaren Wohnraum und eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur. Doch was passiert am Ende der Nutzung eines Gebäudes? Aus dem Baubereich stammen aktuell 60% der Abfallmengen in Deutschland.
Gleichzeitig hat die Forschung an innovativen Verbundwerkstoffen und -konstruktionen und ihr Einsatz im Baubereich kontinuierlich zugenommen. Bei der energetischen Sanierung eingesetzte Wärmedämmverbundsysteme sorgen dafür, dass weniger Wärme ungenutzt verloren geht. Mit Hilfe von carbon- und glasfaserverstärkten Bauteilen erreichen Hersteller gegenüber konventionellen Baustoffen eine erhöhte Stabilität bei gleichzeitiger Reduktion des Materialeinsatzes sowie erhöhter Korrosionsbeständigkeit.
Die Werkstoffentwicklung steht im Vordergrund. Was größtenteils fehlt, ist eine umfassende Betrachtung des Wertschöpfungskreislaufs und insbesondere der Rückbau- und Recyclingfähigkeit am Ende der Nutzungsphase. Die zum Teil komplex verbundenen Werkstoffe sind schwer trennbar und es fehlen geeignete Lösungen zur Aufbereitung und Wiederverwendung.
Ressourceneffizienz entlang des Wertschöpfungskreislaufs
Ein ressourceneffizienter Einsatz von Verbundwerkstoffen
erfordert Interdisziplinarität und die Integration von Wissen entlang der
Wertschöpfungskette. Ökologische, technische, wirtschaftliche und soziale
Gesichtspunkte spielen eine Rolle. Hier setzt das Fortschrittskolleg
Verbund.NRW an: Es vereint junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der
RWTH Aachen University und der FH Münster aus unterschiedlichen Fachrichtungen.
Diese umfassen die Fachbereiche Bau-, Umwelt- und Entsorgungsingenieurwesen,
Wirtschaftswissenschaften und Techniksoziologie. Geforscht wird in allen Stufen
der Wertschöpfungskette: Entwicklung und Produktion, Herstellung und
Verarbeitung, Nutzung und Rückbau sowie Recycling und Entsorgung.
Die interdisziplinäre Ausbildung im Rahmen der Nachwuchsförderung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft NRW soll nachhaltig einen Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen leisten. Die Forschenden lernen, mit fachfremden Gebieten zu kooperieren und fachübergreifende Perspektiven zu berücksichtigen. Gleichzeitig wird mit Partnern aus Industrie, Behörden und Gesellschaft zusammengearbeitet, Praktika und Exkursionen ermöglichen einen Einblick in den Praxisalltag.
Vergleichbarkeit von Ressourceneffizienz
Die Ressourceneffizienz entlang des gesamten
Wertschöpfungskreislaufs ist das zentrale Thema im Kolleg. Doch wie lässt sich
die Ressourceneffizienz von Verbunden über den gesamten Lebenszyklus messen und
vergleichen? Am Institut für Infrastruktur - Wasser - Ressourcen - Umwelt der
FH Münster beschäftigt sich Franziska Meyer mit dieser Fragestellung und
bezieht dabei ihre Kolleginnen und Kollegen und die Praxis mit ein.
Akteure und Innovationsforschung
Der Wertschöpfungskreislauf umfasst vielschichtige Netzwerke
aus heterogenen Akteuren: Politikvertreter, Hersteller, Architekten und
Ingenieure, Bauherren, Nutzer, Logistikunternehmen sowie Recycling- und
Entsorgungsunternehmen kommunizieren verschiedenste Anforderungen und
Interessen. Welche Innovationsfaktoren und -hemmnisse gibt es? Welche Netzwerke
entstehen im Innovationsverlauf? Wessen Akzeptanz ist besonders wichtig für den
Erfolg innovativer recyclinggerechter Materialien? Dies sind Fragen, mit denen
sich Adjan Hansen-Ampah auf dem Gebiet der Techniksoziologie beschäftigt. Sein
Projekt hat das Ziel, diese Netzwerke aus heterogenen Akteuren zu analysieren
und deren Vernetzung im Wertschöpfungskreislauf zu untersuchen.
Verwertung von carbonfaserverstärkten Kunststoffen
Der Einsatz carbonfaserverstärkter Kunststoffe (CFK) steht
im Fokus der Bauforschung. Der stetige Anstieg der Produktion wird zwangsläufig
auch zu einem Anstieg des zu verarbeitenden CFK-Abfalls führen. Aufgrund der
kosten- und energieintensiven Herstellung ist eine Wiederverwertung der Fasern
von hoher ökologischer und wirtschaftlicher Bedeutung. Magdalena Kimm
untersucht am Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen Anwendungspotentiale
von recycelten Carbonfasern in Beton. Zusammen mit Lia Weiler am Lehrstuhl für
Baustoffkunde, erforscht sie unter anderem die Umweltverträglichkeit des
Faserbetons.
Neben einem technisch realisierbaren Recyclingprozess ist auch eine effiziente branchenübergreifende Sammlungs- und Verwertungsinfrastruktur notwendig. Valentin Sommer beschäftigt sich mit dieser Thematik am Lehrstuhl für Operationsmanagement.
Stand der Technik beim CFK-Recycling ist zurzeit die Faserrückgewinnung mittels Pyrolyse. Jedoch besitzt die zurückgewonnene Recyclingfaser nicht die Eigenschaften einer Neufaser, sodass eine endlose Kreislaufführung nicht möglich ist. Aufgrund des hohen Energiegehalts der nicht rückführbaren Fasern sucht Jan Stockschläder im Forschungsgebiet Technologie der Energierohstoffe in Großversuchen in der Praxis nach energetischen Verwertungsverfahren am Ende des Lebensweges.
Autorin: Dr. rer. nat. Sonja Stahn, Koordinatorin Fortschrittskolleg Verbund.NRW, Lehr- und Forschungsgebiet Technologie der Energierohstoffe, RWTH Aachen University
Abbildung: Das Kolleg umfasst ins-gesamt 11 Forschungsprojekte, angesiedelt in vier verschiedenen Disziplinen. © TEER, RWTH Aachen