Auf dem Prüfstand: Automatisierte Induktionsthermographie zur Oberflächenrissprüfung von Schmiedeteilen
Messkopf für die automatisierte Erkennung von Oberflächenfehlern in Schmiedeteilen aus Stahl. Unten links: Thermographische Anzeige eines Risses © Fraunhofer IZFP
Wissenschaftler des Fraunhofer IZFP in Saarbrücken untersuchen im Rahmen eines von der »Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen« (AiF) geförderten Projektes die Zuverlässigkeit der automatisierten Anwendung des thermographischen Rissprüfverfahrens: Dieses soll nach positiver Validierung als Alternative zur etablierten Magnetpulverprüfung größere Akzeptanz finden. Oberflächennahe Fehler, insbesondere Risse, in Schmiedeteilen können mit dem Verfahren schnell, objektiv und ressourcenschonend ermittelt und insbesondere detailliert dokumentiert werden. Die im Vergleich zu derzeitigen Standardverfahren erhöhte Prüfzuverlässigkeit und die damit einhergehende optimierte Wirtschaftlichkeit dieses neuen Verfahrens sollen mit dieser Studie bestätigt werden und einen bedeutenden Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) leisten. Die Induktionsthermographie* findet Anwendung in vielen Industriebereichen, wo Schmiede- bzw. Stahlbauteile zum Einsatz kommen: Zu nennen sind hier u. a. die Automobilindustrie, z. B. das Lenksystem von Autos, die petrochemische Industrie oder die Wasserversorgung (Wasserleitungsrohre aus Stahl). Trotz ständiger Verbesserungen der Herstellungsprozesse kann es, beispielsweise auch durch Vormaterialfehler, zu Fehlern in den hergestellten Bauteilen kommen. Aus diesem Grund wird in der Regel eine zerstörungsfreie Prüfung der Komponenten mit einem der etablierten und genormten Prüfverfahren, beispielsweise Ultraschall für Volumenfehler und Magnetpulverprüfung** für Oberflächenfehler, gefordert.
Vollautomatische Prüfung mit digitaler Produktakte
In dem
genannten AiF-Projekt unter Federführung des Fraunhofer IZFP wird die
thermographische Rissprüfung zur Erkennung von oberfächennahen Fehlern
an Stahlteilen auf Herz und Nieren geprüft: Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler des Instituts sollen auf Grundlage belastbarer und
zuverlässiger Untersuchungen das Potenzial dieses Verfahrens im
Vergleich zur standardisierten Magnetpulverprüfung testen und
bestätigen. Die Projektergebnisse sollen den Schmiedebetrieben eine
wirtschaftliche Entscheidungsbasis bei der zukünftigen Wahl des
Verfahrens bieten. »Ein Schwerpunkt des Vorhabens ist die Umsetzung
einer automatisierten Bildanalyse mit Fehlererkennung ohne menschlichen
Eingriff, mit der die aufgenommenen thermographischen Bildsequenzen
automatisch analysiert und bewertet und danach in Form einer sogenannten
»digitalen Produktakte« aufbereitet und zur Verfügung gestellt werden«,
erklärt Dr. Udo Netzelmann, verantwortlicher Projektleiter des
Fraunhofer IZFP.
Hohe Prüfzuverlässigkeit bei kürzeren Prüfzeiten
Die
Experten des Fraunhofer IZFP haben sich als Ziel gesetzt, bei der
vollautomatischen Prüfung mittels Induktionsthermographie im Vergleich
zum etablierten Verfahren eine mindestens gleich hohe
Prüfzuverlässigkeit bei wenigstens gleichen, optimalerweise aber
kürzeren Prüfzeiten zu realisieren. »Wir erwarten dadurch eine Reduktion
der Abhängigkeit von den Fähigkeiten der Prüfer und infolge deutlich
verringerten Ausschuss. Außerdem fällt der Aufwand für die teilweise
gesundheitsschädlichen Prüfmittel für die Magnetpulverprüfung und deren
Entfernung sowie anschließende Entsorgung fort«, führt Udo Netzelmann
weiter aus. Es wird somit möglich sein, von jedem geprüften Bauteil die
Rohdaten der Prüfung sowie die Bilder der Fehleranzeigen zu
dokumentieren. Selbst nach längerer Zeit können leichter Rückschlüsse
auf die Fehlerquellen gezogen werden. Systemintegratoren und
Prüfsystemanbieter werden von den Projektergebnissen profitieren.
Kognitive Sensorsysteme – effiziente Prozesse
Das
Fraunhofer IZFP ist ein international vernetztes Forschungs- und
Entwicklungsinstitut im Bereich angewandter, industrienaher Forschung.
Im Zentrum der Tätigkeiten steht die Entwicklung »kognitiver
Sensorsysteme« für das zerstörungsfreie Monitoring industrieller
Prozesse und Wertschöpfungsketten. Wesentliche Konzepte dieser
Technologien sind der KI-Forschung entnommen. Neben reinen
Produktionsprozessen stehen gleichrangig Prozesse aus Werkstoff- und
Produktentwicklung, Wartung, Instandhaltung und Wiederverwertung von
Werkstoffen im Fokus der FuE-Aktivitäten.
* Bei dieser Technik wird über einen Induktor ein Wechselstrom in
dem elektrisch leitenden Stahl erzeugt. Trifft der induzierte Strom auf
einen Oberflächenriss, so muss er Umwege um den Riss nehmen. Mit dem
Stromfluss im Bauteil ist eine Erwärmung durch ohmsche Verluste
verbunden. An Rissen ist die Stromdichte verändert, und für eine
Infrarotkamera wird eine charakteristische Fehlersignatur sichtbar. In
kurzer Zeit kann die mit der Infrarotkamera aufgezeichnete Bildsequenz
ausgewertet werden. Nach einer Vorverarbeitung und automatisierter
Fehlererkennung erscheinen die Fehlerbilder.
**Bei der Magnetpulver-Rissprüfung wird das zu untersuchende
Bauteil auf der Oberfläche zunächst mit einem Prüfmittel besprüht. Oft
wird ein fluoreszierendes Prüfmittel verwendet, bei dem ein Farbstoff an
die Magnetteilchen gekoppelt ist. Dieser leuchtet unter einer
Ultraviolett (UV)-Lampe für einen Prüfer sichtbar auf und markiert den
Riss und seinen Verlauf. Die Anzeigen werden durch den Prüfer bewertet,
danach muss meistens das Prüfmittel abgewaschen und fachgerecht entsorgt
werden.