Hitzeschilde für sparsame Flugzeuge
© Fraunhofer IWS Dresden Turbinenschaufel mit dünner Keramikbeschichtung aus Yttrium-stabilisiertem Zirkoniumoxid (YSZ): eine solche Wärmedämmschicht ermöglicht eine höhere Betriebstemperatur in der Turbine, wodurch sich die Treibstoff-Ausbeute verbessert.
Damit Flugzeuge sparsamer, umweltfreundlicher und robuster werden, haben Fraunhofer-Ingenieure aus Dresden eine neue keramische Hitzeschild-Technologie entwickelt. Dafür wird ein Pulver aus Yttrium-stabilisiertem Zirkoniumoxid (YSZ) mit Wasser zu einer Suspension angerührt. Mit diesem flüssigen Pulvergemisch lassen sich im Spritzverfahren schnell und preisgünstig Turbinenschaufeln und andere Flugzeugteile beschichten. Solche und ähnliche Schilde machen Flugzeugtriebwerke möglich, die weniger Kraftstoff verbrauchen und die Atmosphäre nicht so stark verschmutzen.
Das Team um Dr. Maria Barbosa vom Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS Dresden hat die neue Technologie inzwischen mit dem Schweizer Anlagenbauer AMT in die industrielle Praxis überführt. Die IWS-Forscher sehen für ihr Suspensionsspritzverfahren viel Potenzial in der Luft- und Raumfahrt, aber auch in der Halbleiterindustrie sowie vielen anderen Branchen.
Besonders langlebige und doch preiswerte Schutzschichten möglich
»Damit werden hochwertige und langlebige Schutzschichten selbst auf
großen Bauteilen möglich – zu vergleichsweise niedrigen Kosten«, betont
IWS-Ingenieurin Dr. Barbosa. »Indem wir Suspensionen statt Pulver
spritzen, können wir Werkstoffe mit sehr kleinen Partikeln einsetzen,
die bisher nicht dafür geeignet waren. Wir schlagen hier eine Brücke
zwischen den etablierten Beschichtungsverfahren, die alle ihre Vor- und
Nachteile haben. In Zukunft lassen sich damit auch neuartige
Werkstoffkompositionen verarbeiten.« Um Wärmedämmschichten zu erzeugen,
sind bisher vor allem zwei Technologiepfade üblich: Einige Unternehmen
bearbeiten die Bauteile mit Elektronenstrahlverdampfern (»EB-PVD«) in
Vakuumkammern. Dabei entstehen sehr hochwertige und langlebige
Schichten. Aber dieses Verfahren ist teuer, insbesondere für die
Beschichtung sehr großer Bauteile.
Der zweite Technologiepfad ist das »Atmosphärische Plasmaspritzen«
(APS). Dabei wird Pulver in einem Plasmastrahl geschmolzen und auf das
Bauteil geschleudert. APS ist zwar relativ preiswert, weil es ohne
Vakuumkammern auskommt. Aber die so erzeugten Schutzschichten sind wenig
belastbar.
Richtig angerührt lassen sich auch feine Pulver spritzen
Mit dem »YSZ-Suspensionsspritzen« haben die Fraunhofer-Forscher nun
eine Alternative entwickelt: Sie verwenden ein feines Keramikpulver aus
Yttrium-stabilisiertem Zirkoniumoxid. Die Körner darin weisen einen
Durchmesser von nur einem Mikrometer auf oder sind noch kleiner. Solche
besonders feinen Pulver würden in klassischen Verarbeitungsverfahren
sehr rasch verklumpen und die Maschinenschläuche verstopfen. Deshalb
rühren die Ingenieure mit Wasser oder Alkohol eine Suspension an. Auf
diese Weise werden die Partikel dann doch spritzbar. Dabei entsteht eine
Abschirmschicht, die etwa 500 Mikrometer (Tausendstel Millimeter) dünn
ist. Weil dafür kein Vakuum nötig ist, bleiben die Kosten überschaubar.
Zudem lassen sich so auch große Flugzeug-Komponenten mit relativ hohem
Tempo beschichten. Eine beschichtete Flugzeugturbine kann bei höheren
Temperaturen arbeiten als ein unbeschichtetes Aggregat. So könnte sich
die Betriebstemperatur einer Turbine mit der vom IWS entwickelten Lösung
vergleichsweise kostengünstig um etwa 150 Grad anheben lassen. Dies
erhöht ihren Wirkungsgrad, macht sie langlebiger und reduziert den
Kühlaufwand. Unterm Strich sinkt der Kraftstoffverbrauch. »Auch die
Umwelt wird weniger belastet, weil der Treibstoff in den verbesserten
Triebwerken effizienter verbrennt, was den Kraftstoffverbrauch reduziert
und entsprechend weniger Schadstoffe ausstößt«, schätzt Dr. Barbosa
ein. Um einen weiteren Vorteil neuer Triebwerksbeschichtungen zu
verstehen, lohnt sich eine Zeitreise ins Jahr 2010: Als damals der
isländische Vulkan Eyjafjallajökull ausbrach, legte er den Flugverkehr
in halb Europa lahm. Abgesehen von den Sichtproblemen durch die
hochgeschleuderte Vulkanasche sorgten sich die Fluggesellschaften auch
über mögliche Turbinenschäden. Denn diese Asche enthält, ähnlich wie der
nicht minder schädliche Flugsand, sogenannte
Calcium-Magnesium-Aluminium-Silicate (CMAS). Schmilzt dieses Material in
einer ungeschützten Brennkammer, kann es erhebliche Schäden anrichten.
Opferschicht soll Flugzeuge nach Vulkanausbruch schützen
Eben gegen diese Schäden kann eine qualitativ hochwertige
Zusatzschicht helfen, die nicht gleich wieder abplatzt. Auch darauf
zielt das am IWS entwickelte Suspensionsspritzverfahren. »Für diesen
Anwendungsfall arbeiten wir mit dem ,Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt’ und der TU Dresden zusammen«, berichtet Dr. Maria Barbosa.
»Wir wollen gemeinsam eine ,Opferschicht’ entwickeln, damit Asche und
Sand nicht gleich die Turbinenschaufel selbst angreifen können. Die
Flugzeuge sollen dadurch auch nach einem Vulkanausbruch noch sicher ihr
Ziel erreichen.« Auch in der Halbleiterbranche stößt das IWS-Verfahren
auf großes Interesse. Denn in der Chipproduktion setzen die großen
Mikroelektronikfabriken unter anderem Plasma-Ätzkammern ein. In denen
greifen aggressive Fluorverbindungen immer wieder die Kammerwände an.
Mit innovativen Schichten aus Dresden wollen Anlagenbauer das Innere der
Maschinen in Zukunft besser gegen Korrosion schützen. »Wir bemerken
eine große und wachsende Nachfrage aus der Industrie an unserem
Verfahren – und dies aus vielen Branchen«, betont Ingenieurin Dr. Maria
Barbosa. »Wir wollen nun weitere Anwendungsmöglichkeiten erschließen.
Gemeinsam mit kleinen und mittleren Unternehmen arbeiten wir im Rahmen
eines IGF-Projekts daran, auch Hartmetall wie Wolframcarbid in einer
Kobalt-Matrix spritzbar zu machen.«