Wie man Biokatalysatoren unsterblich macht
Sie haben unsterbliche Biokatalysatoren entwickelt: Nicolas Plumeré, Darren Buesen und Li Huaiguang (von links). © RUB, Marquard
Effiziente Katalysatoren für die Umwandlung von Wasserstoff in Brennstoffzellen und andere Stoffe für die Energiewende basieren oft auf teuren und seltenen Metallen wie Platin. Der Einsatz günstigerer Metalle und biologischer Komponenten, die ebenso effizient funktionieren, brachte bislang eine verkürzte Lebensdauer der Katalysatoren mit sich, weil sie empfindlich gegen Sauerstoff sind. Einem Forschungsteam aus Bochum und Marseille ist es gelungen, einen solchen Katalysator mit einem extrem dünnen Schutzfilm aus molekularen Bausteinen auszustatten, der ihn vor Sauerstoff abschirmt und seine Lebensdauer damit praktisch unendlich macht. Dabei arbeitet der Katalysator trotzdem effizient. Das Team berichtet im Journal of the American Chemical Society vom 16. September 2019.
Die Forscherinnen und Forscher um Prof. Dr. Nicolas Plumeré vom Exzellenzcluster Ruhr explores solvation, kurz Resolv, an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) arbeiteten in dieser Studie zusammen mit Dr. Vincent Fourmond und Dr. Christophe Léger vom Centre national de la recherche scientifique Marseille.
Dicke Schichten taugen in der Praxis nicht
Die Teams arbeiten seit Längerem daran, effiziente Biokatalysatoren,
die sauerstoffempfindliche Hydrogenasen enthalten, langlebiger zu
machen. „Vor etwa fünf Jahren haben wir einen
Selbstverteidigungsmechanismus entwickelt, der auf einem leitfähigen
Polymerfilm basiert“, erklärt Nicolas Plumeré. Die Elektronen, die bei
der Oxidation von Wasserstoff entstehen, werden durch den Film
transportiert und reagieren mit Sauerstoff, der somit beseitigt wird,
bevor er das Innere des Katalysators erreichen kann, wo sich
sauerstoffempfindliche Enzyme befinden. „Für die Praxis waren die
Katalysatoren aber nicht zu gebrauchen“, so der Forscher. „Die
Polymerfilme waren mit über 100 Mikrometern so dick, dass sie die
Effizienz behindert haben.“
In der aktuellen Arbeit zeigen die Forscher, dass die Hydrogenasen auch in einem viel dünneren Polymerfilm sicher vor Sauerstoff sind. „Überraschenderweise sind diese nur wenige Mikrometer dünnen Filme sogar robuster als die dickeren“, so Nicolas Plumeré. 50 Prozent des Katalysators trägt nun zur Katalyse bei – bei dickeren Schutzfilmen waren es nur 0,3 Prozent.
Definierte Schutzschicht aus winzigen Kugeln
Kern der neuen Entwicklung sind die Bausteine, aus denen der
Schutzfilm aufgebaut ist. Die Forscher nutzen dafür winzige Kugeln mit
nur fünf Nanometern Durchmesser, die alle identisch aufgebaut sind,
sogenannte Dendrimere. So konnten sie die Dicke der entstehenden Schicht
genau kontrollieren.
Die Dendrimere können Elektronen effizienter transportieren als die zuvor genutzten Polymere. „Diese erhöhte Leitfähigkeit führt wahrscheinlich dazu, dass Elektronen schneller durch den Film transportiert werden“, erläutert Plumeré. „Dadurch kann Sauerstoff vermutlich in größerer Entfernung vom Katalysator gestoppt werden.“
22.000 Jahre effiziente Katalyse
Die Forscher waren überrascht zu beobachten, dass die Dicke des
Schutzfilms sich erheblich auf die Lebensdauer des Katalysators
auswirkt: In einem drei Mikrometer dünnen Film überlebt ein Katalysator
in Anwesenheit von Sauerstoff nur rund zehn Minuten. Wenn der Film sechs
Mikrometer dick ist, verlängert sich die Lebensdauer unter denselben
Bedingungen auf bis zu ein Jahr. „Weitere zwei Mikrometer Dicke
zusätzlich verlängern das Leben des Katalysators theoretisch auf 22.000
Jahre“, stellen die Forscher erstaunt fest.
Nachbarschaftshilfe verlängert das Leben
Ebenso überrascht war das Team, dass der Schutzfilm nicht nur
schädliche Sauerstoffmoleküle abhält, sondern sogar in der Lage ist,
einen nicht mehr funktionstüchtigen Katalysator zu reaktivieren, indem
sie ihm Elektronen zuführt, die von einem benachbarten aktiven
Katalysator stammen. „In andern Worten: Katalysatoren in diesem
Schutzfilm schützen nicht nur sich selbst, sondern auch sich
gegenseitig“, fasst Plumeré zusammen. Diese Eigenschaft ermöglicht auch
Katalysatoren in nur drei Mikrometer dünnen Schutzschichten ein
unendliches Leben.
„Diese extreme Langlebigkeit bringt uns einen weiteren Schritt näher an den Einsatz solcher sauerstoffempfindlichen Biokatalysatoren in Brennstoffzellen“, so das Forschungsteam.
Förderung
Die Arbeiten wurden gefördert durch das Centre
national de la recherche scientifique der Aix Marseille Université, die
Agence Nationale de la Recherche (ANR-15-CE05-0020), die
Exzellenzinitiative der Aix-Marseille University (ANR-11-IDEX-0001-02),
die Deutsche Forschungsgemeinschaft (EXC-2033 – Projektnummer
390677874), den Europäischen Forschungsrat (ERC starting grant 715900)
und das ANR-DFG-Projekt Shields (PL 746/2-1) sowie durch den China
Scholarship Council.