Potentiale von Leichtbauwerkstoffen besser ausschöpfen
Numerische Abbildung des Versuchskörpers am Beispiel eines rührreibgeschweißten Überlappstoßes. © Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF
Ultrahochfeste Aluminiumlegierungen sind die Zukunft des Leichtbaus in der herkömmlichen und der E-Mobilität. Das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF erarbeitet mit seinen Forschungspartnern im Rahmen des LOEWE-Schwerpunktes ALLEGRO (Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz) ressourcenoptimierte Prozesstechnologien, mit denen künftig lokale Bauteileigenschaften bedarfsgerecht eingestellt werden können. Die Wissenschaftler bewerten hierbei die gesamte Prozesskette, um sie ökonomisch sowie ökologisch zu optimieren und ein nachhaltigeres Produktdesign zu ermöglichen.
Der Ausbau der Elektromobilität erfordert höhere Reichweiten für Elektroautos. Leichtbaumaterialien mit optimierten Werkstoffeigenschaften können helfen, dies in die Tat umzusetzen. Der Schlüssel dazu liegt in der Kombination ultrahochfester Aluminiumlegierungen und neuer Verfahren der Formgebung, um lokale Bauteileigenschaften bedarfsgerecht einzustellen. Um das Leichtbaupotential von Aluminiumlegierungen optimal nutzen zu können, muss also die geometrische und mikrostrukturelle Komplexität von Produkten gesteigert werden. Eine zentrale Rolle spielt hier die Betriebsfestigkeit. Bisherige Bewertungskonzepte können allerdings lokale Werkstoffeigenschaften aufgrund des Fertigungsprozesses nur eingeschränkt abbilden. Das Fraunhofer LBF entwickelt im Rahmen des LOEWE-Schwerpunktes ALLEGRO neue Bewertungskonzepte der prozessbedingten Betriebsfestigkeit unter Beachtung des zyklisch transienten Werkstoffverhaltens, um das Leichtbaupotential der neuen Fertigungsprozesse heben zu können. »Mit diesen genaueren Bewertungen können Verbesserungen bei der werkstoffgerechten Lebensdauerabschätzung von Bauteilen erzielt werden. Sie bilden eine wichtige Voraussetzung für den industriellen Einsatz der neuen Technologien und ermöglichen ein nachhaltigeres Produktdesign im Leichtbau«, erklärt Maciolek, wissenschaftlicher Mitarbeiter imFraunhofer LBF.
Werkstoffe bis ins kleinste Detail untersucht
Im Rahmen von ALLEGRO versuchen die Darmstädter Wissenschaftler,
prozessbedingte Eigenschaften von ultrahochfesten Aluminiumlegierungen
gezielt für die verbesserte Lebensdauer von Bauteilen einzusetzen.
Hierfür entwickeln das Institut für Produktionstechnik und
Umformmaschinen der TU Darmstadt und das Fachgebiet für Trennende und
Fügende Fertigungsverfahren der Universität Kassel als Teil des
LOEWE-Schwerpunktes ALLEGRO Fertigungstechnologien, um sowohl ökologisch
als auch ökonomisch effiziente Prozesse der Formgebung mit integrierter
Wärmebehandlung zu realisieren. Mit diesen Prozessen sollen in Zukunft
Halbzeuge mit lokal angepassten Eigenschaften hergestellt werden, die
entsprechend des Einsatzgebietes auf die Funktion und die Beanspruchung
abgestimmt sind.
Die Wissenschaftler des Fraunhofer LBF untersuchen hierbei die
gesamte Prozesskette, um die lokalen prozessbedingten Eigenschaften im
Sinne des Leichtbaus am Beispiel eines E-Bike-Rahmens ausnutzen zu
können. Entlang dieser Kette werden durch verschiedene Prozessschritte
die Mikrostruktur sowie die Werkstoffeigenschaften beeinflusst, die
wiederum das Bauteilverhalten bestimmen. Wenn diese lokalen
Werkstoffeigenschaften ermittelt und in der Bemessung und Bewertung von
zyklisch beanspruchten Bauteilen und Strukturen berücksichtigt werden
können, dann kann das Potenzial im Leichtbau gezielt genutzt werden.
Da Bauteile meistens aus mehreren Halbzeugen zusammengesetzt werden,
müssen die Wissenschaftler auch die Fügbarkeit der gradierten Halbzeuge
untersuchen. Die Herausforderung beim Fügen besteht darin, die
Eigenschaftsgradierung des Halbzeugs beizubehalten oder sogar durch das
Fügen einzubringen. Dafür geeignete Fügeverfahren sind das
Laserstrahlschweißen, Rührreibschweißen und Magnetpulsschweißen, welche
genauer im Projekt untersucht werden.
Am 07. November 2019 wird Andreas Maciolek auf der LightMAT Konferenz
in Manchester einen Beitrag mit dem Titel »Cyclic material behavior of
aluminum wrought alloys considering heat treatment and prestrain« mit
aktuellen Ergebnissen des Fraunhofer LBF aus ALLEGRO vorstellen.