Weltweit erste Herstellung des Materials Aluminiumscandiumnitrid per MOCVD
© Fraunhofer IAF Forschern am Fraunhofer IAF ist es weltweit zum ersten Mal gelungen, Aluminiumscandiumnitrid (AlScN) per metallorganischer chemischer Gasphasenabscheidung (MOCVD) herzustellen. Die Forschergruppe um Gruppenleiter Stefano Leone (vorne rechts) ist stolz auf den gemeinsam errungenen Erfolg.
Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF haben das bislang Unmögliche geschafft: Es ist ihnen – weltweit zum ersten Mal – gelungen, Aluminiumscandiumnitrid (AlScN) per metallorganischer chemischer Gasphasenabscheidung (MOCVD) herzustellen. Bauelemente auf der Basis von AlScN werden als die nächste Generation der Leistungselektronik angesehen. Das Fraunhofer IAF kommt somit dem Ziel, Leistungselektronik für industrielle Anwendungen auf Basis von Transistoren aus AlScN herzustellen, einen entscheidenden Schritt näher.
Transistoren basierend auf dem Material AlScN gelten als vielversprechend für den Einsatz in industriellen Anwendungen wie der Datenübertragung, der Satelliten-kommunikation sowie für Radarsysteme oder autonomes Fahren. Denn Bauelemente auf der Basis von Silizium (Si) stoßen bei diesen Anwendungen immer häufiger an ihre physikalischen Grenzen. So können Si-Bauelemente nicht mehr kleiner werden, als es der aktuelle Stand der Forschung zulässt. Und wenn die immer weiter steigenden Datenmengen mit der aktuellen Si-Technologie verarbeitet werden müssten, würden die Serverräume eine solch große Fläche einnehmen, die wirtschaftlich und ökologisch nicht vertretbar wäre. Sogenannte HEMTs (high electron mobility transistors) übertreffen die Möglichkeiten der Si-Bauteile um ein Vielfaches. Entscheidend für den Erfolg der HEMT-Strukturen sind die Eigenschaften der ihnen zugrundeliegenden Materialien. AlScN besitzt hervorragende Eigenschaften, die höhere Ladungsträgerkonzentrationen ermöglichen als andere Materialien. Zukünftig sollen mit AlScN deutlich leistungsstärkere und effizientere HEMTs realisiert werden.
Bisherige Herstellungsverfahren scheitern an Qualität und Produktivität
Die Herstellung von AlScN birgt jedoch entscheidende
Herausforderungen. Nach dem Stand der Technik können AlScN-Schichten
mittels Sputtern hergestellt werden. Allerdings ist die Qualität dieser
Schichten für elektronische Anwendungen, wie LEDs und
Hochleistungstransistoren, nicht ausreichend. Alternativ ist es möglich,
AlScN per Molekularstrahlepitaxie (MBE) herzustellen. Mit diesem
Verfahren können hohe Scandium-Anteile in der Verbindung erhalten
werden. Auch die Qualität ist ausreichend für die Herstellung
mikroelektronischer Bauelemente. Jedoch ist das Verfahren aufwendig und
die Produktivität bei diesem Verfahren zu gering, um es industriell
einsetzen zu können.
Metallorganische chemische Gasphasenabscheidung verspricht industrietaugliche Produktion
Die Herstellung von AlScN per MOCVD verspricht sowohl eine für
industrielle Anwendungen ausreichende Qualität sowie Produktivität. »Wir
wussten, dass Forscher in der Vergangenheit versucht hatten,
Galliumscandiumnitrid mittels MOCVD herzustellen, aber erfolglos
blieben. Wir wissen auch, dass viele Forscher weltweit daran arbeiten,
AlScN-Transistoren zu entwickeln, aber vor uns hat es niemand mittels
MOCVD geschafft, obwohl dies ein vielversprechender Weg für die
Industrie sein könnte«, erklärt Stefano Leone, Gruppenleiter am
Fraunhofer IAF. Bei dem MOCVD-Verfahren wird Gas über einen beheizten
Wafer geleitet. Durch die Wärmeeinwirkung werden bestimmte Moleküle aus
dem Gas freigesetzt, die sich in die Kristallstruktur des Wafers
einbauen. Durch die Regulierung des Gasstroms, der Temperatur und des
Drucks kann die Kristallzusammensetzung präzise eingestellt werden und
auch das Wachstum von unterschiedlichen Materialschichten übereinander
ist durch den schnellen Austausch der Gase möglich.
Fraunhofer IAF gelingt Novum
Die Herausforderung für die Forscher des Fraunhofer IAF: Es gibt kein
Gas für Scandium. Die Moleküle (Präkursoren) für Scandium sind sehr
groß und schwer in die Gas-Phase zu bringen. »Wir haben untersucht, was
der beste Vorläufer für Scandium sein könnte, und überlegt, wie unser
MOCVD-Reaktor für die notwendigen Prozesse umgebaut werden kann. Wir
haben viel recherchiert und diskutiert und schließlich ein Setup
entwickelt, das wir jetzt sogar patentieren lassen. Letztendlich haben
wir es geschafft, AlScN-Schichten per MOCVD mit sehr hoher
Kristallqualität und der richtigen Menge an Scandium zu züchten, um die
nächste Generation von elektronischen Leistungstransistoren zu
entwickeln«, freut sich Leone über die erbrachten Leistungen. Die
MOCVD-Anlage am Fraunhofer IAF wurde von der Forschergruppe so umgebaut,
dass nun ein hochwertiger und reproduzierbarer Herstellungsprozess von
AlScN realisiert werden kann.
Erste AlScN-Schichten für Transistoren aus der MOCVD
Nach der erfolgreichen Abscheidung des AlScN in der MOCVD-Anlage
gelang auch die Herstellung der ersten AlScN-Schichten für Transistoren.
Mit einem Widerstand von ~200 ohm/sq., einer Beweglichkeit von ~600
cm²/Vs und einer Ladungsträgerdichte von ~4,0 x 1013 cm-2 erreichen
diese Schichten bereits vielversprechende Ergebnisse. Die Ziele der
Forscher sind es nun, den Widerstand zu verringern, die Beweglichkeit zu
erhöhen und die Materialqualität weiter zu optimieren. So soll die
Leistungsfähigkeit von zukünftigen Transistoren noch weiter verbessert
werden und das Fraunhofer IAF damit dem Ziel näherkommen, AlScN-HEMTs
für die leistungselektronischen Anwendungen der Industrie
bereitzustellen.