Isolierende Antiferromagneten zeigen Potenzial für künftige Computer-Bauteile
Abb./©: Lorenzo Baldrati, JGU Mikroskopische magnetische Momente in Antiferromagneten (links) haben ihren Nord- und Südpol abwechselnd – im Gegensatz zu denen in Ferromagneten (rechts im Bild).
Die Entwicklungen für eine künftige neue Computertechnologie auf Basis von isolierenden Antiferromagneten sind einen Schritt weiter. Elektrisch isolierende Antiferromagneten wie zum Beispiel Eisenoxid und Nickeloxid bestehen aus mikroskopischen Magneten mit entgegengesetzten Ausrichtungen. Sie gelten als vielversprechende Materialien für den Ersatz der jetzigen Silizium-Bauteile in Computern. Physiker und Physikerinnen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben in einem Kooperationsprojekt gezeigt, wie Informationen in isolierenden Antiferromagneten elektrisch geschrieben und ausgelesen werden können. Es gelang ihnen den Schreibmechanismus zu identifizieren, indem sie eine Veränderung der magnetischen Struktur – zu beobachten mit bildgebenden Verfahren mittels Synchrotronstrahlung – und die elektrischen Messungen an der JGU korreliert haben. Die Entdeckung öffnet den Weg für verschiedene Anwendungen, angefangen von ultraschnellen Prozessoren bis hin zu Kreditkarten, die durch externe Magnetfelder nicht gelöscht werden können, weil antiferromagnetische Materialien den ferromagnetischen überlegen sind. Die Forschungsarbeit erfolgte in Kooperation mit der Tohoku Universität in Sendai, Japan, und dem Elektronenspeicherring BESSY II am Helmholtz-Zentrum Berlin sowie dem britischen Synchrotron Diamond Light Source. Sie wurde in dem renommierten Fachjournal Physical Review Letters veröffentlicht.
Antiferromagnetische Materialien: Nicht nutzlos, sondern interessant
Mit antiferromagnetischen Materialien könnten
prinzipiell Speicherelemente hergestellt werden, die wesentlich
schneller sind und über eine deutlich größere Speicherkapazität verfügen
als herkömmliche Elektronik. Allerdings können die Materialien nur sehr
schwer kontrolliert und ausgelesen werden, was die Anwendung in
Schreib- und Lesebauteilen erschwert. Louis Néel beschrieb in seiner
Nobelpreisrede 1970 die antiferromagnetischen Materialien als
interessant, aber nutzlos. Man glaubte, dass die Antiferromagneten nur
durch extrem starke magnetische Felder zu manipulieren sind, Felder wie
sie beispielsweise mit supraleitenden Magneten erzeugt werden müssten.
Diese Einschätzung hat sich in den letzten Jahren drastisch geändert: Es
zeigte sich, dass antiferromagnetische Materialien und sogar Isolatoren
mithilfe von elektrischen Strömen wirksam kontrolliert werden können.
Internationale Kooperation untersucht die Vorteile der Spintronik mit Antiferromagneten
"Wir wissen, dass wir die Grenzen der konventionellen
Elektronik auf Siliziumbasis bald erreichen werden, weil die
technologischen Verbesserungen kontinuierlich voranschreiten. Das ist
der wichtigste Grund, weshalb wir die Forschung in der Spintronik
vorantreiben, einer Technik, die nicht nur die elektrische Ladung,
sondern auch den Spin, was man als die Eigenrotation von Elektronen
verstehen kann, nutzt. Der Transport und die Verarbeitung von
Informationen können damit verdoppelt werden", sagt Dr. Lorenzo
Baldrati, Marie-Skłodowska-Curie-Fellow an der JGU und Erstautor der
Veröffentlichung. "Unsere Forschung zeigt, dass antiferromagnetische
Isolatoren für effiziente Schreibvorgänge und elektrisches Auslesen
geeignet sind – eine Schlüsselfunktion im Hinblick auf die Anwendung."
Lorenzo Baldrati ist Postdoc in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Mathias
Kläui, der hinzufügt: "Ich freue mich sehr, dass die fruchtbare
Zusammenarbeit mit unseren Kollegen in Japan und den Gruppen in Mainz
nun zu einer weiteren gemeinsamen Veröffentlichung geführt hat. Mit der
Unterstützung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, der
Exzellenz-Graduiertenschule Materials Science in Mainz und der DFG
konnten wir einen lebhaften Austausch zwischen Mainz und Sendai und mit
weiteren theoretisch arbeitenden Gruppen einrichten."
Die Theorie entwickelte Prof. Dr. Olena Gomonay in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Jairo Sinova. "Es hat Spaß gemacht, mit den experimentellen Physikern in Mainz zu arbeiten. Es ist spannend, wenn man mitverfolgen kann, wie sich Theorie und Experiment gegenseitig unterstützen, um neue physikalische Mechanismen und Phänomene aufzudecken", so Olena Gomonay. "Obwohl sich unsere Arbeit nur auf ein bestimmtes System konzentriert, kann es als grundlegendes Prinzip für die Familie der antiferromagnetischen Isolatoren gelten. Wir hoffen, dass das tiefe Verständnis der antiferromagnetischen Dynamik, die wir im Laufe dieses Projekts erlangt haben, das spannende Feld der antiferromagnetischen Spintronik weiter vorantreiben und ein Ausgangspunkt für neue gemeinsame Projekte unserer Gruppen sein wird."