Elektronen-Rangelei in Nanostrukturen aus Kohlenstoff
Das Graphen-Nanoband (Mitte) besteht aus einer einzigen Lage wabenförmig angeordneter Kohlenstoffatome. Das Band ist nur wenige Kohlenstoffatome breit und besitzt, je nach Form und Breite, unterschiedliche elektrische Eigenschaften. Die lokale Zustandsdichte der Elektronen ist an den Rändern erhöht, wie die dunkelroten Flächen in den Kästen zeigen. © Jan-Philip Joost, AG Bonitz
Um elektronische Bauteile weiter zu verkleinern und damit Geräte wie Laptop oder Smartphone schneller und leistungsfähiger zu machen, braucht es neue Materialien. In dieser Hinsicht vielversprechend sind winzige Nanostrukturen des neuartigen Werkstoffs Graphen. Dieser besteht aus einer einzigen Atomlage Kohlenstoff und hat unter anderem eine hohe elektrische Leitfähigkeit. Allerdings zeigen solche mikroskopisch kleinen Nanostrukturen bedingt durch die räumliche Einschränkung ein stark verändertes elektronisches Verhalten. Mit einem aufwändigen Rechenmodell gelang es einem Team unter Leitung von Professor Michael Bonitz vom Institut für Theoretische Physik und Astrophysik (ITAP) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), die Eigenschaften der Elektronen in diesen besonderen Nanostrukturen präzise zu simulieren und aufzuklären. Diese Kenntnisse sind entscheidend für den potenziellen Einsatz von Nanostrukturen aus Graphen in elektronischen Bauteilen.
Präzise Simulation der Eigenschaften von Elektronen in Nanostrukturen
Zwei
Forschungsteams ist es im vergangenen Jahr unabhängig voneinander
gelungen, heterogene schmale Kohlenstoff-Nanobänder herzustellen und die
Elektronen-Energien darin auszumessen. Bei den Bändern wechseln sich
verschieden breite Bereiche regelmäßig ab. Dadurch entstehen
unterschiedliche Energiezustände mit einer eigenen elektronischen
Struktur. „In theoretischen Modellen konnten die Messergebnisse aber
nicht vollständig reproduziert werden“, erklärt Bonitz, der den
Lehrstuhl für statistische Physik am ITAP leitet. Zusammen mit seinem
Doktoranden Jan-Philip Joost und dem dänischen Kollegen Professor
Antti-Pekka Jauho von der Technischen Universität Dänemark (DTU)
entwickelte er ein verbessertes Modell und erreichte damit eine
hervorragende Übereinstimmung mit den Experimenten. Die theoretischen
Resultate stellen die Physiker in der aktuellen Ausgabe der renommierten
Fachzeitschrift Nano Letters vor.
Grundlage für die neuen und präziseren Computersimulationen war die Annahme, dass die Abweichungen zwischen Experiment und bisherigen Modellen durch die gegenseitige Abstoßung der Elektronen bedingt war. Diese sogenannte Coulomb-Wechselwirkung gibt es zwar auch in Metallen, aber in den kleinen Kohlenstoff-Nanostrukturen ist der Effekt viel größer. Die Elektronen werden aus den ursprünglichen Energiezuständen herausgestoßen und müssen sich andere Plätze ‚suchen’, wie Bonitz verdeutlicht: „Wir konnten nachweisen, dass Korrelationseffekte durch die Coulomb-Wechselwirkung der Elektronen einen zum Teil dramatischen Einfluss auf das lokale Energiespektrum haben.“
Form der Nanobänder bedingt die elektronische Eigenschaften
Wie
die zulässigen Energiewerte der Elektronen von der Länge, Breite und
Form der Nanostrukturen abhängt, konnte durch Untersuchung weiterer
Nanobänder aufgeklärt werden. „Je nachdem wie man die Geometrie der
Nanobänder wählt, welche Breite sie haben und wie sich die Breite
ändert, ändert sich auch das Energiespektrum“, ergänzt Joost. „Unsere
neuen Daten ermöglichen erstmals präzise Vorhersagen, wie sich das
Energiespektrum durch die gezielte Variation der Form der Nanobänder
steuern lässt”, sagt Jauho von der DTU in Kopenhagen. Die Forscher
hoffen, dass diese Vorhersagen nun auch experimentell überprüft werden
und zur Entwicklung neuer Nanostrukturen führen. Derartige Systeme
können einen entscheidenden Beitrag zur weiteren Miniaturisierung der
Elektronik liefern.