Neue Klimadaten dank kompaktem Alexandritlaser
© Fraunhofer ILT, Aachen. Mit einem diodengepumpten Alexandritlaser reduzieren sich Baugröße und Energiebedarf des LIDAR-Systems um den Faktor 100.
Höhere Atmosphärenschichten werden für Klimaforscher immer interessanter. Bereiche oberhalb von 40 km sind allerdings nur mit Höhenforschungsraketen direkt zugänglich. Ein LIDAR-System (Light Detection and Ranging) mit einem diodengepumpten Alexandritlaser schafft jetzt neue Möglichkeiten. Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Atmosphärenphysik (IAP) und des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT entwickeln ein System, das leicht zu transportieren ist und autark arbeitet. Damit kann in Zukunft ein LIDAR-Netzwerk kontinuierlich und weiträumig Daten aus der Atmosphäre liefern.
Der Klimawandel ist in diesen Tagen ein heißes Thema. Eine wichtige wissenschaftliche Grundlage zum Verständnis der Phänomene sind valide Modelle zur Temperatur- und Windverteilung in der Atmosphäre. Messungen in der oberen Stratosphäre bis zur Thermosphäre (30-120 km) sind dabei nur schwer zu erfassen. Ein bodengestütztes LIDAR-System bietet nun einen neuen Zugang. Seit den neunziger Jahren leistet das IAP in Kühlungsborn mit selbstentwickelten LIDAR-Systemen Pionierarbeit in der Erforschung der Mesosphäre. Mit einem blitzlampengepumpten Alexandritlaser füllte das System allerdings einen kompletten Schiffscontainer. Sein Einsatz war auch durch hohen Energieverbrauch und eine komplexe Justage limitiert.
Durchbruch mit einem diodengepumpten Alexandritlaser
In langjährigen bilateralen Projekten und mit einer Förderung durch
das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR im Projekt ALISE haben
die Experten vom IAP gemeinsam mit dem Fraunhofer ILT in Aachen ein
neues LIDAR-System entwickelt. Es hat die Größe einer Waschmaschine und
arbeitet dank des innovativen Laserdesigns praktisch wartungsfrei. Neben
dem Volumen wurde auch der Energieverbrauch um den Faktor 100 gesenkt
und liegt jetzt unter 500 Watt.
Kernstück des neuen Systems ist ein diodengepumpter Alexandritlaser,
der am Fraunhofer ILT entwickelt wurde. Das System liefert Pulse mit bis
zu 1,7 mJ bei 500 Hz Repetitionsrate und bietet damit eine hohe
räumliche sowie zeitliche Auflösung. Mit einer Puls-zu-Puls-Stabilität
von 0,2 Prozent und einer hohen Strahlqualität (M² besser als 1,1) sind
präzise Messungen in den anvisierten Höhen möglich. Besonders wichtig
für die LIDAR-Anwendung ist zudem die geringe Linienbreite von unter 4
MHz, die der Laser im gepulsten Einzelfrequenzbetrieb liefert.
Im Rahmen des DLR-Projekts haben Experten bei Airbus die
Weltraumtauglichkeit des Lasers bewertet. Das Gesamtsystem wurde
erfolgreich auf Laborlevel getestet und auf das Technology Readiness
Level (TRL) 4 eingestuft. Die Komponenten des Lasers, die kompatibel mit
der am Fraunhofer ILT entwickelten FULAS-Plattform für Laser im
Weltraumeinsatz sind, erfüllen sogar TRL 6 – was einer Validierung unter
realistischen Einsatzbedingungen entspricht.
Mit 3D-Druck zum LIDAR-Netzwerk
Die ersten zwei Generationen des neuen Alexandritlasers waren noch
Laboraufbauten, mit denen bereits Messergebnisse aus der Atmosphäre
gewonnen wurden. Die dritte Generation ist kompakter und angepasst für
die Integration in ein transportables System für den Außeneinsatz.
Außerhalb des Lasers wurde zur Halterung der optischen Komponenten
eine neue Technologie angewandt, die zum Patent angemeldet ist: Die
Optiken werden dabei in spezielle Kunststoffhalter geklemmt. Diese sind
Teile ganzer Module, die mit einem 3D-Drucker besonders kostengünstig
hergestellt werden. Die Module sind in einen Instrumententräger
integriert, der sich ebenfalls zu großen Teilen additiv fertigen lässt.
Das erste der kompakten LIDAR-Systeme bauten die Wissenschaftler im
Oktober 2019 auf. Bis Ende 2020 werden drei weitere Systeme
fertiggestellt. Ziel ist der Aufbau eines Netzwerks von LIDAR-Systemen
für das VAHCOLI-Projekt – VAHCOLI steht dabei für »Vertical And
Horizontal COverage by LIdar«. Mit dem LIDAR-Netzwerk sollen in dem
Projekt erstmals dreidimensional zeitaufgelöst Wind- und
Temperaturfelder in der mittleren Atmosphäre vermessen werden.
Weltweit sind Messkampagnen geplant
Für die weitere Entwicklung der LIDAR-Systeme mit dem Alexandritlaser
wurde am IAP im September 2019 eine neue Halle eingeweiht. Dort lassen
sich nicht nur mehr Systeme der VAHCOLI-Reihe bauen, sondern auch
weiterentwickelte Strahlquellen vom Fraunhofer ILT – zum Beispiel mit
einem erweiterten Wellenlängenbereich für UV-Messungen – erproben.
Mit dem am IAP entwickelten Verfahren für Temperaturmessungen anhand
von Eisenatomen (386 nm) wurden erstmals Temperaturen im polaren Sommer
in der Antarktis genau bestimmt. Aufgrund der Möglichkeit, die
Wellenlänge des Lasers über einen weiteren Bereich (ca. 720–810 nm)
durchzustimmen, lassen sich zukünftig viele weitere wichtige
Mess-Wellenlängen erreichen.
Gegenwärtig wird mit den kompakten LIDAR-Systemen die Kaliumlinie bei
770 nm für die Messungen in der Atmosphäre genutzt. Damit sind
Messkampagnen unter anderem in den Polarregionen geplant. Mit der neuen,
besonders stabilen Lasertechnik wird darüber hinaus eine Vielzahl von
Messungen möglich, zum Beispiel auf Flugzeugen, um die Verteilung von
Vulkanstaub in der Atmosphäre zu messen oder mittelfristig auch
satellitenbasiert, um globale Klimadaten zu sammeln.