Chemische Reaktionen mit Licht beeinflussen
Links als Pfeil das kurzgepulste Licht (Attosekunde), das Atom mit unterschiedlich geladenen Zonen (rot und blau) und ein Elektron, das aus dem Atom herausgeschossen wurde, wodurch sich die Ladungen verschieben können. Foto: FSU
Um zu beobachten, was im Inneren von Atomen geschieht, können Forschende sie mit Röntgen- oder extrem ultravioletter Strahlung durchleuchten. Allerdings müssen sich für diese Art der Spektroskopie die Lichtblitze auf der gleichen Zeitebene wie die Elektronen um den Atomkern bewegen. Dafür sind Laserpulse im Attosekundenbereich nötig - das entspricht dem Trillionstel einer Sekunde. Vor allem dank technischer Innovationen - insbesondere im Bereich der Lichtquellen - hat sich diese Methode in den vergangenen Jahren sehr schnell entwickelt und verspricht nahezu revolutionäre Fortschritte im Bereich der physikalischen Chemie. Um ihr Potenzial weiter auszuloten und vor allem konkret zu nutzen, haben Forschende aus Chemie und Physik nun ein internationales Netzwerk gegründet, durch das sie ihre Zusammenarbeit in diesem Bereich weiter intensivieren wollen. Die Europäische Union fördert die neue Kooperationsbasis in den kommenden vier Jahren mit insgesamt etwa einer halben Million Euro. Bisher sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus insgesamt 25 Ländern beteiligt. Deutsche Repräsentantin und Koordinatorin innerhalb der sogenannten COST-Aktion ist Prof. Dr. Stefanie Gräfe von der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Elektronen herausschießen, Bindungen brechen
Die Jenaer Chemikerin interessiert sich dabei nicht nur für die Beobachtung von Elektronen. "Durch
die Attosekunden-Chemie können wir nicht nur ins Innere von Atomen
schauen, sondern dort möglicherweise auch aktiv chemische Reaktionen
beeinflussen", erklärt Stefanie Gräfe. "Die kurz gepulsten
Lichtstrahlen können so eingesetzt werden, dass sie Elektronen sozusagen
aus dem Gefüge herausschießen und somit ganze Bindungen aufbrechen -
auf anderen Wegen können möglicherweise neue Bindungen geschaffen
werden. Führt man das gezielt aus, so lassen sich praktisch künstlich
Ladungsverschiebungen herbeiführen, die chemische Reaktionen
begünstigen." Somit ließen sich Abfallprodukte vermeiden, die dann
entstehen, wenn ein Molekül da anbindet, wo es nicht hin soll. Generell
könnten Prozesse dieser Art effizienter gestaltet werden. Hier gelte es
aber zunächst, mehr über den Ablauf chemischer Reaktionen mithilfe von
Attosekunden-Laserstrahlen näher herauszufinden.
Als Theoretikerin arbeitet Stefanie Gräfe vor allem am Computer. Sie wird im Rahmen des Netzwerkes beispielsweise Experimente entwerfen, die im Labor durchgeführt werden. Aus den daraus hervorgehenden Daten entwickelt die physikalische Chemikerin an der Universität Jena dann Modelle, um die wirkenden Phänomene zu erklären.
Netzwerk sucht Mitglieder
Das Netzwerk führt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zu
einem Thema forschen, zusammen. Es ermöglicht ihnen beispielsweise den
direkten Austausch untereinander während gemeinsamer Treffen sowie
längere Forschungsaufenthalte an beteiligten Institutionen und kleinere
Workshops etwa für den wissenschaftlichen Nachwuchs. "Um breit
aufgestellt zu sein und alle Kompetenzen in diesem Bereich zu bündeln,
haben wir natürlich großes Interesse daran, dass das Netzwerk wächst", sagt Prof. Dr. Stefanie Gräfe. "Deshalb freuen wir uns, wenn sich weitere Forscherinnen und Forscher anschließen."