Innovatives Leichtbaukonzept im Fahrzeugbau für weniger Emissionen
Geschmiedeter Zahnkranz © AiF
Autos sollen sicherer, komfortabler und leistungsfähiger werden. Mit diesen Ansprüchen steigen auch die Fahrzeuggewichte und der damit verbundene Kraftstoffverbrauch stetig an. Weniger Fahrzeuggewicht ist nicht nur im Hinblick auf steigende Kraftstoffverbrauche, sondern auch mit Blick auf die elektrisch betriebenen Fahrzeuge mit ihren schweren Akkus, eine effektive Maßnahme für mehr Effizienz. Bislang wird der Leichtbau vorwiegend im Karosseriebau umgesetzt. Im Bereich des Antriebsstranges kam es zu keiner vergleichbaren Gewichtseinsparung. Insbesondere Leichtbauideen, die mit einer Veränderung der Werkstoffe einhergehen, haben Konsequenzen für die Konstruktion und Fertigung. Dieser erhöhte Aufwand in der gesamten Prozesskette hielt die Konstrukteure bislang von der Umsetzung der Leichtbauansätze im Antriebsstrang ab.
Eine Lösung für das Problem haben jetzt drei Wissenschaftler im Rahmen eines vom AiF-Mitglied Forschungsvereinigung Stahlanwendung e.V. - FOSTA koordinierten Projekts der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) gefunden: Wirtschaftsingenieur M. Sc. Clemens Neipp von der RWTH Aachen University, Dr. Holger Surm vom Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien – IWT Bremen und Maschinenbauingenieur M. Sc. Christian Weber von der Technischen Universität (TU) München haben ein neues Werkstoffkonzept entwickelt, das für Bauteile im Antriebsstrang eingesetzt werden kann und dort zu einer Gewichtsreduzierung von bis zu 26 Prozent führt. Die Entwicklung birgt aber noch mehr Potential: Neben der so genannten primären Gewichtsreduktion ist zusätzlich das Potential für eine sekundäre Gewichtsreduktion vorhanden, denn das neue Werkstoffkonzept eignet sich auch für weitere Komponenten im Antriebsstrang. Das Projekt war im November 2019 unter den letzten drei Finalisten bei der Wahl zum Otto von Guericke-Preis der AiF. Der Preis wird einmal im Jahr für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der IGF vergeben und ist mit 10.000 Euro dotiert. Die vorwettbewerbliche IGF wird im Innovationsnetzwerk der AiF und ihrer 100 Forschungsvereinigungen organisiert und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit öffentlichen Mitteln gefördert.
Leichtbaupotenzial erkannt
„Studien zeigen, dass mehr als dreiviertel der
Bauteile des Antriebsstrangs ein deutliches Leichtbaupotential besitzen.
Mithilfe unseres neuen Werkstoffkonzeptes konnten wir dieses hohe
Leichtbaupotential an einem konkreten Beispiel aufzeigen“, freut sich
Surm. Neipp beschreibt das Vorgehen der Wissenschaftler: „Bei der
Werkstoffentwicklung haben wir auf existierende Einsatz- und
Vergütungsstähle aufgebaut, denn diese sind bereits in der Industrie
bekannt. Das erleichtert den Firmen den Transfer der Ergebnisse in ihre
industriellen Produktionsketten.“ Die Forscher haben die Stähle
hinsichtlich ihrer Legierungszusammensetzung und ihrer thermochemischen
Wärmebehandlung zielgerichtet verändert, erklärt Teammitglied Weber und
betont, dass „der veränderte Einsatzstahl schon während der Projektphase
ohne Modifikationen an den bestehenden Anlagen industriell hergestellt
werden konnte.“
Neue Marktpotentiale durch die IGF
Für Dr. Winfried Gräfen von der Hannoveraner Hanomag
Lohnhärterei liegt klar auf der Hand, wie wichtig die IGF für kleine
und mittelständische Unternehmen (KMU) ist: „Die Projektergebnisse
eröffnen uns ganz neue Markt- und Kundenpotentiale. Als
mittelständisches Unternehmen hätten wir uns derartige Forschungs- und
Entwicklungsarbeiten ohne die Mitarbeit in der IGF weder personell noch
finanziell leisten können“, fährt Gräfen fort; das Projekt zeige sehr
anschaulich, „wie wichtig die IGF für KMU ist“. Die Hanomag Lohnhärterei
war als Industriepartner im Projektbegleitenden Ausschuss an dem
Projekt beteiligt.
Rainer Salomon, Geschäftsführer der FOSTA, stellt fest, dass die Ergebnisse des IGF-Projekts weit über die Entwicklung eines optimierten Einsatzstahles hinausgehen. „In Verbindung mit dem Innovationsnetzwerk Massiver Leichtbau konnten wir sehr gute Ansatzpunkte finden, um Innovationshemmnisse zu überwinden. Für mich ist dieses Projekt ein herausragendes Beispiel für anwendungsorientierte Forschung im vorwettbewerblichen Bereich für KMU“, so der Ingenieur.