Vielversprechende Feststoff-Elektrolyte für leistungsstarke Lithium-Ionen Batterien
© Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM Hoffnungsträger für noch leistungsfähigere Lithium-Ionen-Batterien: Festkörper-Elektrolyt (hier LiTi2(PO4)3, Li-grün, Ti-blau, P-lila, O-rot) mit Darstellung der »Wanderungspfade« für Lithium-Ionen (gelbe Bänder). Bild in Druckqualität: www.iwm.fraunhofer.de
Leistungsfähige, langlebige Energiespeicher sind für viele Zukunftstechnologien von zentraler Bedeutung: Etwa für die Elektromobilität, für mobile Endgeräte wie Tablets oder Smartphones oder zur effizienten Nutzung regenerativer Energien. Dr. Daniel Mutter vom Freiburger Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM konnte klären, wie Feststoff-Elektrolyte aus Keramik chemisch zusammengesetzt sein müssen, um gute Leistung in Lithium-Ionen Batterien zu erbringen. Dies hat er im Journal of Applied Physics (https://doi.org/10.1063/1.5091969) veröffentlicht. Solche Feststoff-Elektrolyte sind umweltfreundlicher als herkömmliche Flüssig-Elektrolyte und könnten Lithium-Ionen Batterien deutlich leistungsfähiger und betriebssicherer machen.
»Die Überlegung, dass keramische Festkörper-Elektrolyte eine vielversprechende Alternative für herkömmliche Flüssig-Elektrolyte in Batterien und Akkumulatoren sein könnten, ist in der Materialwissenschaft nicht neu«, erklärt Dr. Daniel Mutter, Wissenschaftler der Gruppe Materialmodellierung am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM. Im Vergleich zu herkömmlichen Flüssig-Elektrolyten sind Festkörper-Elektrolyte sicherer im laufenden Betrieb: Sie bergen eine deutlich geringere Explosionsgefahr und bei einer Beschädigung, beispielsweise durch einen Crash, tritt keine Säure aus, die bei Menschen Verätzungen und Vergiftungen hervorrufen kann.
Geeignete chemische Verbindungen zur Gestaltung von Festkörper-Elektrolyten entdeckt
Im Allgemeinen fällt die ionische Leitfähigkeit von
Keramik-Materialien geringer aus als die von Flüssig-Elektrolyten. Eine
hohe ionische Leitfähigkeit verspricht jedoch die Klasse der sogenannten
NZP-Keramiken: Ihr struktureller Aufbau ermöglicht die Existenz von
»Wanderpfaden«, auf denen sich Lithium-Ionen leicht fortbewegen können.
Das macht sie zum interessanten Kandidat für hochleistungsfähige
Festkörperelektrolyte für Lithium-Ionen Batterien.
Unklar war bisher allerdings, warum bestimmte Verbindungen
leistungsfähiger sind als andere und welche tatsächlich besonders gute
Leistung erbringen. Die Anforderungen an die Materialeigenschaften von
Batterie-Elektrolyten sind beachtlich: Die ionische Leitfähigkeit soll
hoch und die verwendeten chemischen Elemente sowohl ungiftig als auch
reichhaltig in der Erdkruste vorhanden sein.
Dr. Mutter identifizierte nun mithilfe atomistischer Simulationen
mehrere Kombinationen chemischer Elemente für NZP-Keramiken, die für
diese Anforderungen besonders vielversprechend sind. »Mit dieser
computerbasierten Forschung können wir gesicherte Aussagen zu den
Eigenschaften und der Stabilität verschiedener chemischer
Elementverbindungen machen, ohne diese tatsächlich chemisch
synthetisieren zu müssen«, erklärt der Forscher. Der Vorteil: Die
tatsächliche Synthese ist teuer und benötigt Ressourcen. Die
Simulationen führte er am Großrechner des
Steinbuch-Supercomputer-Centers am Karlsruher Institut für Technologie
durch.
Kürzeres Laden bei längerem Betrieb
»Diese besonders vorteilhaften Keramik-Festkörper-Elektrolyte können
wir unter Umständen mit sehr leistungsfähigen Lithium-Metall-Anoden
kombinieren – das ist bei den heute gebräuchlichen flüssigen
Elektrolyten nicht möglich, denn sie reagieren stark mit metallischem
Lithium und beschädigen dadurch die Batterie«, erklärt Dr. Mutter. »Im
nächsten Schritt könnten wir mit Partnern praktisch testen, ob unsere
vorhergesagten Elektrolytmaterialien die Ionenleitfähigkeit wie erwartet
deutlich steigern und daraus bestehende Batterien eine sehr viel höhere
Energie- und Leistungsdichte erreichen«, sagt der Physiker. Das hieße
konkret: Kürzere Ladedauer bei längerer Betriebszeit, was insbesondere
für die Elektromobilität von Vorteil wäre. Zudem bedeutet diese
Kombination weniger Gewicht, da Lithium-Metall-Anoden bei gleicher
Kapazität deutlich leichter sind als die bisher verwendeten
Graphit-Anoden.
Leichtere Batterien mit zahlreich in der Erde vorhandenen Elementen
Die chemischen Elemente, aus denen die Elektrolytmaterialien
bestehen, an denen Dr. Mutter forscht, sind zahlreich in der Erdkruste
in Europa vorhanden und verhältnismäßig leicht abbaubar. So wird
vermieden, dass Elemente wie etwa Kobalt, das beispielsweise in
Lithium-Ionen-Batterien von Smartphones zum Einsatz kommt und oftmals
aus dem Kongo importiert wird, zur Herstellung benötigt werden.
Über die Vorhersage vielversprechender Materialzusammensetzungen
hinaus trägt Dr. Mutter mit seiner Forschung zum besseren Verständnis
der atomaren Vorgänge in NZP-Keramiken bei. Er fand heraus, dass die für
die Lithium-Ionen-Wanderung nötige Migrationsenergie auf eine andere
Weise von der Sauerstoffumgebung um den Ionenwanderungspfad abhängt als
bisher vermutet. Identifizierte Struktur-Eigenschaftsbeziehungen
ermöglichen deutlich fundiertere Vorhersagen über die Auswirkungen der
elementaren Besetzungen auf das Strukturgerüst und die
Ionenleitfähigkeit der NZP-Keramiken.
Dr. Mutters Analysen sind Teil eines DFG-geförderten
Forschungsprojekts zum Thema »Herstellung und Charakterisierung
keramischer Festkörper-Elektrolyte mit hoher Lithiumionenleitfähigkeit«,
das er in Kooperation mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
und der TU München durchgeführt hat. Für seine hervorragende
wissenschaftliche Leistung hat Dr. Mutter den Werkstoffmechanik-Preis
2019 des Fraunhofer-IWM erhalten. Die Originalpublikation zum Thema ist
im Journal of Applied Physics erschienen (https://doi.org/10.1063/1.5091969.
Infokasten: Was sind NZP-Keramiken?
Die Klasse der NZP-Keramiken ist seit den 1960er Jahren bekannt und
wird auch mit dem Begriff NASICON bezeichnet. Ihren Namen erhielt sie
von der chemischen Struktur NaZr2(PO4)3,
für die besonders positive Eigenschaften für die Herstellung von
Festkörper-Elektrolyten entdeckt wurden. Die Stabilität von
NZP-Keramiken wird durch eine charakteristische »Laternen«-Struktur der
von den Sauerstoffatomen gebildeten Polyeder um die anderen Elemente
ermöglicht. Daraus ergibt sich ein dreidimensionales Netzwerk von
Wanderungspfaden für Lithium-Ionen, was zu einer hohen
Ionenleitfähigkeit der Keramik führt. Die chemischen Elemente Natrium,
Zirkonium und Phosphor können variiert werden. So kann – wie in der
Grafik zu sehen – Natrium durch Lithium und Zirkonium durch Titan
ersetzt werden. Die Variierbarkeit der Elemente ermöglicht, die
Materialeigenschaften für eine Vielzahl elementarer Kombinationen
computergestützt zu analysieren.