Muster mit außergewöhnlichen Eigenschaften
Nanostruktur auf einer Silberoberfläche, gebildet durch Wasserstoffbrücken zwischen den Hydroxamsäure-Gruppen an den Enden des stabförmigen Grundbausteins. Bild: B. Zhang / TUM
Die Nanowissenschaft kann mithilfe von Selbstorganisation kleinste molekulare Einheiten zu nanoskaligen Mustern ordnen. Ein Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM) hat einen einfachen stabförmigen Baustein an beiden Enden mit Hydroxamsäure versehen. Die daraus entstehenden komplexen molekularen Netzwerke sind nicht nur schön anzuschauen, sie zeigen auch außergewöhnliche Materialeigenschaften. Unsere genetische Information ist in zwei DNA-Strängen gespeichert, die sich durch einen Selbstorganisationsprozess zur bekannten wendeltreppenartigen Doppelhelix-Struktur zusammenfinden. Wasserstoffbrücken stabilisieren die beiden Stränge dabei und sorgen für die große Stabilität. Inspiriert von solchen natürlichen „Reißverschlüssen“ suchen Forschende unterschiedlicher Disziplinen und Nationalitäten an der TU München nach neuen Verbindungen, um funktionelle Nanostrukturen zu konstruieren und die Grenzen künstlicher Strukturen zu erweitern.
Baustein für komplexe Nanostrukturen
In
den Mittelpunkt ihrer in der Zeitschrift „Angewandte Chemie“
veröffentlichten Untersuchungen stellten die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler einen neuen Baustein für zweidimensionale Architekturen:
eine chemische Gruppe namens Hydroxamsäure-Gruppe.
Mitarbeitende
des Lehrstuhls für Proteomik und Bioanalytik in Freising versahen ein
stabförmiges Molekül an beiden Enden mit einer Hydroxamsäuregruppe. Auf
atomar glatten Silber- und Goldoberflächen wurden damit dann am
Lehrstuhl für Oberflächen- und Grenzflächenphysik in Garching molekulare
Nanostrukturen erzeugt.
Ein Netzwerk aus Nanoporen
Eine
Kombination aus Mikroskopie, Spektroskopie und
dichtefunktionstheoretischen Untersuchungen zeigte, dass der molekulare
Baustein seine Form in der Umgebung der Trägeroberfläche und seiner
benachbarten Moleküle geringfügig verändert. Dies führt zu einer
ungewöhnlichen Vielfalt supramolekularer Oberflächenstrukturen, gebildet
aus zwei bis sechs Molekülen, die durch intermolekulare
Wechselwirkungen zusammengehalten werden.
Nur eine Handvoll dieser
Motive sind in 2-D-Kristallen organisiert. Darunter entstand ein
beispielloses Netzwerk, dessen Muster an geschnittene Zitronen,
Schneeflocken oder Rosetten erinnern. Es verfügt über drei verschiedene
Poren. Die kleinsten wären in der Lage, ein einzelnes, kleines
Gasmolekül wie Kohlenmonoxid aufzunehmen, die größten hätten Platz für
ein kleines Protein wie Insulin.
"Art und Anzahl unterschiedlicher
Poren, die durch diese kristallinen 2-D-Netzwerke hervorgebracht
werden, sind ein Novum unter den durch molekulare Nanostrukturen
erzielten Mosaikstrukturen“, sagt Anthoula Papageorgiou, Letztautorin
der Publikation. „Dieses System bietet einzigartige Möglichkeiten für
Bottom-up Nano-Templating, die wir weiter erforschen werden.“
Nanokäfige einmal anders
Wie
unsere linke und rechte Hand kann die Form zweier spiegelbildlicher
Käfigstrukturen nicht überlagert werden. Formen, die so aufgebaut sind,
werden nach dem antiken griechischen χείρ (Hand) als "chiral" bezeichnet, aus. Viele Naturstoffe sind chiral und spielen eine entscheidende Rolle für die Biologie.
Unsere
Geruchsrezeptoren reagieren beispielsweise sehr unterschiedlich auf die
beiden Spiegelbilder des Limonen-Moleküls: Eines riecht nach Zitrone,
das andere nach Kiefer. Diese sogenannte chirale Erkennung kann auch
darüber entscheiden, ob ein Molekül ein Medikament oder giftig ist.
Die
Innenwände der erhaltenen nanostrukturierten Käfige bieten Stellen, an
die Gastmoleküle andocken können. In einigen der größeren Poren
beobachteten die Forschenden, dass sich drei gleiche Moleküle zu einem
chiralen Objekt zusammensetzten. Wie eine Spieluhr-Ballerina ist dieses
Objekt bei Raumtemperatur in Bewegung, was zu einem unscharfen Bild
führt.
In zukünftigen Arbeiten möchte das Team solche Phänomene
weiter erforschen, um sie für die chirale Erkennung und künstliche
Nano-Maschinen zu nutzen.