Neues Spann- und Referenziersystem zur schnelleren Weiterbearbeitung additiv gefertigter Bauteile
© Fraunhofer IPT Das System basiert auf einer wiederverwendbaren Substratplatte aus Hochtemperaturstahl, in die Zylinderstifte eingelassen sind. Darauf können Werkstücke additiv gefertigt und nachbearbeitet werden.
Mit additiven Fertigungsverfahren lassen sich komplexe und individualisierte Bauteile besonders flexibel herstellen. Das pulverbettbasierte Laserschmelzen, kurz L-PBF für Laser Powder Bed Fusion, kommt beispielsweise in der Fertigung von Turbomaschinenkomponenten oder in der Medizintechnik immer öfter zum Einsatz. Jedoch ist die Produktionsprozesskette noch längst nicht effizient; das gilt besonders dann, wenn das Werkstück konventionell weiterbearbeitet werden muss. Um die Referenzierung zwischen den einzelnen Schritten der L-PBF-Prozesskette zu vereinfachen und die Genauigkeit der Bearbeitung zu verbessern, hat ein Forscherteam des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT aus Aachen im Projekt »GenChain« ein Spann- und Referenziersystem entwickelt, das nun zum Patent angemeldet wurde.
Aufgebaut wird ein L-PBF-Werkstück auf einer sogenannten Substratplatte. Mit dem neuen Spann- und Referenziersystem lassen sich L-PBF-Werkstücke nun an konventionellen Maschinen weiterbearbeiten, ohne dass sie vorher durch mechanische Verfahren wie Sägen oder Drahterodieren von der Substratplatte gelöst werden müssen, um dann in einem Spannsystem fixiert zu werden. Das Lösen birgt immer die Gefahr, dass sich das Bauteil aufgrund innerer Spannungen verformt. Zudem ist das exakte Referenzieren und Spannen auf konventionellen Maschinen umso schwieriger, je komplexer die Geometrie eines Bauteils ist.
Wiederverwendbare Substratplatte ermöglicht schnelleres Spannen und Referenzieren
Das neue System basiert auf einer wiederverwendbaren,
keramikbeschichteten Substratplatte aus Hochtemperaturstahl, in die
Zylinderstifte mit einem Durchmesser von fünf Millimetern eingelassen
sind. Die Stifte dienen zur Verbindung des Bauteils mit der
Substratplatte und können individuell bewegt und gelöst werden. Die
Keramikbeschichtung verhindert, anders als bei herkömmlichen
Substratplatten, dass die ersten Aufbauschichten des Werkstücks direkt
auf das Spannsystem aufgebracht werden. Nach Abschluss des schichtweisen
Aufbaus kann das Werkstück einfach auf der Substratplatte zum nächsten
Arbeitsschritt transportiert werden. Das Referenzieren und Spannen des
Substratplattensystems erfolgt automatisch durch ein
Nullpunkt-Spannsystem auf der Unterseite. Nach dem Ende der Berarbeitung
werden die Verbindungsstifte einfach gelöst. Die Stifte lassen sich
kostengünstig ersetzen, während das Substratplattensystem
weiterverwendet werden kann.
Durch das Nullpunkt-Spannsystem gelingt erstmals eine
Standardisierung des Spann- und Referenzierungsprozesses über die
gesamte Prozesskette hinweg. Der Aufwand zur Entnahme des Werkstücks
verringert sich, dadurch verkürzen sich Nebenzeiten und der
Automatisierungsgrad der Fertigung steigt. Sind im Bauteil
Eigenspannungen vorhanden, können nach der L-PBF-Fertigung die
Verbindungsstifte gelöst werden, um gezielt Bauteilverformungen
zuzulassen und Risse zu verhindern. Nachfolgende Bearbeitungsschritte
können dann eigenspannungsfrei durchgeführt werden.
Patentiertes System soll für Weiterentwicklungen des L-PBF genutzt werden
Das Entwicklerteam des Fraunhofer IPT hat die Technologie der
Substratplatte nun zum Patent angemeldet. Um das System noch weiter zu
verbessern und neue Einsatzfelder zu erschließen, planen die
Wissenschaftler bereits die nächsten Forschungsprojekte: So analysiert
das Team jetzt die Verbindungsfestigkeit zwischen den Zylinderstiften
und dem L-PBF-Werkstück anhand von Zug- und Scherprüfungen. Experimente
mit verschiedenen Pulverwerkstoffen und die Analyse unterschiedlicher
Brückenstrukturen der L-PBF-Grundform sowie die Integration von
Heizpatronen zwischen den Verbindungselementen, sollen die Qualität der
L-PBF-Werkstücke in Zukunft weiter verbessern.