Zukunft des Leichtbaus: Effizient und bezahlbar
© Fraunhofer LBF, Raapke Für die Betriebsfestigkeitsprüfung der neu entwickelten Leichtbaukomponenten konzipierten die Forschenden im Fraunhofer LBF einen spezifischen Versuchsstand.
Leichtbau ist und bleibt eine Schlüsseltechnologie für zahlreiche Industrien, von der Fahrzeug- und Flugzeugtechnik über den Schiffbau bis zur Raumfahrt. Gleichzeitig bietet er durch den Ansatz der Gewichtsreduktion hohe Einsparpotenziale im Hinblick auf klimaschädliche Emissionen. Ein Hemmnis stellen bisher die vergleichsweise hohen Kosten dar. Im EU-Projekt ALLIANCE haben sich Autohersteller, Zulieferer und Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen, um dies zu ändern – koordiniert von Daimler und dem Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF. Das positive Ergebnis: Bis zu 33 Prozent leichtere Komponenten bei nicht einmal drei Euro Mehrkosten pro eingespartem Kilogramm lassen sich tatsächlich realisieren.
Angesichts des Klimawandels gilt es, schädliche Emissionen von Autos zu senken. Ein Ansatz dazu liegt darin, deren Gewicht zu reduzieren – sprich Leichtbau. Bislang steht der hohe Preis der Komponenten einem großflächigen Einsatz jedoch im Weg, Leichtbaukomponenten sind für günstige Automodelle schlichtweg zu teuer. Soll sich der Leichtbau für den Großteil verbauter Autokomponenten durchsetzen, muss also an der Preisschraube gedreht werden.
CO2-Emissionen um 25 Prozent senken
Eben dies haben zahlreiche Partner im EU-Projekt ALLIANCE, kurz für
AffordabLe Lightweight Automobiles AlliaNCE, getan: Sie loteten aus,
welche Kosteneinsparungen möglich sind und entwickelten entsprechende
Technologien. Beteiligt waren sechs namhafte Automobilhersteller, sechs
Komponenten- und Materialzulieferer sowie verschiedene
Forschungseinrichtungen. Die Koordination des Projekts lag bei Daimler
und dem Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und
Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt. »Gemeinsam konnten wir zeigen:
Kostengünstiger Leichtbau ist möglich!«, sagt Prof. Thilo Bein, Leiter
des Wissenschaftsmanagements am Fraunhofer LBF. Als Projektsekretär hat
er die Partner koordiniert, Ergebnisse nachverfolgt, Meetings
organisiert und Ähnliches. »Bei den einzelnen Komponenten konnten wir
über 30 Prozent des Gewichts einsparen und somit deren Anteil an den CO2-Emissionen
um 25 Prozent reduzieren – bei einem Plus der Kosten von lediglich 2,67
Euro pro eingespartem Kilogramm durchschnittlich pro Komponente, was
für die Autohersteller akzeptabel ist.« Berücksichtigt man die CO2-Bilanz und die Energiebilanz von Anfang an, können die Kosten sogar noch weiter reduziert werden, so das Ergebnis des Projekts.
Vom Design bis zum Fügeverfahren
Die Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer LBF haben jedoch nicht
nur in puncto Koordination zum Projekt beigetragen, sondern auch eigene
Forschungsleistungen eingebracht: so etwa beim Design der Komponenten.
Greift man für die Produktion von Autokomponenten zu neuen Materialien,
müssen Parameter wie Wandstärke, Eigenfrequenz der Bauteile – was für
die Lärmentwicklung wichtig ist – oder Gewicht neu optimiert werden.
Vielfach geschieht dies über die Finite-Elemente-Methode: Dabei wird
beispielsweise der virtuelle Kotflügel in viele kleine Einheiten
unterteilt und anschließend dessen physikalisches Verhalten berechnet
und optimiert. Diese Modelle sind jedoch sehr komplex. »Am Fraunhofer
LBF haben wir daher ein parametrisiertes Modell entwickelt, das dieses
Vorgehen extrem vereinfacht«, sagt Bein. Das Prinzip: Die Experten
reduzieren die Komplexität des Modells, wobei die Parameter wie Gewicht,
Eigenfrequenz oder Wandstärke weiterhin erhalten bleiben. Dieses Modell
nutzen sie für die Optimierung – was deutlich einfacher ist – und
übertragen die Ergebnisse anschließend wieder zurück in das
ursprüngliche Finite-Elemente-Modell. »Diese Multi-Parameter-Optimierung
kann sowohl in der frühen Konzeptphase als auch im späteren
detaillierten Design eingesetzt werden«, sagt Bein. In einem virtuellen
Demonstratormodul einer Vorderwagen-Komponente von Opel haben die
Forschenden ihre Methode bereits getestet. Das Ergebnis: Die
Iterationsschritte beim Design werden reduziert, gewünschte Parameter
besser erreicht.
Zum Projekt ALLIANCE gehörte auch die Entwicklung entsprechender
Fügeverfahren, um die Leichtbau-Komponenten fest und sicher miteinander
zu verbinden: Das Ergebnis sind 14 verschiedene Fügeverfahren. Die
Fraunhofer-Experten haben hier ihre Kompetenz in der
Betriebsfestigkeitsprüfung eingebracht. So haben sie beispielsweise für
hybride Fügeverfahren – Nieten in Kombination mit Kleben –
bauteilähnliche Proben verschiedenen zyklischen Belastungen unterzogen
und untersucht, wie gut die Verbindungen dieser Prozedur standhalten.
Eine weitere Überprüfung der Betriebsfestigkeit nahmen die Forscherinnen
und Forscher des Fraunhofer LBF an einem Kunststoff-Unterboden von
Toyota vor. Beide Prüfungen lieferten gute Ergebnisse.
Das Projekt ist beendet. Weitere Forschungsbedarfe seitens des
Konsortiums sind definiert – ein Folgeprojekt ist in der Vorbereitung.
»Die Ergebnisse werden in den nächsten Jahren in die Produktentwicklung
einfließen«, ist sich Bein sicher.