Flugzeugoberflächen schnell und umweltschonend enteisen
© Airbus Das NACA-Profil mit der wasserabweisenden strukturierten Oberfläche.
Eis auf Flugzeugoberflächen birgt potenzielle Gefahren: Der Kraftstoffverbrauch steigt, die Aerodynamik wird gestört und der erzeugte Auftrieb sinkt – die Funktionsfähigkeit des Flugzeugs wird beeinträchtigt. Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS haben gemeinsam mit Airbus und der TU Dresden ein Laserverfahren entwickelt, das zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt: Zum einen fällt das Eis von alleine ab und zum anderen ist eine geringere Heizleistung beim Enteisen erforderlich. Mit der Direkten Laserinterferenzstrukturierung lassen sich Oberflächenstrukturen gestalten, die Anti-Icing effektiv ermöglichen.
Die Bildung von Eis stellt im Flugverkehr ein Sicherheitsrisiko dar. Setzt sich eine dünne Frostschicht auf den Tragflächen oder an anderen neuralgischen Punkten wie dem Heck ab, so hat dies negative Auswirkungen auf die Aerodynamik des Flugzeugs. Der Auftrieb kann reduziert und der Luftwiderstand erhöht werden. Eisaggregation an Sonden und Sensoren führt zu Fehlern beim Messen der Luftgeschwindigkeit, was im Flugbetrieb sicherheitskritisch ist. Aus diesen Gründen müssen die Maschinen bereits vor dem Start von Schnee und Eis befreit werden. Am Boden entfernen Spezialfahrzeuge mit chemischen Mitteln die weiße Schicht. Die gefrierhemmenden Chemikalien sollen die Eisbildung zudem verhindern. Allerdings sind diese Flüssigkeiten umweltschädlich und teuer. 400 bis 600 Liter fallen für die Enteisung an. Auch in der Luft müssen die Flugzeuge vor der frostigen Gefahr geschützt werden. Hierfür sorgen zusätzliche technische Präventionsmechanismen in Form sogenannter »Ice Protection Systems«. Diese Heizelemente erhöhen jedoch den Treibstoffverbrauch.
Ökologisch nachhaltig
Mit der Direkten Laserinterferenzstrukturierung (englisch: Direct
Laser Interference Patterning, kurz DLIP – siehe Kasten) hat ein
Forscherteam des Fraunhofer IWS in enger Zusammenarbeit mit dem
Kooperationspartner Airbus und der TU Dresden ein Verfahren entwickelt,
mit dem sich komplexe, mäanderförmige Oberflächenstrukturen im
Mikrometer- und Submikrometerbereich generieren lassen, die das Anhaften
von Eis verhindern oder stark reduzieren. Die Besonderheit: Die
Forscherinnen und Forscher kombinieren die DLIP-Technologie mit
Ultrakurzpulslasern, sodass mehrstufige Mikrostrukturen auf
3D-Tragflächen in einem Ein-Schritt-Verfahren erzeugt werden.
Das Ergebnis: Zum einen können sich Teile des anhaftenden Eises unter
bestimmten Vereisungsbedingungen von alleine lösen, zum anderen ist
eine um 20 Prozent geringere Heizleistung beim technischen Enteisen
erforderlich. Das bringt zahlreiche Vorteile mit sich: Es sind weniger
umweltschädliche Enteisungsmittel erforderlich, die Wartezeit für die
Fluggäste während der Enteisung reduziert sich und der Energie- sowie
der Treibstoffverbrauch im Flugbetrieb sinken ebenso wie das Fluggewicht
infolge der potenziell kleineren Heizaggregate. Mit herkömmlichen
Technologien ist eine Kombination der beiden Effekte bislang nicht
möglich.
Tests im Windkanal in Kooperation mit Airbus
Dies waren die Ergebnisse einer gezielten Prozessentwicklung mit
Vorarbeiten durchgeführt an der TU Dresden gefolgt von der finalen
Demonstratorstrukturierung am Fraunhofer IWS, die anschließend im
Windkanal von Airbus getestet wurden. Die Untersuchungen wurden mit
einem strukturierten »NACA-Profil« – einer miniaturisierten und
realitätsnahen Tragfläche – sowie mit einem unstrukturierten NACA-Profil
als Referenz durchgeführt. Dabei brachten die Experten die optimierte
Struktur auf das komplex geformte dreidimensionale NACA-Profil auf und
testeten unter realen Bedingungen bei Windgeschwindigkeiten zwischen 65
bis 120 m/s, Lufttemperaturen unter minus zehn Grad Celsius und
verschiedenen Feuchtewerten.
Die Projektpartner bei Airbus demonstrierten in den
Windkanalversuchen, dass das Eis auf der strukturierten Oberfläche nur
selbstlimitierend wachsen kann und nach einer definierten Zeit wieder
von alleine abfällt – ohne dass ein zusätzliches Beheizen der Oberfläche
notwendig ist. Zusätzlich zeigten die Experimente, dass das Eis bei
einer Heizleistung von 60 Watt auf dem unstrukturierten Profil erst nach
70 Sekunden verschwindet, sich jedoch auf dem strukturierten Pendant
bereits nach fünf Sekunden vollständig zurückbildet – bei gleicher
Heizleistung. Das entspricht einer Beschleunigung von über 90 Prozent
infolge des Einsatzes der DLIP-Technologie. Um das Eis auf dem
unstrukturierten Demonstrator ebenfalls innerhalb von fünf Sekunden zu
beseitigen, waren 25 Prozent mehr Heizleistung bzw. 75 Watt
erforderlich. »In einer tollen Kooperation mit Airbus zeigten wir
erstmals realitätsnah, welche Potenziale die großflächige
Laseroberflächenstrukturierung beim Anti-Icing erschließen kann. Mit
unserem DLIP-Ansatz realisierten wir erstmals multiskalige Oberflächen
mit Mikrometerauflösung auf einem komplexen Bauteil wie dem NACA-Profil
und zeigten zugleich die konkreten Vorzüge gegenüber anderen
Laserverfahren«, sagt Dr. Tim Kunze, Teamleiter der Gruppe
Oberflächenfunktionalisierung am Fraunhofer IWS. Sein Kollege Sabri
Alamri ergänzt: »Die Anwendung von Mikro- und Nanostrukturen auf Metall
bewirkt, dass sich Wassertropfen nicht mehr anheften können. Dieser
Effekt ist der Natur entlehnt und im Allgemeinen als Lotus-Effekt
bekannt. Mit unserem neuen DLIP-Verfahren können wir eine fragmentierte
Oberfläche erzielen und so die Zahl der Anhaftpunkte für Eis deutlich
reduzieren. Wir werden die Ergebnisse bald wissenschaftlich
publizieren.« Elmar Bonaccurso, Materialwissenschaftler bei Airbus und
Projektpartner, ergänzt: »Die Bildung von Eis ist besonders bei der
Landung gefährlich. Wenn das Flugzeug bei Minusgraden durch die Wolken
fliegt, gefriert das Wasser innerhalb von Millisekunden auf der
Oberfläche. Dies kann die Funktionsfähigkeit von Steuerelementen wie
Landeklappen und Vorflügel stören, die Aerodynamik ist dann
beeinträchtigt. Derzeit nutzen wir die heiße Luft der Triebwerke, um die
Oberflächen der Flügel zu beheizen. Die wasserabweisende Struktur, die
wir gemeinsam mit den Forschern vom Fraunhofer IWS im EU-Projekt
Laser4Fun entwickelt haben, ist ein Versuch, herkömmliche Technologien
durch umweltschonende, kostengünstigere Alternativen zu ersetzen.« Im
nächsten Schritt wollen die Projektpartner die Methode optimieren und
für verschiedene Luftzonen auslegen. Darin werden auch Ergebnisse
einfließen, wie sie derzeit durch reale Flugtests mit einem A350
gewonnen werden, an dem eine per DLIP bearbeitete Oberfläche angebracht
wurde.
Schlüsseltechnologie
Mit dem Direkten Laserinterferenzstrukturieren durch Kurz- und
Ultrakurzpulslaser hat das Forscherteam eine Schlüsseltechnologie
etabliert, die vielseitig einsetzbar ist, etwa wenn technische
Oberflächen wie Windkraftanlagen oder andere Komponenten in kalten
Klimaregionen vereist sind. Die Technologie eignet sich aber auch für
komplett andere Anwendungen wie den Produktschutz, biokompatible
Implantate oder verbesserte elektrische Steckkontakte. »Wir können die
funktionalen Mikrostrukturen großflächig sowie mit hohen
Prozessgeschwindigkeiten aufbringen und so für eine Vielzahl von
Anwendungen Vorteile erzielen, die so bislang nicht denkbar waren.«,
sagt Tim Kunze.