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Bundesweites Expertengremium diskutiert an der CAU über die Zukunft der Forschung mit hochintensiver Röntgenstrahlung

© Julia Siekmann, Uni Kiel 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Deutschland diskutierten in Kiel zur Zukunft der hochintensiven Röntgenstrahlung im Rahmen der 100. Sitzung des Komitees zur Synchrotronstrahlung (KFS).

Am vergangenen Freitag (28. Februar) traf sich an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) das Komitee zur Forschung mit Synchrotronstrahlung (KFS) zu seiner 100. Sitzung. Über 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland diskutierten zur Zukunft der Forschung mit hochintensiver Röntgenstrahlung. Das ultrahelle Licht erlaubt neue Einblicke in Materie und ermöglicht so ein tieferes Verständnis von Materialien und Lebewesen. Im Fokus standen vor allem strategische Fragen zu digitalen Herausforderungen und Möglichkeiten wie Datenmanagement und -analyse. Das gewählte Komitee bildet bundesweit die Schnittstelle zwischen Forschungseinrichtungen, die Synchrotronstrahlung anbieten, ihren Nutzerinnen und Nutzern aus der Wissenschaft und Förderern wie dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Den Vorsitz hat Privatdozentin Dr. Bridget Murphy von der CAU, Stellvertreter ist Prof. Dr. Jan-Dierk Grunwaldt vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Forschungsanlagen mit Synchrotronstrahlung werden immer stärker genutzt
“Vor allem für die großen, interdisziplinären Themen unserer Zeit wie Energie, Umwelt, Information oder Gesundheit kann die Synchrotronstrahlung wertvolle, grundlegende Erkenntnisse liefern. Als KFS setzen wir uns unter anderem dafür ein, diese Methoden bekannter zu machen und den Zugang dazu zu erleichtern”, sagt Vorsitzende Murphy. Wie zuletzt eine großangelegte Umfrage des KFS ergab, hat ein Großteil der Nutzerinnen und Nutzer einen physikalischen, chemischen oder biologischen Hintergrund. Aber auch für Forschende aus der Medizin, Geophysik, Archäologie und sogar Kunstgeschichte sowie der Industrie können diese eigentlich physikalischen Methoden wichtig sein.

Seitdem die ersten Elektronenbeschleuniger vor rund 60 Jahren – ursprünglich für die Forschung mit Elementarteilchen - gebaut wurden, sind die Anwendungsmöglichkeiten und Nutzungszahlen enorm gestiegen. Externe Forschungsverbünde entwickeln für ihre Fragestellungen permanent neue Experimente, die auch allen anderen Interessierten zur Verfügung stehen. Die Nutzung dieser spezifischen Instrumente bedarf jedoch in der Regel einer aufwendigen Einführung und Begleitung. „Hierbei entstehen oft riesige Datenmengen, die nicht nur technisch bewältigt werden müssen. Ihre Auswertung ist sehr komplex und kann oft Monate dauern“, erklärt Murphy. Erfahrene Kolleginnen und Kollegen in den Forschungseinrichtungen oder anderer Forschungsgruppen seien hier für viele Nutzerinnen und Nutzer eine unersetzliche Hilfe.

Systematische Unterstützungsangebote für neue Nutzergruppen
Wie sich solche Unterstützungsangebote, insbesondere für Nutzergruppen anderer Disziplinen oder aus dem Kreis des wissenschaftlichen Nachwuchs, systematisieren, institutionell verankern und mit digitalen Lösungen erweitern lassen könnten, war eine zentrale Frage bei der Podiumsdiskussion während der Veranstaltung. Die Ergebnisse der Diskussion fließen in ein Strategiepapier ein mit dem Titel „Forschung mit Photonen: Licht für die Zukunft”, welches das KFS zurzeit vorbereitet. Es enthält Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Synchrotronquellen, vor allem PETRA IV und BESSY III, zum Datenmanagement, für eine noch stärkere Einbindung und Unterstützung der Nutzerschaft sowie zur Nachwuchsförderung und Zusammenarbeit mit der Industrie.

Zum Abschluss der Jubiläumssitzung hielt KFS-Mitglied Metin Tolan, Professor für Experimentelle Physik an der Technischen Universität Dortmund, einen öffentlichen Vortrag mit dem Titel „Ich sehe was, was du nicht siehst“, in dem er Einblicke in die Bedeutung und unterschiedliche Anwendungsmöglichkeiten der Synchrontronstrahlung gab.

Mehr Informationen:
www.sni-portal.de/de/nutzervertretungen/komitee-fo...

Werden elektrisch geladenen Teilchen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, senden sie eine hochintensive Röntgenstrahlung aus, die sogenannte Synchrotronstrahlung. So lassen sich zum Beispiel Strukturen von Materie erkennen, das Verhalten von Elektronen “live” beobachten, biochemische Prozesse in Zellen im Detail verstehen oder neue hochtechnologische Materialien entwickeln. In Deutschland existieren zurzeit sechs Forschungsanlagen, an denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt mithilfe der intensiven Röntgenstrahlung eigene Forschungsfragen untersuchen. Deutschlandweit arbeiten mehr als 4.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler damit. An der CAU besteht unter anderem eine langjährige Kooperation mit dem Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg, aus der sich mit dem Ruprecht-Haensel-Labor mittlerweile eine gemeinsame Forschungseinrichtung entwickelt hat. Details, die nur Millionstel Millimeter groß sind: Damit beschäftigt sich der Forschungsschwerpunkt »Nanowissenschaften und Oberflächenforschung« (Kiel Nano, Surface and Interface Science – KiNSIS) an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Im Nanokosmos herrschen andere, nämlich quantenphysikalische, Gesetze als in der makroskopischen Welt. Durch eine intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Physik, Chemie, Ingenieurwissenschaften und Life Sciences zielt der Schwerpunkt darauf ab, die Systeme in dieser Dimension zu verstehen und die Erkenntnisse anwendungsbezogen umzusetzen. Molekulare Maschinen, neuartige Sensoren, bionische Materialien, Quantencomputer, fortschrittliche Therapien und vieles mehr können daraus entstehen. Mehr Informationen auf www.kinsis.uni-kiel.de

Über das Komitee Forschung mit Synchrotronstrahlung (KFS)
Das KFS vertritt als gewähltes Gremium bundesweit die Interessen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die Synchrotronstrahlung für ihre Forschung nutzen. Dabei steht der Austausch mit den Betreibern der Synchrotronstrahlungsquellen und mit der Forschungspolitik im Vordergrund. Das KFS führt regelmäßige Nutzerumfragen durch und spricht unter anderem Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Forschungsanlagen, zur Unterstützung von Nutzerinnen und Nutzern und zu notwendigen Fördermaßnahmen für die Forschungspolitik aus. Mit der Organisation von deutschlandweiten Tagungen und Workshops unterstützt das KFS einen permanenten engen Austausch unter den beteiligten Gruppen.