Wettbewerbsfähig durch intelligente Planung
Effizientes Produktionscontrolling durch in Echtzeit erfasste Rückmeldedaten, Quelle: Helge Bauer
Die digitale Transformation in der Industrie ist in vollem Gange.Davon ist auch die Produktionsplanung und -steuerung (PPS) nicht ausgeschlossen. Eine aktuelle Befragung produzierender Unternehmen zeigt, dass insbesondere bei der automatisierten Datenerfassung große Fortschritte erkennbar sind. Der Nutzen der gesammelten Daten bleibt jedoch oftmals unklar. „Um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, müssen existierende Technologien zur Datenerfassung noch gezielter hinsichtlich der unternehmensspezifischen Datenauswertung ausgewählt und implementiert werden“, mahnt Prof. Peter Nyhuis, Leiter des Instituts für Fabrikanlagen und Logistik (IFA) der Leibniz Universität Hannover und Mitglied des WGP-Präsidiums. „Die Grundvoraussetzung hierfür ist ein ausgeprägtes Verständnis der produktionslogistischen Wirkzusammenhänge.“ Nyhuis rät daher dringend, entsprechende Expertise bei den Mitarbeitern aufzubauen.
Studienergebnisse
Die WGP-Institute IPMT aus Hamburg, das IFA aus Hannover sowie das
WZL aus Aachen haben gemeinsam mit dem Fraunhofer IGCV aus Augsburg die
aktuellen Entwicklungen in der PPS bei 95 Unternehmen unterschiedlicher
Branchen untersucht. Die bereits zum vierten Mal aufgelegte PPS-Studie
zeigt: Nahezu alle Unternehmen befassen sich mittlerweile mit der
Digitalisierung ihrer Produktionsplanung und -steuerung. So sind zum
Beispiel die Fortschritte in der automatisierten Datenerfassung
unverkennbar. Drei von vier Unternehmen erfassen mittlerweile ihre
Rückmeldedaten minuten- oder sogar sekundengenau. Welche Möglichkeiten
in der Auswertung der Daten liegen, bleibt jedoch häufig unklar und oft
korreliert der Nutzen nicht mit dem Aufwand für die Erfassung. „Es kommt
also darauf an, einen klaren Plan zu haben, welche Daten Nutzen stiften
und wie dieser Nutzen erzielt werden kann“, erläutert Tammo Heuer,
wissenschaftlicher Mitarbeiter am IFA und Mitautor der Studie.
Daten kaum für relevante Fragestellungen genutzt
Für die Speicherung der Prozessdaten nutzen über 90 Prozent der
Studienteilnehmer ein Enterprise Ressource Planning (ERP)-System. Danach
folgt mit großem Abstand die Betriebsdatenerfassung (59 Prozent) und
die Data Warehouse Software (32 Prozent). Die erfassten Daten werden
jedoch nicht intensiv genug genutzt. Weniger als die Hälfte der
Befragten nutzt sie zum Beispiel im Rahmen eines
Produktionscontrollings, um die Bestände, Durchlaufzeiten und Auslastung
zu überwachen, nur etwa ein Drittel, um Stammdaten zu aktualisieren,
die als wichtige Planungsgrundlage dienen. Dabei sind innovative Themen,
wie Digitaler Zwilling oder betriebsbegleitende Simulationen mit knapp
10 Prozent nur schwach vertreten. „Das zeigt, dass die Daten für
relevante Fragestellungen in der PPS noch ein deutliches Potenzial
haben“, konstatiert Heuer.
Potenziale erschließen durch Weiterbildung
Diese Potenziale zu erschließen, ist allerdings auch deswegen nicht
so einfach, weil es offensichtlich Defizite bei Nutzerfreundlichkeit und
Funktionalität der Software gibt und auch die Mitarbeiter im Umgang mit
den PPS-Systemen nicht ausreichend geschult sind. So schätzen denn auch
sechs von zehn Unternehmen den Beitrag behelfsmäßiger IT-Lösungen wie
etwa Planungstools in Excel ergänzend zu den PPS-Systemen sehr hoch ein.
Die Expertise, wie Prozessdaten optimalerweise erfasst und in PPS-Systemen sowie Business Intelligence Software gezielt für unternehmensspezifische Fragestellungen genutzt werden können, lässt sich laut Nyhuis jedoch in Zusammenarbeit mit anderen Industriepartnern und mit den Forschungseinrichtungen der WGP aufbauen. Das IFA etwa bietet regelmäßig Weiterbildungen zum Thema „Produktionsplanung und -steuerung“ sowie „Produktionscontrolling im Zeitalter von Industrie 4.0“ an und schneidert gemäß der individuellen Bedarfe auch Schulungen nach Maß. „Nur durch eine zielgerichtete Weiterbildung der Mitarbeiter kann sichergestellt werden, dass der Aufwand für die Datenerfassung nicht deren Nutzen übersteigt und die Unternehmen sich im Laufe ihrer Transformationsprozesse nicht wirtschaftlich selbst abhängen“, so Nyhuis.
Die an der PPS-Studie beteiligten Institute veranstalten darüber hinaus regelmäßig ein Expertenforum, um mit der Industrie die neuesten Entwicklungen der PPS zu diskutieren und damit den Wissenstransfer zu beschleunigen.
Gute Erfolge nur bei guter Datenqualität
Voraussetzung für eine gut funktionierende Produktionsplanung und
-steuerung ist zudem eine hohe Datenqualität. Nur, wenn genaue
Informationen über die Produkte und den aktuellen Systemzustand
jederzeit bekannt sind, können sie nutzbringend ausgewertet werden.
Erfasst werden die Daten laut Studie mittels verschiedener
Trackingtechnologien. Der Großteil der befragten Unternehmen nutzt
hierfür 1- bzw. 2-dimensionale Codierung wie QR- und Barcodes; nur ein
Drittel setzt auf RFID-Technologien. Zwar machen sie im Gegensatz zu
optischen Systemen eine gleichzeitige Erfassung mehrerer Objekte
möglich, doch sind sie teurer.
Die aktuelle PPS-Studie macht auch deutlich: 84 Prozent der Unternehmen erfassen die Daten zumindest in Teilen noch immer manuell – was per se eine Fehlerquelle darstellt. „Daher sollte man auf jeden Fall versuchen, langfristig eine durchgängig automatisierte Betriebsdatenerfassung anzustreben“, rät Heuer.
Die Kooperationsbereitschaft steigt
Noch kaum genutzt werden zudem neue Technologien wie Global
Positioning System (GPS), Mobilfunk (4G) oder Ultra-Wide Band (UWB).
Diese Technologien kommen insbesondere in Großunternehmen zum Einsatz.
Zwar werden sie derzeit noch hauptsächlich für die Datenerfassung bei
hallenübergreifendem Warentransport oder für die Nachverfolgbarkeit von
Warenströmen eingesetzt. „Es zeigt sich aber, dass Großunternehmen
Vorreiter bei der Erprobung neuer Technologien sind. Der weit
überwiegende Teil der Zukunftsprojekte wird als erfolgreich bewertet.
Dies ist ein ermutigendes Signal, die Chancen neuer Technologien auch
zukünftig zu nutzen“, resümiert Nyhuis.
Zugenommen hat auch die Bereitschaft, mit externen Unternehmen zu kooperieren und sich mit den unterschiedlichen Akteuren der Wertschöpfungskette zu vernetzen. Auch der Austausch mit Forschungseinrichtungen und Universitäten hat zugenommen. Von dieser Entwicklung erhoffen sich die Studienteilnehmer höhere Transparenz über den Zustand der eigenen Produktion. Dahinter steckt aber auch die Einsicht, dass selbstgesteckte Ziele der PPS, wie etwa hohe Termintreue oder kurze Durchlaufzeiten, schneller erreicht werden können.