Biogene Schwefelsäurekorrosion
© Fraunhofer UMSICHT/Mike Henning In der Anlage wird der chemisch-biologische Korrsionsfall praxisnah, zeitgerafft und reproduzierbar nachgestellt.
Biogene Schwefelsäure greift Mörtel, Beton, aber auch Kunststoffe oder metallische Werkstoffe an. Um die Beständigkeit von Materialien gegenüber einem Angriff durch biogene Schwefelsäure zu prüfen, hat das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT eine weltweit einzigartige Anlage in Betrieb genommen. Diese stellt den Korrosionsfall praxisnah, zeitgerafft und reproduzierbar nach – Voraussetzung, um resistente Werkstoffe entwickeln zu können.
Abwasserrohre sollten viele Jahre haltbar sein, denn der Austausch ist zeitaufwändig und kostenintensiv. Doch die Bedingungen für die verbauten Materialien sind extrem: z. B. kann durch die Besiedelung mit Mikroorganismen im Rohr Schwefelsäure entstehen. Dies führt dann zu einem kombinierten chemisch-biologischen Angriff, der sogenannten biogenen Schwefelsäurekorrosion (BSK). Um die Beständigkeit von Materialien gegenüber diesem Korrosionsfall zu prüfen, führt das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in einem dafür entwickelten Prüfverfahren seit 2006 Untersuchungen durch. Das Verfahren stellt den chemisch-biologischen Angriff praxisnah, zeitgerafft und reproduzierbar nach. Um den in den letzten Jahren steigenden Anfragen zu Korrosionsprüfungen gerecht zu werden, hat nun eine weltweit einzigartige Anlage ihren Betrieb aufgenommen, die die bisher vorhanden Prüfkapazitäten erweitert.
Materialprüfung macht Entwicklung von BSK-resistenten Werkstoffen möglich
Aus anorganischen und organischen Schwefelverbindungen im Abwasser
bzw. im abgesetzten Schlamm wird durch sulfatreduzierende Bakterien
Sulfid gebildet, das zu Schwefelwasserstoff (H2S) umgesetzt wird. Das
gasförmige H2S emittiert in den Gasraum, wird auf den
Werkstoffoberflächen absorbiert und anschließend zu Schwefel (S)
oxidiert. Im Kanalsystem und auch auf den Werkstoffen vorhandene
Bakterien (Thiobacillen) setzen schließlich den Schwefel zu
Schwefelsäure um, wodurch der Säureangriff startet.
Um gezielt
BSK-resistente Werkstoffe zu entwickeln, werden Untersuchungsmethoden
benötigt, mit denen die Realbedingungen im Labor nachgestellt werden
können. Bereits seit 2006 beschäftigen sich die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler beim Fraunhofer UMSICHT mit der Thematik. Im Laufe der
Jahre wurden dazu mehrere Teststände errichtet, die einen zeitgerafften
und reproduzierbaren BSK-Angriff realisieren.
Häufig untersuchte
Materialien sind zementäre Werkstoffe wie Mörtel und Beton. Aber das
Spektrum reicht von beschichteten metallischen Werkstoffen bis hin zu
Kunststoffen.
Ausbau der Kapazität
Um dem steigenden Bedarf an nachgefragten Untersuchungen gerecht zu
werden, wurden im Jahr 2019 die Entwicklung und der Bau einer neuen
Anlagentechnik gestartet. Die Finanzierung erfolgte aus
Fraunhofer-internen Mitteln und führte zu einem weltweit einzigartigen
Teststand. »Mit der nun in Betrieb befindlichen Anlage hat das Team
sowohl in Bezug auf die Anlagengröße als auch im Bereich eines
digitalisierten Anlagenbetriebs einen neuen Stand der Technik
geschaffen«, sagt Dr. Holger Wack, Projektleiter und Mitarbeiter in der
Abteilung Materialsysteme und Hochdrucktechnik beim Fraunhofer UMSICHT
und ergänzt: »Es freut uns ganz besonders, dass wir mit der neuen Anlage
nun ausreichend Kapazität haben, sowohl auf die Wünsche unserer Kunden
einzugehen, als auch die Vernetzung mit anderen europäischen
Wissenschaftlern zu vertiefen und gemeinsame Projekte anzugehen.«
In Zusammenarbeit mit dem langjährigen Kooperationspartner im Bereich der Mikrobiologie, Dr. Brill + Partner GmbH, Hamburg, werden aktuell bereits mehrere Untersuchungskampagnen in der neuen Anlage durchgeführt.