BESSY II: Millionenfach schnellerer Wechsel von zirkular polarisierten Lichtpulsen
Dieses Bild zeigt ein Röntgenbild des Elektronenstrahls im TRIB-Modus, bei dem zwei Bahnen koexistieren: die reguläre Bahn und die zweite, die sich um diese Bahn windet und sich erst nach drei Umdrehungen schließt. © F. Armborst/K. Holldack
Ein Team aus Beschleunigerphysikern, Undulatorexperten und Experimentatoren hat am Speicherring BESSY II gezeigt, wie sich die Händigkeit (Helizität) von zirkular polarisierter Synchrotronstrahlung schneller umschalten lässt – und zwar bis zu einer Million Mal schneller als bisher. Sie nutzten dazu einen am HZB entwickelten elliptischen Doppel-Undulator und betrieben den Speicherring im sogenannten Two-Orbit-Modus. Dies ist eine besondere Betriebsart, die erst vor kurzem an BESSY II entwickelt wurde und die Basis für die schnelle Umschaltung liefert. Der ultraschnelle Wechsel der Lichthelizität ist vor allem für Untersuchungen von Prozessen in magnetischen Materialien interessant und wird schon seit langem von einer großen Nutzergemeinde erwartet.
In Synchrotronstrahlungsquellen wie BESSY II kreisen Elektronenpakete mit nahezu Lichtgeschwindigkeit im Speicherring. Dabei werden sie durch periodische Magnetstrukturen (Undulatoren) dazu gebracht extrem helle Lichtpulse mit besonderen Eigenschaften abzugeben.
Experimente mit polarisierten Lichtpulsen
Eine
dieser Besonderheiten ist die Polarisation: Mit speziellen elliptischen
Undulatoren können linear aber auch zirkular polarisierte Lichtpulse
erzeugt werden. Magnetische Strukturen in Materialien reagieren
unterschiedlich auf zirkular polarisiertes Licht: Je nachdem, ob die
Händigkeit (Helizität) der Röntgenpulse rechts- oder linksdrehend ist
absorbieren sie diese Strahlung mehr oder weniger. Dies nutzt man seit
den 80er Jahren in sogenannten XMCD-Experimenten (X-ray Circular
Dichroism) aus, um statische aber auch dynamische Veränderungen in
magnetischen Materialien zu untersuchen oder auch magnetische Nanostrukturen auf Oberflächen abzubilden.
Prozesse in magnetischen Materialien sichtbar machen
Insbesondere
für solche abbildenden Verfahren wünscht sich die Nutzergemeinde an
Synchrotronstrahlungsquellen seit langem die Möglichkeit die Helizität
des Lichts schnell umzuschalten, vor Allem weil sich daraus direkt ein
magnetischer Bildkontrast ergibt, der z.B. Bits in magnetischen
Datenspeichern sichtbar und quantifizierbar macht.
In
den für BESSY II typischen elliptischen Undulatoren (APPLE II), die von
der Gruppe um Johannes Bahrdt entwickelt wurden, wird die Helizität des
Lichtes durch eine mechanische Verschiebung von meterlangen Anordnungen
von starken Permanentmagneten geschaltet, ein Vorgang, der teilweise
Minuten dauert.
Zwei Orbits nutzen
Die
neue Methode basiert dagegen auf der Kombination solcher Undulatoren
mit einem speziellen Orbit des Elektronenstrahls im Speicherring - der
durch die sogenannten TRIBs (transverse resonance island buckets)
erzeugt wird. Die TRIBs hatte der HZB-Beschleunigerexperte Dr. Paul
Goslawski erstmals an BESSY II experimentell untersucht. Während der Weg
der Elektronen im Speicherring sich normalerweise nach einem Umlauf
schließt, laufen im TRIBs-Modus die Elektronen bei aufeinanderfolgenden
Umläufen auf verschiedenen Bahnen und können so Röntgenpulse von jeweils
anderen Magnetfeldanordnungen emittieren. Diese Idee geht auf Dr.
Karsten Holldack und Dr. Johannes Bahrdt zurück.
Doppelundulator im TRIBs-Modus
Dass
sie tatsächlich funktioniert, konnten Holldack und Bahrdt kürzlich mit
Hilfe des vorhandenen Doppelundulators UE56-2 bei BESSY II im Rahmen
eines Pilotexperimentes: zeigen: Beim Durchgang durch eine speziell
vorbereitete Magnetanordnung dieses Doppel-Undulators gaben in der Tat
die Elektronenpakete aus unterschiedlichen Bahnen im TRIBs-Modus
Röntgenphotonen mit derselben Wellenlänge aber entgegengesetzter
zirkularer Polarisation ab.
Helizität wechselt Millionen Mal pro Sekunde
Dadurch
können nun prinzipiell XMCD-Signale von magnetischen Proben im
Zeitabstand von nur einer Mikrosekunde mit abwechselnd rechts- und dann
linkszirkular polarisierten Lichtpulsen untersucht werden. Im
Pilotexperiment wurden die XMCD-Signale von einer magnetischen Probe
(Nickel in Permalloy) von Umlauf zu Umlauf detektiert und der schnelle
(MHz) Helizitätswechsel konnte eindeutig nachgewiesen werden.
Ausblick: Noch höhere Zeitauflösung und BESSY III
Mit
neuen, für diesen Zweck maßgeschneiderten, Undulatoren könnten bei
BESSY II im TRIBs-Modus spezielle Beamlines mit ultraschnellem
Helizitätswechsel angeboten werden. Perspektisch sind sogar Wechsel im
Nanosekundenabstand denkbar. „Dass die TRIBs-Entwicklung mit den
Two-Orbits jetzt auch noch ganz neue Experimente an BESSY II ermöglicht,
freut uns sehr“, sagt Goslawski. Dies wäre aber auch eine attraktive
Option für BESSY III. Die Ergebnisse wurden nun bei Nature Communications Physics veröffentlicht.
Publiziert in Nature Communications Physics (2020): Flipping helicity of X-rays from an undulator at unprecedented speed