Neutronenforschung: Magnetische Monopole in Kagome-Spin-Eis-Systemen nachgewiesen
In HoAgGe besetzten Holmium-Spins die Ecken von Dreiecken, die zu einem Kagome-Muster geordnet sind. Die Ausrichtung benachbarter Spins (links, rote Pfeile) muss dabei der Eisregel gehorchen: Entweder ragen zwei Spins in ein Dreieck hinein und eins hinaus oder umgekehrt. Als Resultat verhalten sich die einzelnen Dreiecke, als wären sie magnetische Monopole (rechts). © Uni Augsburg
Magnetische Monopole sind eigentlich unmöglich. Bei tiefen Temperaturen können sich jedoch in bestimmten Kristallen so genannte Quasiteilchen zeigen, die sich wie magnetische Monopole verhalten. Nun hat eine internationale Kooperation nachgewiesen, dass solche Monopole auch in einem Kagome-Spin-Eis-System auftreten. Ausschlaggebend waren unter anderem auch Messungen mit inelastischer Neutronenstreuung am Instrument NEAT der Berliner Neutronenquelle BER II*. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Science erschienen. Magnetische Monopole wurden weltweit erstmals 2008 an der Berliner Neutronenquelle nachgewiesen. Damals handelte es sich um ein eindimensionales Spinsystem in einer Dysprosium-Verbindung. Vor rund 10 Jahren konnten Monopol-Quasiteilchen auch in zwei-dimensionalen Spin-Eis-Materialien nachgewiesen werden, die aus tetraedrischen Kristall-Einheiten bestanden. Diese Spin-Eis-Materialien waren jedoch elektrische Isolatoren.
Kooperation zeigt: auch metallische Proben zeigen Monopole
Dr.
Kan Zhao und Prof. Philipp Gegenwart von der Universität Augsburg haben
nun zusammen mit Teams aus dem Heinz-Meier-Leibnitz-Zentrum, dem
Forschungszentrum Jülich, der University of Colorado, der Akademie der
Wissenschaften in Prag sowie dem Helmholtz-Zentrum Berlin erstmals
gezeigt, dass auch eine metallische Verbindung solche magnetischen
Monopole ausbilden kann. Das Team in Augsburg stellte dafür kristalline
Proben aus den Elementen Holmium, Silber und Germanium her. In den
HoAgGe-Kristallen bilden die magnetischen Momente (Spins) der
Holmium-Atome ein so genanntes zweidimensionales Kagome-Muster. Dieser
Name kommt von der japanischen Kagome-Flechtkunst, bei der die
Flechtbänder nicht rechtwinklig miteinander verwoben sind, sondern so,
dass sich dreieckige Muster bilden.
Kagome-Spin-Eis: Frustration für die Spins
Im
Kagome-Muster können sich die Spins benachbarter Atome nicht wie üblich
jeweils gegenläufig zueinander ausrichten. Stattdessen gibt es zwei
zulässige Spin-Konfigurationen: Entweder zeigen die Spins von zwei der
drei Atome genau zum Dreiecks-Zentrum, die des dritten dagegen aus dem
Zentrum heraus. Oder es ist genau umgekehrt: Ein Spin zeigt zum Zentrum,
die beiden anderen aus ihm heraus. Dies beschränkt die Möglichkeiten
der Spin-Anordnungen – daher auch der Name „Kagome-Spin-Eis.“ Eine Folge
davon ist, dass sich dieses System so verhält, als ob in ihm
magnetische Monopole vorliegen würden.
Kagome-Spin-Eis in realem System beobachtet
Dieses
Verhalten konnte nun die Kooperation um die Augsburger Forscher
erstmals auch experimentell in HoAgGe-Kristallen nachweisen. Sie kühlten
die Proben stark ab und untersuchten sie unter verschieden starken,
äußeren Magnetfeldern. Einen Teil der Experimente führten die
Wissenschaftler am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum in Garching bei München
durch. Dabei wurden sie von der Abteilung Probenumgebung
des HZB unterstützt, die einen supraleitenden Kryomagneten für die
Experimente am FRM-II zur Verfügung stellte.
Energiespektrum am NEAT des BER II
So
konnten sie unterschiedliche Spin-Anordnungen erzeugen, die in einem
Kagome-Spin-Eis erwartet werden. Modellrechnungen aus dem Augsburger
Forschungsteam zeigten, wie das Energiespektrum der Spins aussehen
sollte. Dieses Energiespektrum der Spins konnte dann mit der Methode der
inelastischen Neutronenstreuung am Instrument NEAT an der Berliner
Neutronenquelle vermessen werden. „Das war der letzte Baustein für den
Nachweis der magnetischen Monopole in diesem System. Die Übereinstimmung
mit den theoretisch vorhergesagten Spektren ist wirklich sehr groß“
sagt Dr. Margarita Russina, die am HZB für das NEAT-Instrument
verantwortlich ist.