Frühjahrsputz auf der Nanoskala
Zum Reinigen auf der Nanoskala wird eine feine Metallspitze genutzt. (CENEM, FAU Erlangen-Nürnberg)
Ein Forschungsteam der FAU hat eine neuartige Methode entwickelt, mit der Oberflächen auf der Nanoskala absolut sauber werden. Durch mechanische Kräfte werden dabei auch kleinste Kontaminationen bis zur atomaren Skala entfernt. Die Ergebnisse ihrer Studie hat das Team um Prof. Dr. Erdmann Spiecker nun in der Zeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Der kleinste Besen der Welt
Die Forscher ließen sich für ihre Methode von Erfahrungen des Alltags
inspirieren. Ähnlich einem Besen wird eine feine Metallspitze über die
Oberfläche bewegt und schiebt die Kontamination vor sich her. „So wie
ein normaler Besen Staub oder Krümel vom Boden entfernt, kann unser
kleiner `Nanobesen´ am besten solche Kontaminationen aufnehmen, die
schwach an der Oberfläche gebunden sind“, erläutert Prof. Spiecker,
Lehrstuhl für Werkstoffwissenschaften (Mikro- und
Nanostrukturforschung). Ist das der Fall, lassen sich atomar saubere
Oberflächen erzeugen. „Natürlich wird der `Nanobesen´ nur indirekt mit
der Hand bedient, nämlich über einen Joystick, der einen feinen
Piezomotor steuert. Außerdem setzen wir modernste Elektronenmikroskope
ein, um den Reinigungsprozess direkt beobachten und kontrollieren zu
können.“
Reinigen von Graphen – dünner geht‘s nicht
Das Forscherteam stellte sich eine besondere Herausforderung: das
Reinigen von Graphen, dem dünnsten Material der Welt. Graphen besteht
lediglich aus einer einzigen Lage von Kohlenstoffatomen und zeigt
herausragende Eigenschaften, die bereits in vielfältigen Anwendungen
genutzt werden. „Kontamination ist bei Graphen natürlich ein besonderes
Problem, da das Material ausschließlich aus Oberfläche besteht,“
erläutert Peter Schweizer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl
für Mikro- und Nanostrukturforschung, der die herausfordernden
mikroskopischen Arbeiten gemeinsamen mit seinem Kollegen Christian Dolle
durchgeführt hat. „Wir mussten das Verfahren außerdem weiterentwickeln,
um das Graphen von beiden Seiten, das heißt von oben und unten,
reinigen zu können.“
Das ist auch deshalb wichtig, da die Elektronenmikroskope in Transmission arbeiten. Nur so lässt sich die atomare Struktur des Materials auflösen. Das Reinigen einer Seite wäre daher nicht ausreichend – ähnlich wie bei einem Fenster, durch das man nachher durchgucken möchte. Graphen ist bekannt für seine extrem hohe mechanische Belastbarkeit. „Trotzdem ist es absolut erstaunlich, dass eine einzige Atomlage die hohen mechanischen Kräfte des Reinigungsprozesses aushält, ohne dabei kaputt zu gehen“, sagt Prof. Spiecker. „Als wir das zum ersten Mal unseren Fachkollegen erzählten, wollten sie es fast nicht glauben.”
Nanostaub: Nichts bleibt ewig sauber
Die Forscher beschäftigten sich aber nicht nur mit der Reinigung der
Oberflächen. Durch die Möglichkeit, eine atomar saubere Oberfläche zu
erzeugen, konnten sie auch die Mechanismen der Rekontamination auf der
Nanoskala studieren.
Dass eine einmal gereinigte Oberfläche nicht ewig sauber bleibt, ist auch eine leidige Alltagserfahrung: Nach einiger Zeit setzt sich der Staub wieder und man muss erneut zum Besen greifen. „Warum sollte das auf der Nanoskala anders sein?“ sagt Prof. Spiecker.
Das Forscherteam konnte jedoch zeigen, dass auf der Nanoskala die Rekontamination durch Oberflächendiffusion noch wichtiger ist, insbesondere wenn die Oberfläche im Vakuum gehalten wird, was bei vielen wissenschaftlichen Arbeiten der Fall ist. „Wir gehen davon aus, dass Moleküle mit hohen Geschwindigkeiten über die gereinigte Oberfläche sausen. Wir sehen sie aber nicht, da sie zu schnell sind.“ Erst wenn sich die Moleküle zu größeren Agglomeraten zusammenschließen, werden sie unbeweglich und zeigen sich als Rekontamination im Mikroskop.
Gezieltes Wachstum
Schließlich nutzte das Team die neuen Erkenntnisse, um auf den frisch
gereinigten Graphenoberflächen gezielt atomar dünne Molekülschichten
herzustellen. Hierzu werden molekulare Baueinheiten auf der Oberfläche
angeboten, sozusagen als künstliche Kontamination. Die hochenergetischen
Elektronen des Mikroskops helfen dann dabei, die Moleküle zu
demobilisieren und die Molekülschicht kontrolliert wachsen zu lassen. In
einem ersten Ansatz nutzten die Forscher Porphyrin-Moleküle, die in der
Organischen Chemie synthetisiert wurden. Als Ergebnis erhielten sie
eine graphen-artige Monolage mit nanokristalliner Struktur und konnten
somit die grundsätzliche Machbarkeit und das Potenzial dieses neuen
Ansatzes demonstrieren.
Interdisziplinäre Forschung – eine Stärke der FAU
Die gerade publizierte Arbeit zeigt eine besondere Stärke der FAU im
Bereich der Materialforschung: Das interdisziplinäre Forschen über
Grenzen der Departments und Fakultäten hinweg. So stellten Prof. Dr.
Andreas Hirsch und sein Team vom Department Chemie nicht nur die
molekularen Baueinheiten für die Assemblierung von Monolagen zur
Verfügung, sondern unterstützen darüber hinaus die Forschungsarbeit mir
ihrer weitreichenden Expertise im Bereich der chemischen Prozesse an
Oberflächen.
Die Zusammenarbeit wurde dabei von der Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt, und zwar im Rahmen des Sonderforschungsbereichs SFB 953 ‘Synthetische Kohlenstoffallotrope“ und des Graduiertenkollegs GRK 1896 “In situ Mikroskopie mit Elektronen, Röntgenstrahlen und Rastersonden”. Für die mikroskopischen Arbeiten stütze sich das Team auf die exzellente Ausstattung des Center for Nanoanalysis and Electron Microscopy (CENEM) der FAU.