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Paradigmenwechsel im Chip- design von KI-Hardware

In unserer heutigen Vision von einer vernetzten digitalen Zukunft ist der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) nicht mehr wegzudenken. Diese Welt sammelt große Datenmengen mit der Hilfe von Sensoren, und verarbeitet diese gebündelt an zentralen Rechenpunkten, wodurch wiederum neuronale Netze trainiert werden können. Auf Basis dessen wird unsere Gesellschaft zukünftig in der Lage sein, Fahrzeuge autonom fahren zu lassen, komplexe Abläufe wie Kernfusion von Computern steuern zu lassen, neuartige Medikamente gegen Krebs oder Alzheimer zu entwickeln und sogar komplette Städte mit all ihren Prozessen ganzheitlich zu optimieren.

Was zunächst wie eine Utopie klingt, wird von vielen Zukunftsforschern bereits für die nächsten Jahre vorhergesagt. Jedoch stehen wir derzeit vor einer wichtigen Hürde, die entscheiden wird, ob und zu welchem Grad diese Vision zukünftig realisiert werden kann, denn Künstliche Intelligenz verbraucht Unmengen an Energie.

Bereits heute verbraucht das Training eines komplexen neuronalen Netzes so viel Energie, wie ein Kohlekraftwerk produziert. Plakativ dafür sind die riesigen, rund um die Uhr betriebenen Serverschränke, welche man in großer Zahl in heutigen Rechenzentren und Tech-Konzernen findet. Wenn der Energieverbrauch weiter so wie in der Vergangenheit zunimmt, dann sind die Energiekosten des Trainings eines einzelnen neuronalen Netzes im Jahr 2026 bereits so hoch wie das gesamte Bruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik Deutschland, Tendenz steigend.

Die Ursache dafür liegt in der Tatsache, dass man versucht die Prozesse der menschlichen Intelligenz (des Gehirns) in abstrakter Weise softwareseitig nachzubilden (künstliches neuronales Netz), sie dann aber auf einer Hardware (Von-Neumann Digitalrechner) ausführt, die rein nichts mit dem menschlichen Gehirn gemeinsam hat.

Die Ineffizienz der heutigen Technologie wird unter anderem durch das Beispiel des autonomen Fahrens deutlich. Seit vielen Jahren trainieren Firmen ihre neuronalen Netze mit mehreren Milliarden Daten und erreichen nur schwerfällig eine ausreichende Qualität, um ihnen das Führen eines Fahrzeuges im Alltag vollends zu überlassen. Dem menschlichen Gehirn hingegen reichen vergleichsweise wenige Stunden in der Fahrschule, um die Herausforderungen im Straßenverkehr zu meistern. Hinzu kommt, dass unser Gehirn nur so viel Energie wie eine Glühbirne benötigt.

Während viele Unternehmen und Startups versuchen inkrementell die bestehenden Algorithmen oder vereinzelte Elemente in der bestehenden Computerinfrastruktur zu verbessern, ist es unser Ziel bei GEMESYS eine grundlegende neue Hardware zu entwerfen, die auf den informationsverarbeitenden Mechanismen des menschlichen Gehirns basiert. Mit anderen Worten: Wir entwerfen einen Chip, der funktioniert wie das menschliche Gehirn.

Um zu verstehen was unser Gehirn so viel effizienter als die herkömmliche Von-Neumann Architektur macht, sieht man sich am besten die bestehende Schwachstelle heutiger Computer Architekturen an: den sogenannten Von-Neumann-Flaschenhals. In der vorherrschenden Architektur ist die informationsverarbeitende Einheit (CPU) von der informationsspeichernden Einheit (RAM) getrennt. Dies führt dazu, dass beide Einheiten im Betrieb in stetiger Kommunikation zueinanderstehen müssen. Um eine Aufgabe zu lösen, liest die CPU zunächst die Informationen aus dem RAM aus und arbeitet dann sequenziell die einzelnen Anweisungen ab, wobei immer wieder Zwischenergebnisse im Arbeitsspeicher abgelegt und hinterher erneut eingelesen werden müssen. Durch das ständige Hin- und Herschieben der Daten entsteht ein Flaschenhals, der das System durch seine sequentielle Arbeitsweise inhärent ausbremst und es sehr energie-ineffizient macht. Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass dieses Vorgehen für Anwendungen wie Excel, Powerpoint oder Computerspiele, keineswegs von Nachteil und für General Purpose Zwecke sogar wichtig ist. Allerdings kommen die Nachteile bei besonders rechenaufwendigen Anwendungen, wie z.B. künstlicher Intelligenz, zum Vorschein.

Bei GEMESYS orientieren wir uns mit unserer Architektur an den Synapsen im menschlichen Gehirn, bei denen keine Trennung zwischen der informationsverarbeitenden und -speichernden Einheit besteht. Dafür nutzen wir ein revolutionäres elektronisches Bauelement – den Memristor – welcher als gedächtnisbehafteter Widerstand es ermöglicht, Berechnungen direkt im Speicher durchzuführen. Dieses Prinzip wird auch „In-Memory-Computing“ genannt und ist der Namensgeber unseres Vorhabens: Genius Memristive Computing Systems, kurz GEMESYS. Mit Hilfe von Memristoren haben wir es geschafft ein System aus selbstorganisierenden Neuronen und Synapsen zu entwickeln, was das Potenzial hat uns den Weg in eine neue Ära der künstlichen Intelligenz zu ebnen.

Doch wie funktioniert die GEMESYS-Technologie nun? Wie jedes physikalische System, strebt eine elektrische Schaltung immer den Zustand des energetischen Minimums an. Wir haben elektrische Schaltungen entworfen, welche die Funktionsweisen von Neuronen und Synapsen nachahmen. Diese werden nun derart miteinander verbunden, dass das energetische Minimum der Gesamtverschaltung die optimalen Trainingsparameter des künstlichen neuronalen Netzes offenbart. Im Gegensatz zu heutiger Hardware arbeitet unsere Technologie nicht sequenziell, sondern alle elektronischen Komponenten arbeiten kollektiv daran den Zustand der minimalen Energie möglichst schnell und energieeffizient anzunehmen. Die dafür notwendige Expertise ist in unserem Team durch die Promotionen von Dr.-Ing. Enver Solan und Dr.-Ing. Dennis Michaelis, sowie die Zusammenarbeit mit unserem Mentor und ehemaligem Doktorvater Priv.-Doz. Dr.-Ing. Karlheinz Ochs innerhalb der letzten 20 Jahre entstanden.

Seit Oktober 2021 sind wir als dreiköpfiges Gründerteam (Dr.-Ing. Dennis Michaelis, Dr.-Ing. Enver Solan, Moritz Schmidt) finanziert mit 750.000€ durch den EXIST Forschungstransfer vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) an der Ruhr-Universität Bochum in das Vorhaben gestartet. Zahlreiche Emulationen unseres Chip-Designs in Software belegen bereits die technische Machbarkeit unseres Vorhabens und bestätigen eine um Größenordnungen gesteigerte Effizienz.

Die Auswirkungen der technologischen Innovation wird weitrechende Folgen in den verschiedensten Bereichen haben. Das effizientere KI-Training wird nicht nur das ca. 20.000-fache an Energie sparen, sondern unseren Kunden helfen leistungsstärkere und komplexere KI zu trainieren. Darüber hinaus wird unser Design in der Form von integrierten Schaltungen (Mikrochips) zur Verfügung stehen und aufgrund seiner geringen Größe und Energieeffizienz in mobile Endgeräte eingebaut werden können, was Datenverarbeitung und Training auf jeglichem Smart Device ermöglicht. Dadurch ist man nicht mehr darauf angewiesen alle Daten zentralisiert in großen Rechenzentren zu sammeln und dort das Training durchzuführen, sondern kann KI am Rande des Internets dezentralisiert trainieren (On-The-Edge AI). Langfristig wollen wir dadurch als essenzieller Zukunftsbaustein für KI den Weg in eine vernetzte digitale Welt ebnen.

Autoren: Moritz Schmidt, Dr.-Ing. Enver Solan, Dr.-Ing. Dennis Michaelis

Bilder:
Abbildung 01: Gemesys Chip
Abbildung 02: Gründerteam GEMESYS (© Bochum Wirtschaftsentwicklung, Donna und der Blitz GmbH)

Bildergalerie

Quelle: NMWP-Magazin

GEMESYS Technologies

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