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Kon­zen­trie­ren­de so­lar­ther­mi­sche Tech­no­lo­gie auch in Deutsch­land ef­fi­zi­ent ein­setz­bar

Pa­ra­bol­rin­nen-An­la­ge Evo­ra (Universidade de Évora/Hugo Faria)

Konzentrierende solarthermische Systeme sind in Deutschland noch wenig bekannt. Dabei sind sie ein sehr effizienter Ansatz, um Wärme aus Sonnenenergie zu gewinnen. Dafür kommen spezielle Hightech-Spiegel in unterschiedlichen Geometrien zum Einsatz. Sie bündeln die Sonnenstrahlen auf eine begrenzte Fläche, zum Beispiel einen Kreis oder eine Linie. Damit wird ein Wärmeträger-Medium erhitzt, das durch einen Wärmeübertrager strömt. Konzentrierende solarthermische Kraftwerke, wie es sie vor allem im Sonnengürtel der Erde schon gibt, nutzen diese Wärme, um Strom zu erzeugen. Alternativ lässt sich die Energie aus konzentriertem Sonnenlicht auch für industrielle Prozesse nutzen. Ein weiterer Vorteil dabei: Wärme kann man wesentlich besser speichern als Strom.

Im Interview beschreibt Prof. Robert Pitz-Paal, Direktor des Instituts für Solarforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), warum konzentrierende solarthermische Technologie auch für die Anwendung in Deutschland und Mitteleuropa eine interessante Option ist.

Warum macht der Einsatz von konzentrierenden solarthermischen Technologien auch in Deutschland Sinn?

Prof. Robert Pitz-Paal: Lange Zeit ging man davon aus, dass die Anwendung konzentrierender Solarkollektoren in Mitteleuropa keinen Sinn macht. Denn man braucht eigentlich möglichst viel direktes Sonnenlicht und wenig Bewölkung. Neue Untersuchungen und Vergleiche unterschiedlicher Kollektoren haben aber gezeigt, dass das so nicht stimmt. Für industrielle Prozesswärme zwischen 80 und 400 Grad Celsius können sie eine kostengünstige, effiziente und CO2-freie Lösung sein – auch in Zentraleuropa. Dieser Temperaturbereich deckt rund die Hälfte der benötigten Industriewärme ab. Selbst in Deutschland wäre so eine Wärmeproduktion zu einem Preis von deutlich unter zehn Cent pro Kilowattstunde möglich.

Welche Voraussetzungen müssten dafür erfüllt sein? Und für welche Anwendungen könnten davon profitieren?

Pitz-Paal: Voraussetzung ist ein entsprechend großes Kollektorfeld von mindestens 10.000 Quadratmetern. Erste solche Anlagen gibt es bereits: zum Beispiel in Belgien, um industrielle Prozesswärme herzustellen oder in Dänemark, um ein Nahwärmenetz zu versorgen. Aktuell tragen der hohe Gaspreis und staatliche Förderprogramme im Bereich der Prozesswärme dazu bei, diese Technologie auch in Deutschland wirtschaftlich einsetzen zu können. Wir haben damit eine ähnlich gute Ausgangssituation wie in der Vergangenheit in südeuropäischen Ländern. Dort gibt es schon etliche solcher Anlagen. Zu den Branchen, die in Deutschland von konzentrierenden Solaranlagen profitieren könnten, zählen unter anderem die chemische und Lebensmittelindustrie sowie der Bereich der Nahwärmenetze.

Das hört sich fast nach einem Allheilmittel für die Energiesorgen speziell der Industrie an?

Pitz-Paal: Wir müssen uns vom Gedanken verabschieden, dass wir mit einer einzigen Technologie den ganzen industriellen Wärmesektor dekarbonisieren können. Stattdessen brauchen wir eine geschickte Kombination unterschiedlicher Ansätze. Konzentrierende Solarsysteme können dazu gehören – ebenso wie „grüner“ Wasserstoff oder spezielle Wärmepumpen für besonders hohe Temperaturen, die Strom aus erneuerbaren Ressourcen nutzen. Forschung und Industrie müssen gemeinsam herausfinden, welcher Mix für den jeweiligen Anwendungsfall am besten funktioniert.

Was braucht es, damit konzentrierende Solarthermie auch bei der Erzeugung von Prozesswärme in Deutschland durchstarten kann?

Pitz-Paal: Aktuell führen Subventionen für fossile Energien wie der Gaspreisdeckel zu einer gewissen Zögerlichkeit der Industrie, auf erneuerbare Technologien umzustellen. Langfristig ist aber allen klar, dass dieser Schritt erfolgen muss. Dass konzentrierende Solarsysteme dabei auch in Deutschland ein technologisch wie wirtschaftlich sinnvoller Ansatz sein können, ist allerdings noch weitgehend unbekannt. Was wir jetzt brauchen, sind eine Handvoll Demonstrationsprojekte und Pilotanlagen. So können wir zeigen, dass diese Technologie funktioniert und veranschaulichen, welche Möglichkeiten sie bietet. Die Politik hat uns dazu schon gute Werkzeuge an die Hand gegeben und unterstützt diesen Schritt mit Fördermaßnahmen. Das DLR bringt technisches Know-how, Ideen und Kontakte zu Herstellern mit. Gemeinsam haben wir jetzt die Option, Wissen, Technologie und hochwertige Arbeitsplätze Made in Germany zu schaffen. Wir stehen da natürlich auch global im Wettbewerb – zum Beispiel mit China, dem zurzeit größten Markt für konzentrierende solarthermische Großkraftwerke zur Stromerzeugung – und müssen daher Gas geben.

Welchen Beitrag leistet das DLR für die Industrialisierung von konzentrierenden Solartechnologien?

Pitz-Paal: Wir bieten vermutlichen die besten Möglichkeiten, in Deutschland zusammen mit Industriepartnern Innovationen zu entwickeln, um die Technik in allen Anwendungsfeldern – Strom, Wärme, Brennstoffe – effizienter, zuverlässiger und kostengünstiger zu machen und im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Das können zum Beispiel fortschrittliche Speicher und Wärmeübertrager sein. Wir arbeiten auch daran, die Vorteile der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz einsetzen, um zum Beispiel Kollektorfelder präzise zu steuern. Das DLR verfügt über einmalige Großforschungsanlagen, um konzentrierende Solarsysteme mit Unternehmen vom Labor in die Anwendung zu bringen. Dazu gehören die Solartürme oder der Sonnensimulator Synlight in Jülich oder unsere Partnerschaften mit der Plataforma Solar in Almeria, die von der spanischen Forschungseinrichtung CIEMAT betrieben wird. Hier haben wir vor mehr als 40 Jahren gemeinsam gezeigt, dass konzentrierende Solartechnologie grundlegend funktioniert. Seitdem sind wir Wegbereiter mit entsprechendem Know-how und Erfahrung. Wir sind stolz darauf, dass in mehr als 90 Prozent aller kommerziellen solarthermischen Kraftwerke für die Stromproduktion Innovationen aus dem DLR eingeflossen sind – häufig auch über unsere Ausgründungen. Durch diese Partnerschaften entwickeln wir die Technologie zielgerichtet weiter. Denn die Rückmeldungen aus der industriellen Praxis zeigen uns, auf welche Fragestellungen sich die Forschung fokussieren sollte.