Diffraktive neuronale Netze zur Laserstrahlformung

Durch diffraktive neuronale Netze aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz lassen sich komplexe, applikationsangepasste Intensitätsverteilungen für die digitale photonische Produktion realisieren.

Bei der Lasermaterialbearbeitung wird die Qualität und Effizienz des Prozesses maßgeblich durch das Profil des Laserstrahls auf dem Werkstück bestimmt. Mit Hilfe von applikationsangepassten Intensitätsprofilen, die gezielt auf Prozess und Material abgestimmt sind, können beispielsweise die Vorschubgeschwindigkeit bei der Wärmebehandlung um einen Faktor 10 [1] erhöht oder die Schmelzbaddynamik beim Laserstrahlschweißen stabilisiert werden [2]. Aktuell werden ausgewählte Intensitätsverteilungen wie Top-Hat oder ringförmige Profile eingesetzt, die besondere Anforderungen an das optische System stellen, durch das die Verteilungen eingestellt werden. Komplexere Profile, beispielweise ohne Rotationssymmetrie, oder Profile, die bestimmte Eigenschaften entlang der Propagationsrichtung aufweisen, können häufig nur mit aufwendigen optischen Strahlformungssystemen realisiert werden. Die benötigten Freiheitsgrade bei der Strahlformung werden derzeit durch den Einsatz von sphärischen oder asphärischen Linsen sowie Spiegeln, Freiformoptiken [3] oder diffraktiven optischen Elemente (DOEs) bereitgestellt. Ein DOE ist ein optisches Element mit einem Höhenprofil auf einer Oberfläche (meist in Form von Pixeln unterschiedlicher Höhe), durch das das einfallende Lichtfeld gebeugt wird. Soll die Strahlformung darüber hinaus auch dynamisch sein, werden Spatial Light Modulators (SLMs), häufig basierend auf Liquid Crystal on Silicon (LCoS) Displays, eingesetzt.

Ein besonderer Vorteil für die Laserstrahlformung entsteht, wenn mehrere diffraktive Elemente – oder zur dynamischen Strahlformung mehrere LCoS – in einem System hintereinander platziert werden. Das Licht durchläuft die Elemente dann sukzessive, wird an der jeweiligen Phasenmaske gebeugt und propagiert zum nächsten Element. Neben der höheren Zahl von (Design-)Freiheitsgraden, die durch die zusätzlichen Elemente im System zur Verfügung stehen, stellt diese Anordnung die physikalische Implementierung eines künstlichen neuronalen Netzes dar – ein sogenanntes diffraktives neuronales Netz (DNN) [4]. In diesem diffraktiven neuronalen Netz entsprechen die DOEs den Netzebenen, die Pixel den einzelnen Knoten und die Phasenhübe jedes Pixels der Gewichtung dieser Knoten. Das in einer ersten Ebene auf einen Pixel treffende Licht erfährt eine Phasenverschiebung und breitet sich als sphärische Welle hinter dem Pixel aus. Die gewichtete Information propagiert also von einem Pixel in einer beliebigen Ebene zu allen Pixeln in der darauffolgenden Ebene, wodurch das neuronale Netz entsteht. Im Bereich des optischen Rechnens – insbesondere im Bereich der Bildverarbeitung – wurden solche Netzwerke bereits erfolgreich eingesetzt [4]. Hier wird Licht als Träger der Information genutzt und ein optisches System realisiert die mathematischen Operationen.

Die Auslegung solcher sog. Multi-DOE Systeme zur Bestimmung der Phasenmasken benötigt neben wellenoptischen Berechnungen elaborierte Optimierungsalgorithmen, um Probleme mit einer Vielzahl von mehreren Tausend Freiheitsgraden effizient lösen zu können. Am Lehrstuhl für Technologie Optischer Systeme TOS der RWTH Aachen University wurde ein solcher Algorithmus basierend auf Methoden aus der künstlichen Intelligenz entwickelt und bereits im Bereich der Strahlformung für die Lasermaterialbearbeitung eingesetzt [5]. Die Arbeiten werden von der Deutschen Forschungs-gemeinschaft im Rahmen des EXC-2023 Internet of Production (390621612) gefördert. Der Algorithmus greift dabei auf die Analogie zwischen konventionellen künstlichen neuronalen Netzen und dem DNN zurück. Die DNN werden analog zur klassischen Methode mit Datensätzen trainiert, bis das Optimierungsziel, in diesem Fall die Strahlformung, erreicht wird.

Der entwickelte Algorithmus erlaubt die kombinierte Optimierung von Intensität und Phase in mehreren Zielverteilungen und damit die Kontrolle über eine dreidimensionale Feldverteilung. Damit kann für eine gewünschte Intensitätsverteilung beispielsweise gleichzeitig eine ebene Phasenfront in der Zielebene realisiert werden. Durch die Optimierung für mehrere Zielverteilungen kann der Strahl unterschiedliche Profile entlang der Propagationsrichtung annehmen. So könnte beispielsweise die Veränderung der Intensitätsverteilung nach dem DNN so erfolgen, dass aus einem Top-Hat eine Ringverteilung wird. Eine weitere Anwendung liegt in der robusten Laserstrahlformung. Hierbei wird das DNN so trainiert, dass für in der Eingangsebene verschobene Eingangsstrahlen ein möglichst gering verändertes Ausgangsprofil erzeugt wird. Das optische System wird dadurch robust gegenüber Dejustage. In dem von der europäischen Union geförderten Projekt Made-to-measure micromachining with laser beams tailored in amplitude and phase (METAMORPHA) arbeiten Industrie und Forschung, darunter auch das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT und der Lehrstuhl TOS, an einem optischen System mit zwei kaskadierten SLMs und einem integrierten Galvoscanner. Ziel ist, durch gleichzeitige dynamische Kontrolle von Amplitude und Phase der Feldverteilung eine Lasermikrobearbeitungs-plattform aufzubauen, die viele konventionelle und auch umweltschädliche Fertigungsverfahren ersetzen soll.

Referenzen
[1] S. Vogt, A. Völl, S. Wollgarten, T. Freese, J. Stollenwerk, A. Weisheit, and P. Loosen, “Local laser softening of high-strength steel with an adapted intensity,” J. Laser Appl. 31(1), 012007 (2019).
[2] J. Rauschenberger, D. Vogler, C. Raab, and U. Gubler, “Diffractive beam shaping for enhanced laser polymer welding,” Proc. SPIE - The Int. Soc. for Opt. Eng. 9351, 1 (2015).
[3] A. Völl, R. Wester, M. Berens, P. Buske, J. Stollenwerk, and P. Loosen, “Accounting for laser beam characteristics in the design of freeform optics for laser material processing,” Adv. Opt. Technol. 8(3-4), 279–287 (2019).
[4] X. Lin, Y. Rivenson, N. T. Yardimci, M. Veli, Y. Luo, M. Jarrahi, and A. Ozcan, “All-optical machine learning using diffractive deep neural networks,” Science 361(6406), 1004–1008 (2018).
[5] P. Buske, A. Völl, M. Eisebitt, J. Stollenwerk, and C. Holly, "Advanced beam shaping for laser materials processing based on diffractive neural networks," Opt. Express 30, 22798-22816 (2022).

Lehrstuhl für Technologie Optischer Systeme TOS – RWTH Aachen University, Aachen
Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT, Aachen

Photonische Basistechnologie

  • Laser
  • Optische Systeme
  • Sensorik, Messtechnik
  • Quantentechnologien

Anwendungsfelder / Märkte

  • Digitale Photonische Produktion
  • Lasermaterialbearbeitung

Impact

  • Effizienzsteigerungen und nachhaltige Produktion
  • Erschließen neuer Anwendungen
  • Energie- und Ressourcenschonung

www.tos.rwth-aachen.de

Abbildung 1: Beispiel eines DNNs mit zwei diffraktiven Ebenen und zwei Zielebenen (aus [5]).
Abbildung 2: Illustration der Formung einer komplexen Zielverteilung aus einem gaußförmigen Eingangsstrahl mit zwei diffraktiven Elementen.
Abbildung 3: Entwicklung des Intensitätsprofils entlang der Propagationsrichtung.

Bildergalerie

Quelle: NMWP-Magazin

RWTH Aachen University, Lehrstuhl für Technologie Optischer Systeme TOS

Der Lehrstuhl für Technologie Optischer Systeme wurde 2004 im Fachbereich Maschinenbau der RWTH Aachen neu eingerichtet. Er ist einer der Lehrstühle im Verbund LLT, TOS und NLD, die alle drei im Fraunhofer-Institut für Lasertechnik...mehr...