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Mit künstlicher Intelligenz gegen Naturkatastrophen

© 2023 Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut HHI

Zum Jahreswechsel startete das Konsortialprojekt TEMA (Trusted Extremely Precise Mapping and Prediction for Emergency Management), das als Teil der EU-Initiative Horizon Europe mit mehr als 11 Mio. Euro gefördert wird. 20 europäische Partnerinstitutionen aus Industrie, Forschung und Politik arbeiten innerhalb des TEMA-Konsortiums daran, das Management von Naturkatastrophen in Echtzeit zu verbessern. Dafür sammeln die Forschenden heterogene Daten, bspw. von smarten Sensoren, Satellitenbildern oder meteorologischen Stellen, die analysiert und zu aussagekräftigen Gebietskarten zusammengeführt werden. Auf dieser Basis soll zukünftig der Verlauf von extremen Naturphänomenen genauer vorhergesagt und durch Augmented Reality (AR) visualisiert werden. TEMA läuft bis November 2026 und wird von der Aristotle University in Thessaloniki geleitet. Das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (HHI) trägt insbesondere mit seiner Expertise im Bereich Erklärbare KI (XAI) zum Projekt bei und übernimmt den Task Lead zu „Explainable and robust analytics“.

Im Hinblick auf die aktuellen Klimaentwicklungen werden länderübergreifende extreme Naturereignisse wie Überschwemmungen und Waldbrände in Zukunft stärker zunehmen. Das präzise Management von Naturkatastrophen (Natural Disaster Management, NMD) ist dabei entscheidend, um zu verhindern, dass diese lebensbedrohlich werden. Bei zentralen Interpretations- und Kommunikationsprozessen besteht jedoch weiterhin erhebliches Verbesserungspotenzial.

Die Partner des TEMA-Konsortiums setzen dort an und entwickeln Technologien zur automatisierten Erstellung aussagekräftiger Karten der gefährdeten oder betroffenen Gebiete. Dafür kombinieren die Forschenden des Fraunhofer HHI als Task Lead der Gruppe „Explainable and robust analytics“ Daten aus unterschiedlichsten Quellen. Die Quellen sind neben autonomen Geräten und intelligenten Sensoren auch Satelliten und offizielle Wetterdienststellen sowie soziale Medien. Der Vorteil dieser heterogenen Daten liegt darin, ein möglichst umfassendes, aktuelles und facettenreiches Bild der aktuellen Gefahrenlage kreieren zu können. Das breite Forschungs- und Datensammelgebiet von TEMA (Deutschland, Finnland, Italien und Griechenland) ermöglicht dabei eine leistungsstarke Untersuchung einer Vielzahl von Szenarien über einen längeren Zeitraum. Das Forschungsteam des Fraunhofer HHI analysiert die gesammelten Daten und nutzt konzeptbasierte XAI-Methoden, um eine präzise und erklärbare Nachbildung und Modellierung realer NDM-Ereignisse zu erzeugen, wobei Qualitätsstandards und Bewertungskriterien für XAI-Methoden berücksichtigt werden.

Auf Basis der Gebietskarten und den daraus resultierenden Analysen wollen die Forschenden eine KI-gestützte NDM-Plattform entwickeln, die insbesondere im Umgang mit Waldbränden und Überschwemmungen validiert und demonstriert werden soll. Letztlich sollen die menschlichen Entscheider in Gefahrensituationen über eine intuitive AR-Schnittstelle auf die TEMA-Plattform zugreifen können, die wiederum Vorhersagen zur Entwicklung von Extremwetterphänomenen und aktuelle Reaktionsempfehlungen gibt. Diese Schnittstelle soll es Anwender durch eine intelligente Auswahl von Plattformparametern und neuartige Kombinationen heterogener (visueller und nichtvisueller) Daten und AR ermöglichen, komplexe NDM-Phänomene zu verstehen und alternative Reaktionsstrategien einfach zu bewerten.

Dr. Sebastian Lapuschkin, Gruppenleiter Erklärbare Künstliche Intelligenz und Projektleiter TEMA am Fraunhofer HHI: „Waldbrände und Überschwemmungen machen nicht vor Ländergrenzen halt. Die Bewältigung von Naturkatastrophen stellt daher eine zentrale europäische Herausforderung für unsere Zukunft dar, die auch auf europäischer Ebene gelöst werden muss. Wir freuen uns, unsere Expertise im Bereich Erklärbare und Robuste KI insbesondere im Rahmen von NDM einbringen zu können.“ Das Fraunhofer HHI forscht bereits in leitender Position der ITU/WHO Fokusgruppe „AI for Natural Disaster Management“ und dem BMWK-Projekt DAKI-FWS an der Nutzung von KI zur Prävention und Bewältigung von Naturkatastrophen.

Die länderübergreifende Zusammenarbeit sorgt neben einer breiten Datenbasis für eine erheblich erleichterte Interoperabilität der NDM-Plattform zwischen den EU-Ländern und –Regionen. Darüber hinaus bildet sie die Grundlage für das Angebot eines skalierbaren und effizienten NDM-Analytics-as-a-Service (NDM-AaaS). Potenzielle Endnutzer der TEMA-Plattform sind vor allem Katastrophenschutzbehörden aber auch Ersthelfer.

Die Verbundpartner bei TEMA sind neben der Aristotle University und dem Fraunhofer HHI das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Engineering Ingegneria Informatica S.P.A. (Italien), Atos IT Solutions and Services Iberia SL (Spanien), Atos Spain S. A. (Spanien), Universidad de Sevilla (Spanien), Tecnosylva SL (Spanien), Northdocks GmbH (Paris-Lodron), Universität Salzburg (Österreich), The Lisbon council for economic competitiveness and social renewal ASBL (Belgien), Latitudo 40 S.R.L. (Italien), Nelen & Schuurmans Technology (Niederlande), University of Messina (Italien), Kajaanin Ammattikorkeakoulu Oy (Finnland), Kajaanin Kaupunki (Finnland), Center for security studies / Kentro Meleton (Griechenland), Gemeinde Mantoudi-Limni-Agia Anna (Griechenland), Autonome Region Sardinien (Italien) und das Bayerische Rote Kreuz.