Im Mikrokosmos wird es bunt: 124 Farben dank RGB-Technologie
Auf einem speziellen DNA-Gitter werden drei RGB-Grundfarben in verschiedenen Mischungsverhältnissen - Illustration: Johannes Wöhrstein
In den letzten Jahrzehnten hat die biomedizinische Forschung enorme Fortschritte gemacht. Mithilfe neuster Mikroskope analysieren Wissenschaftler die Funktion und das Zusammenspiel von Molekülen in Zellen immer detailreicher. Jetzt suchen Forscher nach Methoden, um eine Vielzahl von Molekülen zeitgleich sichtbar zu machen.
RGB-Nanotechnologie
Ein Team von Wissenschaftlern aus Deutschland und Amerika, geleitet von
Ralf Jungmann und Peng Yin, hat nun sogenannte Metafluorophore
entwickelt. „Die Technologie kann man sich vergleichbar der eines
RGB-Monitors vorstellen“, erklärt Jungmann, Leiter der Forschungsgruppe
„Molekulare Bildgebung und Bionanotechnologie“. Um auf einem Bildschirm
verschiedenste Farben darzustellen, werden diese aus den drei
Grundfarben rot, grün und blau gemischt. „Wir haben diesen Ansatz auf
die Nanometerskala transferiert. Anstelle eines einzelnen
Fluoreszenzfarbmoleküls werden nun auf ein Trägermaterial – eine Art
Steckplatte – mehrere Fluoreszensmoleküle aufgebracht. Je nach Anteil
der drei Grundfarben erscheinen diese unter dem Mikroskop in
unterschiedlichen Farben, vergleichbar mit einem farbigen Pixel in
Nanometergröße auf einem Computerbildschirm.“
DNA-Origami
Für die Steckplatte nutzt das Team das sogenannte DNA-Origami. Dabei
handelt es sich um selbstorganisierende DNA-Strukturen in
Nanometergröße, die aus einem langen Gerüststrang bestehen. Der Strang
faltet sich in vorprogrammierbarer Weise in eine zwei- oder
dreidimensionale Form. Diese wird durch etwa 200 kurze Heftstränge
stabilisiert, die verschiedene Teile des Gerüstes überbrücken. Die
kleinen Farbsonden (standardmäßig werden rot, grün oder blau
fluoreszierende verwendet) werden von den Forschern in die
selbstfaltenden DNA-Strukturen integriert. Je nach Farbe wird die Anzahl
der jeweils benötigten Farbsonden im Vorfeld berechnet. „Würden wir die
Steckplattengröße, die nur 60 x 90 Nanometer klein ist, mit der eines
Bildpunktes auf einem Full HD-Fernsehers vergleichen, dann wäre der
gesamte Bildschirm ungefähr 0,2 x 0,1 mm groß“, erklärt Jungmann.
124 virtuelle Farben
Dieser nanotechnologische Ansatz bietet zurzeit eine Palette von 124
virtuellen Farben. „Diese Zahl kann in Zukunft angepasst werden“, sagt
Yin, Fakultätsmitglied am Wyss Institute und Professor für
Systembiologie an der Harvard Medical School. "Unsere Studie ermöglicht
es Forschern, eine große Sammlung von Metafluorophoren mit genau
abgestimmten optischen Eigenschaften zu konstruieren. Damit können sie
dann eine Vielzahl von Molekülen in einer Probe sichtbar machen, wie
z.B. spezifische DNA- oder RNA-Sequenzen“, fasst Yin zusammen.
„Aktuell sind die DNA-Origami-Strukturen noch zu sperrig, um in das Innere der Zelle zu diffundieren. Hier suchen wir noch nach Möglichkeiten, dass flexible, kurze DNA-Moleküle die Membranen von Zellen durchdringen können und erst ihre dreidimensionale Form annehmen, sobald sie ihr Ziel binden. Erste Schritte in diese Richtung haben wir in der Veröffentlichung bereits aufgezeigt", schaut Jungmann in die Zukunft.
---
Über Ralf Jungmann
Ralf Jungmann studierte von 2001 bis 2006 Physik an der Universität des
Saarlandes in Saarbrücken. Nach seiner Diplomarbeit an der UC Santa
Barbara, USA, promovierte er 2010 an der Technischen Universität
München, gefolgt von einem Postdoc Aufenthalt am Wyss Institute for
Biologically Inspired Engineering der Harvard University. Seit 2014
leitet er die unabhängige Forschungsgruppe „Molekulare Bildgebung und
Bionanotechnologie“ am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried
und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München. Seit 2016 hat
er an der LMU die Professur für experimentelle Physik inne. 2016 wurde
Jungmann der ERC Starting Grant des Europäischen Forschungsrates
zugesprochen.
Über Peng Yin
Peng Yin studierte in China an der Peking University Biochemie und
Molekularbiologie. Anschließend ging er in die USA und promovierte im
Fachbereich der Informatik an der Duke University in den USA. Sein Weg
führte ihn weiter an das Caltech Center for Biological Circuit Design.
Hier kombinierte er seine interdisziplinären Interessen für Informatik,
Biotechnologie und Biologie. Seine Forschungsarbeit widmet er
programmierbaren, sich selber zusammenfügenden Nukleinsäure
(DNA/RNA)-Strukturen. Die Strukturen haben großes Potential bei der
Erforschung und Programmierung biologischer Prozesse und der Darstellung
dieser im Nanometerbereich durch Hochauflösungs-Mikroskopie, sowie für
therapeutische Anwendungen genutzt werden zu können. Aktuell ist Peng
Yin Mitglied der Kernfakultät des ‘Wyss Institute for Biologically
Inspired Engineering’ an der Harvard University und Professor im
Department of Systems Biology der Harvard Medical School.
Über das Max-Planck-Institut für Biochemie
Das Max-Planck-Institut für Biochemie (MPIB) in Martinsried bei München
zählt zu den führenden internationalen Forschungseinrichtungen auf den
Gebieten der Biochemie, Zell- und Strukturbiologie sowie der
biomedizinischen Forschung und ist mit rund 35 wissenschaftlichen
Abteilungen und Forschungsgruppen und ungefähr 800 Mitarbeitern eines
der größten Institute der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der
Wissenschaften e.V. Das MPIB befindet sich auf dem Life-Science-Campus
Martinsried in direkter Nachbarschaft zu dem Max-Planck-Institut für
Neurobiologie, Instituten der Ludwig-Maximilians-Universität München und
dem Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie (IZB). (http://biochem.mpg.de)
Über das Wyss Institute for Biologically Inspired Engineering at Harvard University
Das Wyss Institute for Biologically Inspired Engineering der Harvard
University nutzt die Designprinzipien der Natur, um Materialien und
technische Mittel zu entwickeln, welche die Medizin voran bringen und
helfen eine nachhaltigere Welt zu schaffen. Wyss-Forscher arbeiten an
innovativen, neuen Technologielösungen im Bereich des Gesundheitswesens,
der Energieforschung, der Architektur, der Robotik und Fertigung. Mit
Hilfe von Forschungskooperationen, sowie Unternehmensallianzen und
-ausgründungen werden neue Errungenschaften in kommerzielle Produkte und
Therapien umgesetzt. Das Wyss-Institut erzielt seine technologischen
Durchbrüche durch risikoreiche, hochinnovative Forschung und dem Abbau
disziplinärer und institutioneller Barrieren. Es arbeitet eng zusammen
mit der Harvard Medical School, den Schulen für Technologie, Kunst &
Wissenschaft und Design der Harvard University, sowie führenden
klinischen Einrichtungen wie dem Beth Israel Deaconess Medical Center,
dem Brigham and Women’s Hospital, dem Boston Children’s Hospital, dem
Dana-Farber Cancer Institute, dem Massachusetts General Hospital, der
University of Massachusetts Medical School, dem Spaulding Rehabilitation
Hospital, und universitären Partnerinstitutionen wie der Boston
University, der Tufts University, der Charité – Universitätsmedizin
Berlin, der Universität Zürich und dem Massachusetts Institute of
Technology. (http://wyss.harvard.edu)
Originalpublikation:
J.B. Woehrstein, M.T. Strauss, L.L. Ong, B. Wei, D. Y. Zang, R. Jungmann & Peng Ying “Sub-100-nm metafluorophores with digitally tunable optical properties self-assembled from DNA”. Science Advances, Juni 2017
DOI: 10.1126/sciadv.1602128
Kontakt:
Prof. Dr. Ralf Jungmann
Molekulare Bildgebung und Bionanotechnologie
Max-Planck-Institut für Biochemie
Am Klopferspitz 18
82152 Martinsried
E-Mail: jungmann@biochem.mpg.de
Dr. Christiane Menzfeld
Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Biochemie
Am Klopferspitz 18
82152 Martinsried
Tel. +49 89 8578-2824
E-Mail: pr@biochem.mpg.de