Fraunhofer IPA: Lesehilfe aus dem 3D-Drucker für sehbehinderte Menschen
Das Gestell nimmt ein Smartphone auf, wird wie eine Taucherbrille vors Gesichtgespannt und kann individuell angepasst werden. In dem vom BMBF geförderten Projekt VRread hat das Fraunhofer IPA zusammen mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband Württemberg e. V. (BSV-W), der Firma rioprinto und der Maker- Bewegung ein Aufnahmegestell zum Ausdrucken und eine entsprechende Leseapplikationssoftware für ein Android-basiertes Smartphone entwickelt. Bastler, Erfinder und Kreative aus der Maker-Szene, die in Eigeninitiative kreative Lösungen zu technischen Herausforderungen aus dem Alltag entwickeln und realisieren, arbeiteten eng mit Sehbehinderten zusammen. Die Daten stehen zum Download jedem zur Verfügung.
Zeitung überall lesen zu können, ist für die meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit. Hochgradig sehbehinderte Menschen haben damit ein Problem. Viele sind auf stationäre Kamerasysteme angewiesen, deren Aufbau für Bildschirm und Kamera einen festen Platz erforderlich macht. Mobile Lesehilfen sind nur sehr eingeschränkt verfügbar. An großen Bildschirmen führt für sehbehinderte Menschen derzeit kaum ein Weg vorbei. Platziert man jedoch einen relativ kleinen Bildschirm besonders nahe vor dem Auge, entsteht ein weites Sichtfeld ohne erkennbare Grenzen. Und kleine Bildschirme in Form seines Smartphones hält heute fast jeder in Händen.
Smartphone wird wie ein Brille getragen
Genau hier liegt der Ansatz von VRread. Im Mittelpunkt von VRread
steht eine angepasste Aufnahmevorrichtung. Hinzu kommt eine
Leseapplikation für das Smartphone des Nutzers, das sehr viel Technik
auf kleinstem Raum bietet und immer mehr auch von sehbehinderten
Menschen genutzt wird. Mit der an die individuelle Sehbeeinträchtigung
angepassten Aufnahmevorrichtung wird das Smartphone entsprechend nah vor
dem Auge platziert. Große in der Aufnahmevorrichtung integrierte Linsen
fokussieren das Bild auf die kurze Distanz für den Nutzer. So eröffnet
das Smartphone die Möglichkeit, in ein digitales Dokument einzutauchen
und wird damit zur individuellen Lesehilfe für sehbehinderte Menschen.
Lageerkennung dient der Steuerung Dabei wird die integrierte
Gyrosensorik zur Lageerkennung im Smartphone von der entwickelten
VRread-Leseapplikation zur Steuerung und Navigation auf dem digital
erfassten Dokument verwendet. Auf dem Smartphone vorhandene Dokumente
können damit in einem völlig neuem Kontext und optimalem Seheindruck
einfach und überall gelesen werden. Im Hauptmenü kann der Nutzer einmal
vorab seine idealen Einstellungen wie bspw. die Schriftgröße und den
Kontrast einstellen. Eine zuschaltbare Leselinie erleichtert die
Navigation auf dem Dokument zusätzlich.
Leseapplikationssoftware
Die Software selbst unterteilt sich in verschiedene Module. Das
Steuermodul erfasst die Kopfbewegungen und ist in der Lage diese in
Steuerinformationen zu übersetzen. Aus der Datenquelle des
Textdokumentes wird im zweiten Modul eine nutzbare Textur erstellt.
Diese Textur wird in einem zweistufigen Prozess auf dem Bildschirm
ausgegeben. Alle Module wurden unter Berücksichtigung einer späteren
Erweiterbarkeit entworfen.
3D-Datensätze und Software kann jeder herunterladen
Im Rahmen eines ausgeschriebenen Wettbewerbs in der Maker-Bewegung
wurden drei per 3D-Druck gedruckte Aufnahmevorrichtungen prämiert. Ein
viertes Design entwickelte außer Konkurrenz das Fraunhofer IPA. Die
Datensätze dieser vier Modelle stehen in Form von 3D-Daten für den
Ausdruck auf einem 3D-Drucker für jedermann zur freien Verfügung, ebenso
die Installationsdatei für die vom Fraunhofer-Institut entwickelte
Leseapplikation. Mit Hilfe der eigenen Parameter wie bspw. des
individuellen Augenabstands kann das Aufnahmegestell via 3D-Druck bei
einem Anbieter von photonischen 3D-Druckverfahren
auf
Onlineplattformen kostengünstig bestellt werden. Versierte Anwender oder
Entwickler können die Ergebnisse auch als Basis zur eigenen
Weiterentwicklung verwenden. Jetzt muss noch die
VRread-Textleseapplikation auf dem Smartphone installiert werden und auf
den Nutzer eingestellt werden. Dann können die auf dem Smartphone
gespeicherten Dokumente oder die Zeitung digital gelesen werden.
Steckbrief
Projekt: Individuell angepasste und gefertigte VR-Gestelle und
Applikationssoftware als Lesehilfe für Menschen mit Sehbehinderung
(VRread)
Koordinator: Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
Projektvolumen: 87 490 € (Förderquote 100 %)
Projektlaufzeit: 1. 11. 2016 bis 31. 5. 2017
Projektpartner: Blinden- und Sehbehindertenverband Württemberg e. V. (assoziierter Partner); rioprinto UG (assoziierter Partner)
Förderprogramm: »Photonik Forschung Deutschland«
Fördermaßnahme: »Wettbewerb Light Cares – Photonische Technologien für Menschen mit Behinderung«
Fördergeber:
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
In Kooperation mit
der Maker-Szene Maker sind Bastler, Erfinder und Kreative, die in
Eigeninitiative kreative Lösungen zu technischen Herausforderungen aus
dem Alltag entwickeln und realisieren, ohne den Einsatz kostspieliger
Speziallösungen. Im Projekt VRread arbeiteten Menschen mit Behinderungen
und Vertreter der Maker-Bewegung eng zusammen