Selbstheilender Lack aus Maisstärke lässt kleine Kratzer durch Wärme verschwinden
Transparente, selbst-heilende Nanomer®-Beschichtung als Schutzlack für Hochglanz-Oberflächen: Oberflächliche Mikrokratzer heilen unter Wärmeeinwirkung innerhalb weniger Minuten komplett aus. Quelle: Uwe Bellhäuser
Ein neuer Lack aus Maisstärke ist wegen der besonderen Anordnung seiner
Moleküle in der Lage, durch Wärme kleine Kratzer von selbst zu
reparieren: Die Vernetzung über ringförmige Moleküle macht das Material
beweglich, sodass es die Kratzer ausgleicht und diese wieder
verschwinden.
Oberflächliche Mikrokratzer in der Autokarosserie oder auf anderen
Hochglanzoberflächen sind harmlos, aber ärgerlich. Gerade im
Luxussegment zeichnen sich solche Oberflächen durch ihre Makellosigkeit
aus und verlieren durch Mikrokratzer an Wert. Ein neuer Lack von
Saarbrücker Forschern soll nun Abhilfe schaffen: Aus Maisstärke
gefertigt ist der Lack wegen der besonderen Anordnung seiner Moleküle in
der Lage, durch Wärme kleine Kratzer selbst zu reparieren. Die
Vernetzung über ringförmige Moleküle macht das Material beweglich,
sodass es die Kratzer ausgleicht und diese wieder verschwinden. Den
neuen Lack entwickelten Experten vom INM gemeinsam mit Wissenschaftlern
der Universität des Saarlandes.
Die Entwickler stellen den Lack
vom 1. bis 5. April auf der diesjährigen Hannover Messe in einer
Live-Demonstration am Stand C54 in Halle 5 vor.
Für die netzartige
Struktur der Lacke verwendeten die Wissenschaftler ringförmige
Abkömmlinge der Maisstärke, sogenannte Cyclodextrine. Diese fädelten sie
wie Perlen auf langkettige Kunststoffmoleküle auf. In den so
entstehenden sogenannten Polyrotaxanen sind die Cyclodextrine auf dem
Kunststofffaden auf bestimmten Streckenabschnitten frei beweglich und
werden durch sperrige Stoppermoleküle am Abfädeln gehindert. Über eine
chemische Reaktion werden die Perlenketten untereinander vernetzt. „Das
entstehende Netzwerk ist beweglich und elastisch wie ein Strumpf“,
erklärt Carsten Becker-Willinger, Leiter des Programmbereichs Nanomere
am INM. Bei Wärmeeinwirkung wandern die Cyclodextrin-Perlen entlang der
Kunststofffäden in den Bereich des oberflächlichen Kratzers zurück und
gleichen so die durch den Kratzer gebildete Lücke wieder aus.
Für
einen funktionsfähigen Lack mit höherer mechanischer Stabilität und
Witterungsbeständigkeit veränderten die Wissenschaftler am INM die
Zusammensetzung der Polyrotaxane durch Zugabe weiterer Inhaltsstoffe,
wie Heteropolysiloxane und anorganische Nanopartikel. So konnten sie
gleichzeitig auch die ursprüngliche Reparaturzeit von mehreren Stunden
auf nur wenige Minuten verringern. „Im Rahmen zahlreicher
Applikationsversuche für unterschiedliche Mischungsverhältnisse in
Kombination mit künstlichen Bewitterungstests untersuchten wir
vorlackierte Oberflächen, auf die wir den neuen Lack als Decklack
auftrugen“, sagt der Chemiker Becker-Willinger. Nun sei es möglich,
Mikrokratzer in nur einer Minute bei 100 Grad Celsius verschwinden zu
lassen. Bei ihren Testreihen berücksichtigten die Wissenschaftler die
üblichen ISO-Richtlinien der Lackindustrie. „Nur wenn wir diese
Normrichtlinien erfüllen, ist eine industrielle Anwendung denkbar“,
fasst Becker-Willinger den aktuellen Stand der Forschung zusammen.
Zurzeit
arbeiten die Wissenschaftler daran, die Produktion des Lackes aus dem
Labormaßstab in den Technikumsmaßstab überzuführen. Erst dann sei die
Grundlage für eine Produktion im größerem Maßstab gelegt. Für den
nächsten Schritt der Umsetzung der Entwicklung in Anwendungen ist das
INM offen für Kooperationen mit interessierten Unternehmen.