Optisch aktive Materialien - Physiker lösen ein über hundert Jahre altes Problem
Mit diesem neuen Ellipsometer wurden die polarisationssensitiven Messungen durchgeführt. Foto: Chris Sturm/Universität Leipzig
Die Orientierung des zum Licht gehörenden elektrischen Feldes wird
allgemeinhin als Polarisation bezeichnet. Obwohl man diese nicht mit dem
bloßen Auge wahrnehmen kann, findet sie im alltäglichen Leben
vielfältig Anwendung. Sie wird zum Beispiel zur Wahrnehmung von
3D-Effekten im Kino oder bei der Vermeidung von Reflexionen ausgenutzt.
Während bei Glas und vielen transparenten Plastiken die Polarisation
nach dem Durchgang des Lichtstrahls erhalten bleibt, kommt es bei
Materialien mit einer sogenannten chiralen Struktur, bei der die
Rechts-Links-Symmetrie gebrochen ist, zu einer Drehung der
Polarisationsrichtung. Diese Materialien werden als optisch aktiv
bezeichnet. Physikern der Universität Leipzig ist bei der Beschreibung
der Eigenschaften dieser Materialien ein Durchbruch gelungen. Ihre
Forschungsergebnisse haben sie jetzt in der renommierten Fachzeitschrift
„Optics Letters“ veröffentlicht.
Die Beschreibung der Eigenschaften optisch aktiver Materialien und
ihre Wechselwirkung mit Licht erfolgt mit sogenannten
Materialgleichungen. Namhafte Physiker haben Anfang des vergangenen
Jahrhunderts unterschiedliche Modelle für diese Gleichungen entwickelt.
Eine experimentelle Überprüfung der Anwendbarkeit und Gültigkeit dieser
unterschiedlichen Gleichungen war bisher mit den üblichen
Transmissions-Experimenten nicht möglich.
Forscher des Felix-Bloch-Institutes der Universität Leipzig um Prof. Dr. Marius Grundmann konnten kürzlich erstmals die Gültigkeit der unterschiedlichen Modelle für die Materialgleichungen - basierend auf experimentellen Ergebnissen – überprüfen. Sie bestimmten die optische Aktivität mit polarisationssensitiven Reflexionsmessungen. Dazu untersuchten sie Kaliumtitanylphosphat, das unter anderem in grünen Laserpointern verwendet wird, und werteten die gemessene Polarisationsänderung des reflektierten Lichtes mit verschiedenen Modellen aus. Es gelang ihnen, in dem Experiment die optische Aktivität des Kaliumtitanylphosphats zu bestimmen. „Bei diesem Versuch handelt es sich um eines der wenigen verfügbaren Experimente dieser Art“, sagt Grundmann. Die Forscher der Universität Leipzig konnten zudem erstmals experimentell belegen, dass nur bezüglich elektrischer und magnetischer Felder symmetrische Materialgleichungen die optischen Eigenschaften und damit auch die optische Aktivität sowie die Wechselwirkung des Lichtes mit dem Material eineindeutig und richtig beschreiben.
Ein typischer Vertreter für ein optisch aktives Material, das in nahezu jedem Haushalt vorhanden ist, ist Zucker. Fruktose oder Glukose können zum Beispiel durch die Richtung ihrer Polarisationsdrehung unterschieden werden. Praktische Bedeutung hat die optische Aktivität unter anderem bei der Bestimmung der Reinheit von Materialien, etwa in Arzneimitteln, die in links- beziehungsweise. rechtshändiger Ausführung sehr verschiedene Wirkungen erzielen können.
Die Arbeiten der Physiker des Felix-Bloch-Institutes wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt. Die experimentellen Arbeiten führten die Wissenschaftler mit einem Großgerät durch, das von der Sächsischen Aufbaubank (SAB) im Projekt "COSIMA" im Rahmen des Programms "Verbesserungen der Forschungsinfrastruktur und Forschungsvorhaben mit jeweils anwendungsnaher Ausrichtung" des sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst bewilligt wurde.