Additive Maschinen lernen Superlegierungen kennen
© Fraunhofer IWS Dresden Mittels Laser-Pulver-Auftragschweißen lassen sich Bauteile aus verschiedenen Materialien integral fertigen. So können spezifische Materialien an genau den Orten platziert werden, an denen deren Eigenschaften benötigt werden. Dies stellt beispielweise leichtere, bessere und kostenreduzierte Schaufeln für Gasturbinen in Aussicht.
Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und Strahltechnik IWS aus Dresden haben innovative Methoden entwickelt, durch die mehr Werkstoffe als bisher in der additiven Fertigung nutzbar sind. So könnten additive Fertigungsanlagen in Zukunft zum Beispiel bessere Flugzeugtriebwerke ermöglichen, die weniger Kraftstoffe verbrauchen. Dafür müssen die Ingenieure allerdings zunächst die aktuell gängigen industriellen 3D-Drucker verbessern, damit diese Maschinen auch sehr feste und extrem hitzebeständige Legierungen verarbeiten können. Dabei stützen sich die Dresdner auf profunde Erfahrungen mit dem Laser-Pulver-Auftragschweißen und setzen Künstliche Intelligenz (KI) ein. Ihre besondere Werkstoffexpertise bringen sie in das Fraunhofer-Verbundprojekt »futureAM« ein. Das Ziel der Verbundpartner: Additive Fertigungsanlagen für Metallbauteile sollen zehn Mal schneller werden und auch mit Superlegierungen zurechtkommen.
Um mehr Materialien in der additiven Fertigung verwenden zu können, haben die Ingenieure des Fraunhofer IWS über Jahrzehnte hinweg das Laser-Pulver-Auftragschweißen verfeinert. In diesem Verfahren fördert eine Anlage verschiedene Zusatzpulver in eine Prozesszone. Dort schmilzt ein Laser die Pulver auf und schweißt sie auf eine Werkstückoberfläche auf. So entsteht Schicht für Schicht die gewünschte Form. »Zu den Vorteilen dieses additiven Verfahrens gehört, dass wir den Prozess sehr flexibel an die Anforderungen von Hochleistungsmaterialien anpassen können«, erklärt Projektadministrator Michael Müller vom IWS. Damit gelinge es zum Beispiel auch, Nickel-Basislegierungen zu drucken, die sich mit traditionellen Verfahren nur schwer schweißen und verarbeiten lassen. Das funktioniert aber nur, wenn Temperatur, Pulversorten, Förderrate und andere Einstellungen genau stimmen. »Wir müssen alle Stellschrauben genau justieren«, erläutert Michael Müller. »Nur so können wir die richtige Rezeptur finden.« Im Rahmen des Fraunhofer Leitprojekts »futureAM – Next Generation Additive Manufacturing« erfassen die Ingenieure des Fraunhofer IWS zu diesem Zweck zahlreiche Sensordaten mit sehr hohen Abtastraten. Dies erzeugt allerdings große Datenmengen (»Big Data«), die für Menschen nur noch schwer zu durchschauen sind.
KI lernt zu entscheiden
Um dennoch verborgene Zusammenhänge in diesen Signalfluten zu finden,
nutzen die Fraunhofer-Experten fortgeschrittene Methoden der
»Künstlichen Intelligenz« (KI) und des »Maschinellen Lernens«, das
ebenfalls unter dem Schlagwort Big Data in einem Arbeitskreis um Prof.
Karol Kozak, Leiter Bildverarbeitung und Datenmanagement am Fraunhofer
IWS, erforscht wird. Spezielle Analyse-Algorithmen verknüpfen
beispielsweise die ausgemessenen Sensorwerte mit der Pulverdatenbank des
Instituts und werten weitere Prozessparameter aus. Mit der Zeit lernen
die Maschinen dadurch, selbstständig Entscheidungen zu treffen. Zum
Beispiel erkennen sie selbst, ob sich ein leichter Temperaturanstieg im
Schweißprozess tolerieren lässt oder ob sie sofort gegensteuern müssen,
bevor das ganze Bauteil zum Ausschuss wird. Das Interesse aus der
Wirtschaft an solchen additiven Fertigungsverfahren der nächsten
Generation ist groß: »Die Industrie sucht nach immer mehr und immer
anderen Werkstoffen, die oft aber nur schwer zu verarbeiten sind«,
betont Prof. Frank Brückner, Geschäftsfeldleiter Generieren und Drucken
am Fraunhofer IWS.
Bessere Flugzeugtriebwerke in Sicht
Ein Beispiel dafür sind die erwähnten Flugzeugtriebwerke: Sie könnten
heißer und effizienter arbeiten, wenn nicht die meisten Materialien bei
Temperaturen um etwa 1200 Grad bereits versagen würden. Zwar existieren
Werkstoffe, die auch derart hohe Temperaturen aushalten, aber sie sind
kostenintensiv und lassen sich nur schwer mit traditionellen Methoden
verarbeiten. Die additive Fertigung soll dieses Dilemma lösen. Zudem
könnte sie für eine günstigere Bauweise sorgen: »Mittels
Laser-Pulver-Auftragschweißens können wir verschiedene Pulver zeitgleich
oder nacheinander mit genau einstellbaren Förderraten in die
Prozesszone bringen«, erklärt Michael Müller. Eine ganze Komponente aus
einem einzigen Material zu konstruieren, ist wenig effektiv, denn das
Bauteil ist nicht an allen Punkten derselben Hitze ausgesetzt. »Besser
wäre es, das teure, hochbeanspruchbare Material nur dort zu verwenden,
wo es richtig heiß wird«, sagt Michael Müller. »An anderen Stellen wäre
ein preiswerteres Material ausreichend.« Eben dies lässt sich mit
additiven Fertigungsanlagen durchaus realisieren – wenn sie gelernt
haben, die benötigten Superlegierungen zu verarbeiten. »Im nächsten
Schritt möchten wir verschiedene Hochleistungsmaterialien innerhalb
einer einzigen Komponente kombinieren« kündigt Projektadministrator
Müller an. Im Verbundprojekt »futureAM« führen das IWS und fünf weitere
Fraunhofer-Institute dieses und weiteres Know-how zusammen, um die
additive Fertigung auf eine neue Stufe zu heben. Bis zum Sommer 2020
wollen sie all diese Expertise in die Prozesskette der additiven
Fertigung integrieren und an handfesten Bauteilen demonstrieren.
Hintergrund: Was ist »Additive Fertigung«?
Die »Additive Fertigung«, englisch auch »Additive Manufacturing« (AM)
genannt, gilt als eine Schlüsseltechnologie für die »Industrie 4.0«:
Sie soll die Vorteile der Massenproduktion und der Manufaktur verbinden
und selbst Einzelstücke (»Losgröße 1«) im industriellen Maßstab noch
profitabel herstellen. Auch können AM-Maschinen sehr komplizierte
Bauteile frei formen, die sich herkömmlicherweise etwa mit klassischen
Fräs- und Drehmaschinen gar nicht herstellen lassen. Dabei bedienen sich
diese Anlagen ähnlicher Prinzipien, wie sie von 3D-Druckern aus der
Kreativ- und Heimwerkerszene bekannt sind: Das gewünschte Bauteil wird
am Rechner entworfen, dieses Computermodell dann eingespeist, woraufhin
ein Heizmodul oder Laser einen Kunststoff erhitzt. Aus dieser
Materialschmelze formt die Anlage Schicht für Schicht das entworfene
Teil. Im Vergleich zu 3D-Druckern für den privaten Gebrauch sind
AM-Produktionsanlagen allerdings weit leistungsfähiger. Sie können
beispielsweise neben Kunststoff auch Metalle und Keramiken verarbeiten,
setzen meist Lasertechnik ein, arbeiten extrem präzise und mit
komplexeren CAD-Modellen.
»futureAM« hebt die additive Fertigung auf eine neue Stufe
Im November 2017 startete das Fraunhofer-Leitprojekt futureAM mit dem
Ziel, die additive Fertigung von Metallbauteilen mindestens um den
Faktor zehn zu beschleunigen. Im Mittelpunkt steht eine ganzheitliche
Sicht auf die digitale und physische Wertschöpfung vom Auftragseingang
bis zum fertigen metallischen 3D-Druck-Bauteil. Zentrales Ziel ist ein
Sprung in eine neue Technologiegeneration der additiven Fertigung. An
diesem Projekt beteiligen sich unter der Führung des Fraunhofer ILT fünf
weitere Fraunhofer-Institute: IWS, IWU, IAPT sowie IGD und IFAM.