Porsche geht mit biobasierten Werkstoffen des Fraunhofer WKI in Kleinserie
© Fraunhofer WKI / Hans-Josef Endres Fahrer- und Beifahrertür sowie der Heckflügel des »Bioconcept-Cars« sind aus einem Naturfasermix hergestellt. Pflanzenfasern als Bestandteile von Bioverbundwerkstoffen sind eine nachhaltige Alternative für leichte Fahrzeugkarosserien.
Der Automobilhersteller Porsche nutzt zum ersten Mal in einem Serienfahrzeug die Vorteile biobasierter Werkstoffe in Herstellung und Anwendung. Der neue 718 Cayman GT4 Clubsport verfügt über Karosseriebauteile aus Biofaser-Verbundwerkstoffen, die im Anwendungszentrum für Holzfaserforschung HOFZET des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut WKI, gemeinsam mit dem IfBB – Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe der Hochschule Hannover entwickelt wurden.
Schaut man auf die Zulassungsstatistiken, werden neue Autos etwa durch bessere Sicherheitsfunktionen und mehr Elektronik immer schwerer. In Kauf nimmt man dabei ein höheres Gewicht und dadurch mehr Verbrauch. Beides läuft dem generellen Ziel einer CO2-Reduzierung entgegen. Auch bei E-Autos spielt das Gewicht eine große Rolle – denn um die für den Kauf kritische Reichweite von E-Autos zu erhöhen, braucht es größere und damit schwerere Batterien. Wirkliche Effizienz geht auch bei E-Autos dann nur mit neuen Entwicklungen im Leichtbau. Laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey muss der Anteil von Leichtbauteilen in Autos bis zum Jahr 2030 von 30 auf 70 Prozent steigen, um das höhere Fahrzeuggewicht durch E-Antrieb und Motortechnik zu kompensieren. Die Lösung dafür sind bisher Leichtbaustähle – und mit Kohlenstofffasern verstärkte Kunststoffe. Doch diese Lösung bringt auch Nachteile mit sich. Zum einen sind die technischen Herausforderungen bei Verarbeitung, Reparatur und Recycling sehr hoch. Zum anderen ist die Herstellung dieser Materialien sehr energieintensiv, was den positiven Umweltaspekt der Gewichtsersparnis wieder eintrübt.
Gute Ergänzung zu Carbonfasern
Das Fraunhofer WKI stellte sich daher die Frage, ob es nicht andere
Faserstoffe gibt, mit denen sich Gewichtseinsparungen bei Bauteilen
realisieren lassen, damit die Stärken von etwa Carbonfasern nur dort
genutzt werden, wo sie strukturell von Vorteil sind. So untersuchten die
Forscherinnen und Forscher ausreichend verfügbare ökologische
Materialien nach ihren technischen Eigenschaften, ihrer Verfügbarkeit
und Wirtschaftlichkeit. Denn eine für die Industrie umsetzbare Lösung
muss positive Effekte in technischer, ökologischer und ökonomischer
Hinsicht bieten.
Als Lösung präsentierte sich naturfaserverstärkter Kunststoff.
Pflanzenfasern als Bestandteile von Bioverbundwerkstoffen sind eine
nachhaltige Alternative für leichte Fahrzeugkarosserien. Durch den
biogenen Anteil verbessern sie die ökologische Bilanz der industriellen
Hochleistungsverbundwerkstoffe während der Herstellungs-, Gebrauchs- und
Entsorgungsphase.
Auch aus wirtschaftlicher Sicht ist der Einsatz von nachwachsenden
Rohstoffen vorteilhaft, denn Naturfasern aus Flachs, Hanf, Holz oder
Jute sind günstiger als Carbonfasern und benötigen weniger Energie bei
der Herstellung. Die Vorzüge der Gewichtsersparnis werden also nicht
teuer erkauft.
Hinzu kommen noch Vorteile in der industriellen Verarbeitung – und
der Anwendung im Fahrzeug, denn durch ihre natürlich gewachsene Struktur
bieten die Bioverbundwerkstoffe gute akustische Dämpfungseigenschaften
und eine geringe Splitterneigung, was bei Unfällen von Vorteil ist.
Porsche geht in Serie
Diese Argumente überzeugten auch Porsche. Gemeinsam mit Porsche
Motorsport erprobten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des
Fraunhofer WKI zunächst am rollenden Entwicklungslabor des deutschen
Rennteams »Four Motors« bei einem Porsche Cayman GT4 Clubsport
biobasierte Werkstoffe unter Extrembedingungen auf deren
Serientauglichkeit.
»Das »Bioconcept-Car« ist seit 2015 bereits in dritter Generation auf
der Rennstrecke unterwegs. Die Untersuchungen verbinden dadurch den
Vorteil extremer Belastungen mit einem Fahrzeug, das modifiziert auch
für die Straße zugelassen ist. Durch die Zusammenarbeit mit der Porsche
AG kann die Entwicklung außerdem unter den realen Bedingungen eines
Automobilherstellers erfolgen«, so Ole Hansen, Projektleiter am
Anwendungszentrum für Holzfaserforschung HOFZET des Fraunhofer WKI.
Ȇber die letzten vier Jahre hinweg konnten wir so die
Materialeigenschaften kontinuierlich verbessern.«
Von Beginn an sah auch das Bundesministerium für Ernährung und
Landwirtschaft BMEL die Vorteile von Naturfasern und begleitet das
Projekt bis heute als strategischer Partner. Über die Fachagentur
Nachwachsende Rohstoffe e.V. FNR. fördert das BMEL die Entwicklung
biogener Leichtbauteile im Rahmen des Förderprogramms »Nachwachsende
Rohstoffe«.
Diese jahrelangen Erfahrungen beim »Bioconcept-Car« flossen in die
Materialentwicklung für die Bauteile des neuen 718 Cayman GT4 Clubsport
ein, des ersten in Serie produzierten Autos, das über Karosserieteile
aus einem Biofaser-Verbundwerkstoff verfügt. Fahrer- und Beifahrertür
sowie der Heckflügel sind aus einem Naturfasermix hergestellt. Mit 1320
Kilogramm ist der Cayman ein echtes Leichtgewicht. Hier kommt die im
Vergleich mit Stahl hohe Gewichtseinsparung von bis zu 60 Prozent bei
den Türen durch Bioverbundwerkstoffen zum Tragen.
Der Verbundstoff besteht aus einem duroplastischen, polymeren
Matrixsystem, das mit Naturfasern verstärkt wird. Verwendet wird
Naturfasergewebe, da es gut verfügbar, zugfest, besonders fein, homogen,
und drapierfähig ist – und sich damit gut an die Bauteilformen anpassen
lässt. Mit den so exakt herstellbaren Abmessungen ist eine problemlose
und qualitätssichernde Verarbeitung auch in der Kombination mit den
anderen, herkömmlich hergestellten Bauteilen möglich.
Grundlage für die Großserienproduktion
Dies ist eine wichtige Grundlage für die mögliche
Großserienproduktion. Darüber hinaus hat das Fraunhofer WKI aber auch
weitere Faktoren dafür in die Betrachtung einbezogen – unter anderem
Verwertungsstrategien und Recyclingkonzepte sowie Up-scaling-Ansätze für
die in höherer Stückzahl zu produzierenden Bauteile.
»Nach den ausgiebigen Tests unter Extrembedingungen auf der
Rennstrecke haben wir unsere Komponenten immer weiter evaluiert – mit
dem Ergebnis, dass die ökologisch vorteilhaften Biowerkstoffe das
Potenzial einer Serienherstellung erfüllen«, ergänzt Ole Hansen.
Die Praxistauglichkeit getestet haben zumindest auch schon einmal
Smudo, der Frontmann der »Fantastischen Vier« und dauerhafter Pilot des
»Bioconcept-Cars« von Four Motors, sowie eine besondere Beifahrerin bei
einer Testfahrt auf dem Nürburgring im August letzten Jahres: die
Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner.