Otto von Guericke-Preis 2019: Neuartiger Einsatzstahl unter den drei besten IGF-Projekten des Jahres
© Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien - IWT
Mit ihrer Forschung an einem neuartigen Einsatzstahl gehören der Werkstofftechniker Dr.-Ing. Holger Surm vom Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien - IWT und sein Team zu den drei besten Projekten der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) 2019 und damit zu den Finalisten bei der Preisverleihung des Otto von Guericke-Preises in Berlin.
Der
Bremer Werkstofftechniker Dr.-Ing. Holger Surm vom Leibniz-Institut für
Werkstofforientierte Technologien – IWT war im Finale bei der
diesjährigen Verleihung des Otto von Guericke-Preises am 13. November in
Berlin mit seinem Team dabei. Surm und seine Kollegen Clemens Neipp von
der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen und Christian
Weber von der Technischen Universität Münchenüberzeugten mit
ihrer Arbeit zum Thema ‚Entwicklung von höchstfesten Stählen für
alternative Wärmebehandlungen von Bauteilen im Kfz-Antriebsstrang‘ die
Jury. „Der Otto von Guericke Preis würdigt herausragende Projekte der
Anwendungsforschung“, so Surm. „Deshalb freut es mich sehr, dass die
Jury unser Vorhaben zu den besten drei IGF-Projekten 2019 zählt.“ Der
Otto von Guericke-Preis der AiF wird seit 1997 jährlich vergeben. Mit
diesem Preis würdigt die AiF Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Industriellen
Gemeinschaftsforschung (IGF).
Das Forschungsprojekt widmet sich
Fragestellungen des massiven Leichtbaus. „Das Forschungsthema massiver
Leichtbau bietet großes Potenzial für die Automobilindustrie“, so
Professor Hans-Werner Zoch, geschäftsführender Direktor des Leibniz-IWT.
„Der neu entwickelte Einsatzstahl ist ein weiterer Schritt, um Autos
leichter und somit energieeffizienter zu machen. Ich freue mich sehr,
dass die Jury des Otto von Guericke-Preises die Möglichkeiten dieses
Stahls erkannt hat.“ Denn Autos werden zwar immer sicherer und
komfortabler, dadurch aber auch zunehmend schwerer. Doch Leichtbau wurde
bisher fast nur im Karosseriebereich umgesetzt. Im Antriebsstrang z.B.
ist es bis heute zu keinen vergleichbaren Gewichtseinsparungen gekommen
und das, obwohl Studien zeigen, dass hier 77 % der Bauteile ein
deutliches Gewichtseinsparpotenzial besitzen.
Hier setzen Surm und
seine Kollegen an. Ein erster Schwerpunkt lag hierbei auf der
Entwicklung und Optimierung von Stählen mit höherer Beanspruchbarkeit
für Leichtbauanwendungen im Antriebsstrang. Dazu wurden großtechnisch
bereits eingeführte Einsatzstähle bezüglich ihrer chemischen
Zusammensetzung und Wärmebehandlung so modifiziert, dass das Potenzial
ihres Eigenschaftsprofils in weit höherem Maße als bisher ausgenutzt
wird. Zudem wurden großserientaugliche neue Werkstoffkonzepte durch
Mikrolegierung gezielt auf das erfolgversprechende
Wärmebehandlungsverfahren Carbonitrieren abgestimmt, die zu einer
höheren Bauteilbeanspruchbarkeit führen. Die Bewertung des gesteigerten
Leichtbaupotenzials erfolgte anhand des Bauteils Zahnrad in
umfangreichen experimentellen Tragfähigkeitsuntersuchungen.
Der in
dem Vorhaben neuentwickelte Einsatzstahl 18CrNiMoVNb7-6 ergab in
umfangreichen Untersuchungen eine signifikante Steigerung der
mechanischen Kennwerte und eine relative Gewichtseinsparung von 26% zu
herkömmlichen Stählen. Was bereits nach einer deutlichen Einsparung
klingt, kann sogar noch weiter ausgebaut werden. Denn neben der primären
Gewichtsreduktion am Zahnrad können weitere Bauteile ebenfalls von dem
neuen Einsatzstahl profitieren und weiteres Gewicht einsparen.
Für
Dr. Winfried Gräfen von der Hannoveraner Hanomag Lohnhärterei und
gleichzeitig Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Wärmebehandlung und
Werkstofftechnik e. V. (AWT) liegt klar auf der Hand, wie wichtig die
IGF für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) ist: „Die
Projektergebnisse eröffnen uns ganz neue Markt- und Kundenpotenziale.
Als mittelständisches Unternehmen hätten wir uns derartige Forschungs-
und Entwicklungsarbeiten ohne die Mitarbeit in der IGF weder personell
noch finanziell leisten können.“
Auch für die Anwendung in der
Praxis bietet der neue Einsatzstahl großes Potenzial. Surm und seine
Kollegen haben ihr Forschungsprojekt so angelegt, dass der neue
Werkstoff auf bereits etablierten Werkstoff- und Bearbeitungsprozessen
aufbaut. Dadurch sind für die Herstellung nur vergleichsweise geringe
Investitionen notwendig. Gleichzeitig eröffnen sich Firmen in der
Stahlindustrie dadurch neue Kunden- und Marktpotentiale.
Rainer
Salomon, Geschäftsführer der FOSTA – Forschungsvereinigung
Stahlanwendung e. V., stellt fest, dass die Ergebnisse des IGF-Projekts
weit über die Entwicklung eines optimierten Einsatzstahles hinausgehen.
„In Verbindung mit dem Innovationsnetzwerk Massiver Leichtbau konnten
wir sehr gute Ansatzpunkte finden, um Innovationshemmnisse zu
überwinden.“
Einen dreiminütigen Film zum Projekt finden Sie auf der Website der AiF in der Mediathek unter
https://www.aif.de/videos/2019/leichte-antriebe-i.
Die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V. (AiF) Die AiF (Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V.) ist das Forschungsnetzwerk für den deutschen Mittelstand. Sie fördert Forschung, Transfer und Innovation. Als Dachverband von 100 gemeinnützigen Forschungsvereinigungen mit mehr als 50.000 eingebundenen Unternehmen und 1200 beteiligten Forschungsstellen leistet sie einen wichtigen Beitrag, die Volkswirtschaft Deutschlands in ihrer Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu stärken.