Additive Fertigung hochbeanspruchter Antriebsbauteile
Mechanisch und thermisch hochbelastete Bauteile in
Verdichtern, Turbinen oder Flüssigkeitsraketentriebwerken stellen die noch
junge additive Fertigung („3D-Druck“) und additiv-gefertigte Materialien vor
höchste Herausforderungen.
In modernen Antrieben für Boden- und Luftfahrzeuge oder Flüssigtreibstoffraketen werden heute hochentwickelte schnelllaufende Bauteile aus leistungsfähigen Werkstoffen unter Bedingungen höchster mechanischer und thermischer Belastungen eingesetzt. Turbopumpenlaufräder (engl. „shrouded impellers“) sind zum Beispiel kritische Antriebskomponenten in Raketentriebwerken, deren Aufgabe es ist, den in den Tanks bei geringem Druck mitgeführten Treibstoff (z.B. flüssiger Wasserstoff oder flüssiges Methan) mit hohem Druck zur Brennkammer des Raketentriebwerks zu fördern. In Wellenleistungstriebwerken von Hubschraubern werden hingegen Radialverdichter (Zentrifugalkompressoren) eingesetzt, die sich durch hohe Druckverhältnisse auszeichnen. In deutlich kleinerer Form werden Radialverdichter und Turbinenräder im Kraftverkehr bei Abgasturboladern verwendet.
Seit einigen Jahren werden am Institut für Werkstoff-Forschung in der Abteilung Metallische Strukturen und Hybride Werkstoffsysteme im Rahmen verschiedener Projekte Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zur additiven Fertigung (engl. „Additive Manufacturing“, AM) durchgeführt. Das vornehmlich eingesetzte Verfahren ist dabei das selektive Laserschmelzen aus dem Pulverbett (engl. „Laser Powder Bed Fusion“, LPBF), bei dem Bauteile Schicht-für-Schicht „generativ“ aus feinen Metallpulvern erzeugt werden. Mit diesem Verfahren ist es möglich, größere Designfreiheiten zu ermöglichen oder Baugruppen, die bislang aus mehreren Bauteilen zusammengefügt werden, in einer Komponente zu realisieren. Der Aufwand skaliert bei additiven Verfahren im Gegensatz zu konventionellen Herstellungsprozessen (z.B. 5-Achsfräsen oder Feinguss) weniger mit einer zunehmenden Komplexität von Bauteilgeometrien.
Für hochbelastete, rotierende Bauteile kommen Leichtbau-Konstruktionswerkstoffe wie Aluminium-, Titan- und intermetallische Legierungen zum Einsatz. Kommerziell erhältliche Legierungen wie z.B. Ti-6Al-4V sind mit industriellen LPBF-Anlagen zu verarbeiten und halten bereits bei belasteten Komponenten in der Luftfahrt Einzug [1]. Im Bereich der Hochtemperaturwerkstoffe für den Leichtbau besteht großer Bedarf an neuen Materialentwicklungen. So werden aufgrund ihrer sehr hohe Festigkeiten am DLR z.B. ultrafeine eutektische Legierungen basierend auf dem Ti-Fe System (mit geringen Anteilen an Sn und Nb) oder auch Titanaluminide für ihren Einsatz bei erhöhten Temperaturen weiterentwickelt [2].
Im Rahmen des DLR-Projekts "SeLEC - Selective Laser Melting von Raketentriebwerkskomponenten" wurde am Institut für Werkstoff-Forschung eine vollständige Fertigungskette für Turbopumpenlaufradräder aus Ti-6Al-4V entwickelt. Konzipiert wurde das Pumpenlaufrad als Technologiedemonstrator für einen Flüssigkeitsraketenantrieb einer Raketenoberstufe, wobei Konstruktion und Auslegung am DLR Institut für Raumfahrtantriebe (Lampoldshausen) durchgeführt wurde. Die Fertigungskette für die Herstellung aus Ti-6Al-4V umfasste sämtliche Aspekte von der Pulver- und Materialcharakterisierung, der LPBF-Prozessentwicklung, der Bauteilstrategie bis hin zur Nachbearbeitung und Qualitätssicherung. Zur Validierung der Impeller wurden drei Schleudertests bei 62.000 U/min oberhalb der typischen Betriebsgeschwindigkeiten durchgeführt. Im abschließenden Bersttest trat trotz des Erreichens von Rotationsgeschwindigkeiten oberhalb von 166.000 U/min kein Bauteilversagen ein. Das Material widerstand den enormen Zentrifugalkräften und es trat während der Hochgeschwindigkeitstests nur elastische Verformungen auf.
Bei additiven Fertigungsverfahren treten sehr hohe Erstarrungsgeschwindigkeiten auf, welche weitgehend über die gesamte Bauteilgröße erhalten bleiben. Dies ist die wesentliche Grundvoraussetzung für die Herstellung von Bauteilen aus hochfesten Werkstoffen mit ultrafein-eutektischem Gefüge. Im Rahmen des vom BmBF geförderten Projektes „ELAM – Ultrafine Eutektische Legierungen für AM“ werden gemeinsam mit der Fa. G+L innotec und anderen Forschungspartnern wie z.B. Access e.V. Turbolader-Verdichterräder aus Ti-Fe-Legierungen mittels LPBF hergestellt. Diese, auch für den Leichtbau in der Automobilindustrie relevante Komponenten, werden für Drehzahlen von 170.000 U/min entwickelt. Bauteile aus Ti-Fe-Legierungen, wie z.B. Ti-28Fe-9Sn-4Nb (Gew.-%), können nicht mit Standard-LPBF-Produktionsanlagen gefertigt werden, welche in der Regel auf eine Bauplattentemperatur von 200 °C begrenzt sind. Vorheiztemperaturen von mindestens 700 °C sind notwendig, um den Werkstoff rissfrei herstellen zu können.
Extrem hohe Rotationsgeschwindigkeiten treten auch in einer Turbolader-Turbine auf. In einem weiteren vom BmBF geförderten Projekt „OLEMIC - Optimierte Laser- und Elektronenstrahl-basierte additive Fertigung von Komponenten aus intermetallischen Hochleistungswerkstoffen“ wird in Kooperation mit der University of British Columbia und der Fa. G+L innotec die Herstellung von Leichtbau-Turbinenräder aus der γ-TiAl-Legierung Ti-48Al-2Nb-2Cr (At.-%) mittels Hochtemperatur-LPBF betrachtet. Nicht nur der Werkstoff und die Geometrie der filigranen Schaufeln mit Überhängen stellen höchste Anforderungen an die LBPF-Prozessstrategie. Die deutlich höheren Prozesstemperaturen, ebenso für TiAl Legierungen benötigt werden, erfordern eine sehr gute Prozessführung und hochreine Gasatmosphäre, um eine gute Materialqualität zu erzielen und Sauerstoffeinträge während der Bauvorgänge auszuschließen.
Die additive Fertigung ist eine noch relativ junge Technologie, die an ihren Herausforderungen bei hochbelasteten Bauteilen wächst. Leistungssteigerungspotentiale durch strukturellen Leichtbau und neue Hochtemperaturlegierungen werden zunehmend erkannt. Entwicklungen auf der Kostenseite durch zunehmende Reifung der Anlagentechnologien, Skalierung der Pulverherstellung und Optimierung der Fertigungsketten werden entscheidend sein um die Vorteile durch die additive Fertigung voll ausschöpfen zu können.
Literaturverzeichnis
- S. Singamneni et al. “Additive Manufacturing for the Aircraft Industry: A Review”, J. Aeronaut. Aerospace Eng., 8(1) (2019) 215; R. Liu, Z. Wang, T. Sparks, F.Liou, J. Newkirk, “13 Aerospace applications of laser additive manufacturing”, in “Laser Additive Manufacturing” M. Brandt, Woodhead Publishing (p. 351-371).
- L.-C. Zhang et al., “Ductile ultrafine-grained Ti-based alloys with high yield strength”, 91(5) (2007) 051906.
Institut für Werkstoff-Forschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR)
Tätigkeitsschwerpunkte
- Forschung, Material- und Prozessentwicklung (R&D)
- Herstellung, Bewertung und Materialanalysen
- Beratungen
Branchen- und Technologiefelder
- Luft- und Raumfahrt
- Automotive und Energie
Wichtigste Regionen für die eigene Wertschöpfung (Entwicklung/Produktion/Märkte)
- DACH Region
- EU, v.a. Frankreich, Italien, Spanien
Abbildung 1: (a) Additiv gefertigter Impeller mit
Deckscheibe aus Ti-6Al-4V (vor der Nachbearbeitung der Innenflä-chen; Quelle:
DLR). Das Design wurde von Dr. W. Kitsche (DLR Institut für Raumfahrtantriebe,
Lam-poldshausen) entwickelt. (b) LPBF-Ti-6Al-4V-Impeller in der
Schleudertestvorrichtung (Quelle: Schenck-Rotec GmbH).
Abbildung 2:
LPBF-Verdichterrad aus Ti-29.8Fe8.9Nb (Gew.-%) (Quelle: DLR).