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Hochtemperatur-Leichtbau „Made in NRW“

Hochtemperatur-Leichtbau ist ein wichtiger Beitrag zur Energieeffizienz. Das DLR entwickelt Faserverbundwerkstoffe aus Oxidkeramik für Flugzeugtriebwerke. Die aus dem DLR ausgegründete Firma WPX-Faserkeramik GmbH adressiert den Markt der industriellen thermischen Prozesstechnik.

Eine Mission des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist die Forschung und Entwicklung für nachhaltige Mobilität, insbesondere im Bereich des Luftverkehrs. In Köln-Porz beschäftigt sich das DLR-Institut für Werkstoff-Forschung mit innovativen Werkstoffen, die einen signifikanten Beitrag zu einem energieeffizienteren und nachhaltigeren Luftverkehr leisten sollen. Der Kraftstoffverbrauch eines Flugzeugtriebwerks kann maßgeblich durch die optimierte Verbrennung des Treibstoffs bei hohen Temperaturen gesenkt werden. Darüber hinaus verbessert jede Gewichtsreduktion die Energiebilanz. Seit mehreren Jahren rücken hochtemperaturbeständige Werkstoffe mit niedrigem spezifischem Gewicht in den Fokus der Triebwerksentwickler. High-Tech-Keramiken wie z.B. Aluminiumoxid könnten diese Anforderungen erfüllen: Sie sind thermisch hoch belastbar und gleichzeitig „leicht“ im Vergleich zu den meisten Metallen. Aber im Vergleich zu metallischen Werkstoffen haben Keramiken einen deutlichen Nachteil: sie sind kaum verformbar und brechen spröde, was ihren Einsatz in sicherheitsrelevanten Umgebungen wie einem Flugzeugtriebwerk praktisch ausschließt. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bieten keramische Faserverbundwerkstoffe, die sowohl die hohe Temperaturbeständigkeit von Keramik als auch ein nicht sprödes Bruchverhalten vereinen. Eine Hauptrolle spielen dabei eingebettete Verstärkungsfasern, welche wie in Glasfaser- bzw. Kohlefaser-Verbundwerkstoffen (GFK, CFK) ein nichtsprödes Bruchverhalten, ähnlich dem von Holzwerkstoffen, bewirken. Das DLR-Institut für Werkstoff-Forschung befasst sich seit Jahren mit der Entwicklung von keramischen Faserverbundwerkstoffen aus Oxidkeramik. Die meist eingesetzte Variante besteht aus kontinuierlichen Aluminiumoxidfasern die in einer porösen Matrix aus Aluminiumoxid eingebettet sind. (Abbildung 3, Falschfarbendarstellung).

Ihre Herstellung erfolgt nach zwei Prinzipien: zum einen werden Keramikfasergewebe mit einer flüssigen Matrixvorstufe infiltriert und Lage für Lage laminiert. Zum anderen können auch „endlose“ Bündel von Keramik-fasern infiltriert und auf einem Kern aufgewickelt werden, was insbesondere für eine skalierbare Serienfertigung von Bauteilen die Methode der Wahl ist. Dieses Wickelverfahren ist auch Namensgeber des beim DLR bis zur industriellen Reife entwickelten Werkstoffs WHIPOX™ (Wound Highly Porous Oxide). Die Konsolidierung erfolgt durch Trocknen der Matrixvorstufe (einer Dispersion von feinen Aluminiumoxidpulvern), und anschließender Wärmebehandlung bei bis zu 1300°C („Sintern“). Nach dem Sintern können die Formkörper vergleichsweise einfach auf die gewünschte Endkontur nachbearbeitet werden.

Faserverbundwerkstoffe aus Oxidkeramik zeigen eine einzigartige Kombination von hoher Temperatur- und Temperaturwechselbeständigkeit, Oxidations- und Korrosionsbeständigkeit, elektromagnetischer Transparenz und elektrischer Isolationsfähigkeit, geringem Gewicht und hoher Wärmeisolation. In Kooperation mit namhaften Partnern wurden Prototypen von Komponenten für Flugtriebwerke entwickelt, gefertigt und ersten Tests unterzogen. Aber auch für Raumfahrtmissionen wie z.B. die DLR-Mission „SHEFEX“ (Sharp-Edge-Flight-Experiment, Abbildung 1) oder für den ESA-Raumtransporter „ATV Jules Verne“ wurden Leichtbau-Thermalschutzsysteme aus oxidkeramischen Faserverbundwerkstoffen entwickelt. Dabei spielte ihre elektromagnetische Transparenz bei der Übertragung von Telemetriedaten während des Wiedereintritts der Raumfahrzeuge in die Erdatmosphäre eine zentrale Rolle.

Aufgrund ihrer einzigartigen Materialeigenschaften liegt auf der Hand, dass Faserverbundwerkstoffe aus Oxidkeramik nicht nur für „himmlische“ Hochtechnologie, sondern auch für „irdische“ Anwendungen höchst attraktiv sind. Besonders aufgrund ihrer Thermowechselbeständigkeit und niedrigen Wärmekapazität eignen sie sich ausgezeichnet für die industrielle thermische Prozesstechnik, beispielsweise zum Aufbau von Leichtbau-Chargiergestellen. In diesem Kontext bezieht sich der Begriff „Leichtbau“ nicht nur auf das absolute Gewicht, sondern auch auf die geringe „thermische Masse“. Die geringe thermische Masse der Chargiergestelle (Abbildung 2) hat zur Folge, dass die Prozesswärme im Wesentlichen den Produkten zugutekommt, also effizienter genutzt werden kann, und darüber hinaus die Produkte schneller und kontrollierter „abgeschreckt“ werden können, und somit verbesserte Materialeigenschaften wie Oberflächenhärte und Zähigkeit aufweisen. Die elektromagnetische Transparenz der Faserverbundwerkstoffe aus Oxidkeramik, kann zum induktiven Beheizen von metallischen Produkten genutzt werden. Zum Transfer der beim DLR entwickelten Faserverbundwerkstoffe aus Oxidkeramik in industrielle Märkte außerhalb der Luft- und Raumfahrt wurde von Mitarbeitern des DLR im Jahr 2007 die WPX Faserkeramik GmbH gegründet und die WHIPOX™-Technologie lizensiert. Die anfängliche Minderheitsbeteiligung des DLR wurde routinemäßig nach zehn Jahren beendet, so dass beide Organisationen seit 2017 vollständig eigene Akteure sind, jedoch weiterhin auch in einzelnen F&E-Projekten zusammenarbeiten. Das Portfolio der in Troisdorf ansässigen WPX Faserkeramik GmbH umfasst Projektentwicklung, Prototypenentwicklung und Herstellung von Serienbauteilen rund um industrielle Anwendungen von WHIPOX™. In einem skalierbaren Prozess werden kundenspezifische Bauteile für namhafte Automobil- und Luftfahrtzulieferer entwickelt und industriell gefertigt. Dabei stehen die Steigerung der Energieeffizienz und der Prozessqualität durch Substitution von warmfesten Stählen durch diese Hochtemperatur-Leichtbauwerkstoffe im Fokus.

Die aktuellen Arbeiten werden sowohl durch die Erschließung neuer Anwendungsfelder als auch der Entwicklung von intelligenten, automatisierbaren Fertigungsprozessen geprägt: Produktivitätssteigerung durch Digitalisierung ist auch für diese Leichtbauwerkstoffe ein „heißes“ Forschungsthema.

Institut für Werkstoff-Forschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) und WPX Faserkeramik GmbH (WPX)

Tätigkeitsschwerpunkte

  • Forschung, Entwicklung, Beratung (DLR)
  • Entwicklung, Produktion, Beratung (WPX)

Branchen- und Technologiefelder

  • Luftfahrt, Raumfahrt (DLR)
  • Energietechnik, Verkehr, Sicherheit (DLR)
  • Industrielle Verfahrenstechnik (WPX)

Wichtigste Regionen für die eigene Wertschöpfung (Entwicklung/Produktion/Märkte)

  • DACH Region
  • EU

www.dlr.de/wf

www.wpx-faserkeramik.de

Abbildung 1: Thermalschutzkachel und Antennenabdeckung für DLR Flugkörper SHEFEX-II

Abbildung 2: Leichtbau-Chargiergestell für die Wärmebehandlung von Metallteilen, WPX Faserkeramik GmbH

Abbildung 3: Faserverbundwerkstoff aus Oxidkeramik: Aluminiumoxid-Fasern in poröser Aluminiumoxid-Matrix (Falschfarben)

Bildergalerie

Quelle: NMWP-Magazin