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Insekten auf die Couch – Aber digital!

Die automatisierte Verhaltensanalyse von Insekten und anderen Kleinstlebewesen eröffnet neue Wege für Testeffizienz, Produktsicherheit und Nachhaltigkeit in der Chemie- und Pharmaindustrie sowie für den Umweltschutz.

Verhaltensanalyse von Insekten und Kleinstlebewesen?

Wenn man an die Verhaltensanalyse von Tieren denkt, fällt einem als erstes Jane Goodall und Ihre Untersuchung zum Sozialverhalten von Schimpansen ein. Im Gegensatz dazu ist es nahezu unbekannt, dass auch das Verhalten von Insekten und Kleinstlebewesen messbar ist. Vermutlich sind Insekten die am meisten unterschätzte Tiergruppe der Welt. Dabei gibt es sie seit der Zeit der Dinosaurier und noch heute sind etwa die Hälfte aller Tierarten auf der Welt Insekten. Ohne die nützlichen Insekten wäre die Obst- und Gemüseabteilung im Supermarkt sehr leer, der Blumenstrauß recht trist und unsere Umwelt kaum bewohnbar (s. Abb. 1 A-J). Auch in der Forschung und bei Umweltanalysen spielen Insekten eine große Rolle. In evolutionärer Hinsicht sind sich Menschen und Insekten sehr ähnlich: Die Fruchtfliege, Drosophila melanogaster, besitzt mehr als 70% der Gene, die beim Menschen an der Entstehung und dem Verlauf von Krankheiten wie z.B. Krebs, Demenz oder Parkinson beteiligt sind. Sie wird daher seit mehr als 100 Jahren als Modellorganismus für entwicklungsbiologische, genetische und medizinische Forschungen genutzt. Die reduzierte Komplexität der Fruchtfliege ermöglicht es genetische Veränderungen, z.B. durch die CRISPR Technologie, oder äußere Einflüsse direkt mit Verhaltensänderungen zu korrelieren. Diese direkte Korrelation ist bei uns Menschen nicht so einfach möglich.

Dennoch sind auch wir Menschen ständig äußeren Einflüssen ausgesetzt – besonders durch den technologischen Fortschritt. Einigen sind wir uns bewusst, wie z.B. Hormone in Medikamenten, andere nehmen wir eher unbewusst auf, wie Pflanzenschutzmittelrückstände auf der Nahrung, Weichmacher aus der Plastikflasche oder Mikroplastik aus dem Wasser. Jedes neue Produkt muss während der Entwicklung auf seine Unbedenklichkeit getestet werden. Doch leider fallen bei den momentan verwendeten Testmethoden immer wieder potentiell für den Menschen schädliche Stoffe durch das Raster. Das liegt vor allem an den stark vereinfachten Analysen an Tiermodellen, die meist nur einfache Fragen beantworten: Wie viele Tieren haben überlebt? Oder wie hoch ist die Anzahl der Nachkommen?

qubeto verfolgt einen digitalen und automatisierten Lösungsansatz, der auf den Veränderungen des Verhaltens von Insekten (und anderen Kleinstlebewesen) basiert. Dafür wurde eine patentierte Testplattform entwickelt, die aus einer Hard- und Softwarekomponente besteht. Bei der Erzeugung der Bilddaten nutzt qubeto eine spezielle Beleuchtungstechnik, die eine Art optischen Touchscreen darstellt. Durch diese Entwicklung ist es möglich, detaillierte, kontrastreiche und rauschfreie Aufnahmen von Fruchtfliegenlarven und anderen Kleinstlebewesen zu erzeugen (s. Abb. 1, K-T). Aufgrund der Detailgenauigkeit können diese Aufnahmen mit Hilfe der von qubeto entwickelten Software FIMTrack, basierend auf neusten Computer Vision und Machine Learning Algorithmen, präzise analysiert und das Bewegungsmusters automatisch detektiert werden. Durch die Kombination dieser Produkte können deutlich komplexere Fragestellungen als zuvor beantwortet werden. Dies verbessert die Klassifikation der äußeren Einflüsse bei höherer Effizienz und einer signifikanten Kostenreduktion im Vergleich zu den bisher verwendeten Methoden. Durch die Arbeit an Insekten und Kleinstlebewesen werden die Daten zusätzlich im Einklang mit der 3R-Richtlinie (Replace, Reduce, Refine) erzeugt. Dabei werden Tierversuche an Mäusen, Fischen und anderen Wirbeltieren verringert oder sogar komplett ersetzt.

Durch die beschriebene Lösung eröffnet qubeto neue Wege für eine höhere Testeffizienz, Produktsicherheit und Nachhaltigkeit von neuen Produkten und Substanzen.

Vielfältige Anwendungsbereiche für Verhaltensanalysen

In den vergangenen Jahren haben wir unsere patentierte Plattform in Zusammenarbeit mit dem Institut für Neurobiologie und dem Institut für Informatik an der Universität Münster entwickelt und ausgiebig an der Fruchtfliege getestet. Unsere Lösung kann auf Analysen von allen chemischen Substanzen übertragen werden, wie z.B. Pflanzenschutzmitteln, Düngemitteln oder Farben und Lacke.

Akademische Kooperationen mit dem Universitätsklinikum Münster und dem Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin haben uns gezeigt, dass nicht nur Insekten, sondern auch andere Organismen, wie z.B. Zebrafischlarven oder Wasserflöhe als Modellorganismen mit unserer Plattform analysiert werden können (s. Abb. 1 K-T). Diese Modellorganismen werden bereits seit Jahren für die Erforschung von unterschiedlichsten Krankheitsmodellen, wie z.B. Epilepsie, benutzt. Aus diesem Grund sehen wir auch großes Potential das Wirkstoffscreening in der Pharmaindustrie mit unserer Technik beschleunigen zu können. Ein weiterer Anwendungsbereich in dem unsere Technik neue Standards setzen kann, ist die Umweltunbedenklichkeitsuntersuchung von Wasserproben. So können wir das Verhalten von Indikatorarten wie Mückenlarven oder Wasserflöhen (s. Abb. 1 Q-S) digital klassifizieren und damit u.a. den Einfluss von Abwasser oder Mikroplastik auf verschiedene Kleinstlebewesen durch unsere Technik messen.

Wir bei qubeto sind überzeugt, dass es noch viele weitere nützliche Anwendungsbereiche für unsere Lösung gibt. Falls wir Ihr Interesse geweckt haben, melden Sie sich gerne bei uns.

Autoren
Dr. Matthias Kiel, Dr. Till Matzat, qubeto GmbH

qubeto GmbH

Technologie

  • Biotechnologie
  • Computer Vision und KI

Innovation / USP

  • patentierte Bildgebung
  • Big Data für beschleunigte Wirkstoffscreenings

Zielmärkte

  • Chemie- und Pharmaindustrie
  • Umweltanalytik

www.qubeto.de

Abbildung1: Beispiele von Insekten die nützlich für den Menschen sind (A-J). A, Bestäuber: Honigbiene (Apis mellifera). B, Hummel (Bombus sp.). C, Zersetzer: Mistkäfer (Scarabaeidae: Scarabaeinae). D, Schädlingsbekämpfung: Marienkäfer (Harmonia sp.). E, Ökosystempflege: Ameisen (Formicidae). F, Seidenproduktion: Seidenspinner (Bombyx mori). G, Wissenschaft: Fruchtfliege (Drosophila melanogaster). H, Impfstoffentwicklung inkl. Coronavirus: Luzerne-Greifer Motte (Autographa californica). I, Farbstoffproduktion: Cochenilleschildlaus (Dactylopius coccus). J, Umweltverträglichkeitsprüfung: Steinfliege (Plecoptera). Kleinstlebewesen mit dem FIMTable aufgenommen (K–T). K, Fruchtfliege. L, Fruchtfliegenlarve. M, Fadenwurm (C. elegans). N, Zebrafischlarven. O, Zebrafische. P, Ringelwürmer (Enchyträen). Q, weiße Zuckmückenlarve. R, rote Zuckmückenlarve. S, Wasserflöhe. T, Salienkrebs (Artemia).
Quellenangabe: Abb. 1 (A-J): https://doi.org/10.1073/pnas.2002547117  Abb. 1 (K-T) CC qubeto GmbH

Bildergalerie

Quelle: NMWP-Magazin

qubeto GmbH

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