Mit Licht den Puls des Lebens retten | Forscher der Uni Bonn und der Johns Hopkins Universität entwickeln Voraussetzungen für schonenden Defibrillator
Einem Forscherteam der Universität Bonn ist es erstmals gelungen, lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen in Mäusen mit Lichtreizen zu beenden. Wie darüber hinaus Computersimulationen an der Johns Hopkins Universität zeigen, könnte diese Technik auch im menschlichen Herzen erfolgreich angewendet werden. Die Studie eröffnet einen völlig neuen Ansatz für die Entwicklung implantierbarer optischer Defibrillatoren, in denen die starken Stromstöße herkömmlicher „Defis“ durch schonendere und schmerzfreie Lichtpulse ersetzt werden. Das „Journal of Clinical Investigation“ veröffentlichte nun die Ergebnisse.
Kammerflimmern! Wenn der Herzmuskel rast und sich nicht mehr geordnet zusammenzieht, droht aufgrund fehlender Blutzirkulation der Tod. In so einem Notfall hilft ein Defibrillator, durch starke Stromstöße die normale Herzaktivität wieder herzustellen. Bei Patienten mit bekanntem Risiko für solche Rhythmusstörungen ist die prophylaktische Implantation eines miniaturisierten „Defis“ das Mittel der Wahl. Bei Kammerflimmern wird dann automatisch ein Stromstoß ausgelöst, der die Herzmuskelerregung normalisiert und dadurch das Leben rettet.
„Wenn ein implantierter Defibrillator auslöst, was leider auch durch falsche Detektion der Rhythmusstörung passieren kann, ist das immer ein sehr traumatisches Ereignis für die Patienten“, sagt der Leiter der Studie, Juniorprofessor Dr. med. Philipp Sasse vom Institut für Physiologie I der Universität Bonn. „Der starke elektrische Stromschlag ist sehr schmerzhaft und kann auch das Herz weiter schädigen.“ Deshalb forscht Prof. Sasses Arbeitsgruppe an den Grundlagen für eine schmerzfreie und schonendere Alternative. Wie die Wissenschaftler nun zeigen, lässt sich Kammerflimmern auch durch einen optischen Defibrillator beenden.
Gene für optisch aktivierbare Proteine werden eingeschleust
Das Team verwendete die neue Methode der „optogenetischen“
Stimulation und arbeitete dafür mit Mäusen, bei denen die Gene für
sogenannte Kanal-Rhodopsine ins Herz eingeschleust wurden. Es handelt
sich dabei um Kanäle aus Grünalgen, die unter Einfluss von Licht wie ein
Schalter die Durchlässigkeit von Ionen durch die Herzmuskelzellen
verändern. Wurde durch die Forscher bei den Mäuseherzen nun ein
Kammerflimmern ausgelöst, genügte ein Lichtpuls von einer Sekunde auf
das Herz, um den normalen Rhythmus wieder herzustellen. „Das ist ein
sehr wichtiges Ergebnis“, betont Erstautor Dr. med. Tobias Brügmann aus
Prof. Sasses Team. „Es zeigt erstmals experimentell in Herzen, dass die
optogenetische Stimulation zur Defibrillation von Herzrhythmusstörungen
genutzt werden kann.“ Das funktionierte auch in ganz normalen Mäusen,
welche das Kanal-Rhodopsin erst durch Injektion eines biotechnologisch
hergestellten Virus erhielten. Dies zeige eine mögliche klinische
Anwendbarkeit, da ähnliche Viren bereits für Gentherapie von Patienten
verwendet werden können.
Simulationen zeigen: Erkenntnisse sind auf Menschen übertragbar
Sind aber die an Mäuseherzen gewonnenen Erkenntnisse auch auf
Menschen übertragbar? Um diese Frage zu beantworten, arbeiteten die
Wissenschaftler der Universität Bonn mit dem „Computational Cardiology”
Labor von Prof. Natalia Trayanova am Institut für Computermedizin und
biomedizinisches Ingenieurwesen der Johns Hopkins Universität
(Baltimore, USA) zusammen. Dort wurde die optogenetische Defibrillation
in einem Computermodell von einem Herzen eines Patienten nach
Herzinfarkt erprobt. „Unsere Simulationen zeigen, dass ein Lichtpuls auf
das Herz auch die Herzrhythmusstörung dieses Patienten beenden würde“,
berichtet Prof. Dr. Partrick Boyle, der ebenfalls die Erstautorenschaft
innehat. Hierfür musste das Verfahren der Universität Bonn jedoch noch
für menschliche Herzen optimiert werden, indem die Herzzellen nicht mit
blauem Licht wie bei den Mäusen, sondern mit rotem Licht angeregt
wurden. Dieser Aspekt der Studie zeigt die wichtige Rolle von
Computermodellen für die systematische Entwicklung optogenetischer
Therapieansätze.
Optogenetischer „Defi“ ist prinzipiell machbar
„Unsere Daten zeigen die prinzipielle Machbarkeit eines
optogenetischen Defibrillators zur Behandlung von Kammerflimmern“, fasst
Prof. Sasse zusammen. Das flimmernde Herz mit einem Lichtreiz wieder in
einen normalen Rhythmus zu versetzen, sei absehbar schmerzfrei und
deutlich schonender für die Patienten als die Verwendung von
Elektroschocks. Das neue Verfahren befinde sich aber noch im Stadium der
Grundlagenforschung. Bis ein optischer „Defi“ für die Behandlung von
Patienten entwickelt werden könne, dauere es noch mindestens fünf bis
zehn Jahre, schätzt Prof. Sasse.
Publikation: Optogenetic defibrillation terminates ventricular arrhythmia in mouse hearts and human simulations, „Journal of Clinical Investigation“, DOI: 10.1172/JCI88950
Bildunterschrift: Dr. med. Tobias Brügmann (links) und Jun.-Prof. Dr. med. Philipp Sasse (rechts)
vom Institut für Physiologie I der Universität Bonn. © Foto: Claudia Siebenhüner/Ukom UKB
Kontakt für die Medien:
Juniorprof. Dr. Philipp Sasse
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Dr. Tobias Brügmann
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Tel. 0228/6885217
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