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Skalierbare 2D-Materialien für die Computer der Zukunft

Viele Eigenschaften von 2D-Materialien sind einzigartig. Das zeigte sich bereits zu Beginn dieser Entwicklung bei Graphen, dem bis jetzt populärsten 2D-Material. Graphen verbindet atomare Dicke mit höchster mechanischer Stabilität und hohe Transparenz mit extrem großer elektrischer und thermischer Leitfähigkeit. Weit über 1000 solcher 2D-Materialien wurden in der Zwischenzeit vorhergesagt, entdeckt und untersucht. Dazu gehören Isolatoren, Halbleiter und Leiter, aber auch magnetische oder supraleitende Materialien. Ideale 2D-Materialien besitzen abgesättigte Bindungen an der Oberfläche und können über van der Waals Wechselwirkungen flexibel miteinander kombiniert und in herkömmliche Bauelementarchitekturen integriert werden. Damit ist die Familie der 2D-Materialien in der Lage, Computer der nächsten und übernächsten Generation maßgeblich mitzugestalten.

Für eine industrielle Nutzung dieser faszinierenden Materialien ist eine reproduzierbare und skalierbare Herstellung und Prozessierung unabdingbar. Immer noch werden zahlreiche Bauelement-Prototypen quasi in ‚Einzelfertigung‘ aus mechanisch exfolierten 2D-Materialien mit lateralen Ausdehnungen im Bereich weniger Mikrometer realisiert – analog wie dies Novoselov und Geim in ihrer mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichneten Pionierarbeit getan haben [1].

In Vernetzung von Forschung und Industrie hat darum in den letzten Jahren eine sehr dynamische Entwicklung begonnen. Auf Basis industriell relevanter Abscheideverfahren wie chemischer Gasphasendeposition wurden Verfahren entwickelt, die eine großflächige Realisierung unterschiedlichster 2D-Materialien erlauben. Eine besondere Herausforderung ist dabei zu meistern: Die 2D-Materialien müssen molekulare Dicke mit hoher Kristallqualität verknüpfen, um ihre einzigartigen physikalischen Eigenschaften zu behalten, gleichzeitig sollen sie aber auf Waferskala herstellbar sein (Abb. 1).

Graphen ist hier am weitesten fortgeschritten und lässt sich bereits industriell auf großflächigen Kupferfolien quadratmeterweise abscheiden. Da Verunreinigungen durch Kupfer generell in Prozessketten der Chip-Industrie nicht unproblematisch sind, erforscht man zunehmend erfolgreich auch das Wachstum auf nicht-metallischen Substraten [2]. Die skalierbare Herstellung weiterer 2D-Materialien, z.B. hochwertiger 2D-Halbleiter, steckt dagegen noch in den Kinderschuhen, lockt aber Forschung und Industrie in besonderer Weise, da 2D-Halbleiter nicht nur für die Computertechnologie, sondern auch für die Optoelektronik besonders attraktiv sind.

Mittlerweile gelingt es sogar schon, Schichtstrukturen aus unterschiedlichen 2D-Materialien mit abgestimmten Eigenschaften aufeinander abzuscheiden [3]. Hier findet man Analogien zur klassischen Epitaxie. Während dort allerdings Materialien mit ähnlichen Gitterstrukturen einkristallin kombiniert werden, fallen derartige Beschränkungen bei 2D-Materialien weg, da die Einzelschichten nur schwach aneinander gebunden sind. Das eröffnet ein riesiges Spielfeld an möglichen Kombinationen von 2D-Materialien mit abgestimmten Materialeigenschaften. Aktuelle Roadmaps für zukünftige Applikationen skizzieren dieses Potential (Abb. 2).

Es wird erwartet, dass 2D-Materialien dank ihrer extrem geringen Dicke bei der weiteren Miniaturisierung von Transistoren für höchstintegrierte Schaltungen eine zentrale Rolle einnehmen werden („gate length downscaling“). Sehr interessant ist ferner die Möglichkeit, optische und elektrische Signale zur schnellen Intrachip-Kommunikation zu verknüpfen: In 2D-basierten Bauelementen lassen sich optische Signale ultraschnell modulieren, indem durch höchstfrequente elektrische Felder die Absorption gezielt geändert wird. Eine weitere Besonderheit von 2D-Materialien liegt in ihrer exzellenten Integrierbarkeit in klassische Bauelementarchitekturen, da Randbedingungen aufgrund von Gitterfehlanpassungen entfallen. So kann eine funktionale 2D-Einheit (Transistor, Sensor, Detektor, Lichtemitter etc.) flexibel mit bestehenden CMOS-Architekturen kombiniert werden.

2D-Materialien können aber mehr. Die besondere kristalline und elektronische Struktur vieler 2D-Materialien lässt erwarten, dass Quantenzustände sich hier besonders stabil speichern lassen (Valleytronics) – ein möglicher Mosaikstein auf dem Weg zum Quantencomputer. Quellen einzelner oder verschänkter Photonen sind wichtige Bausteine für Quantencomputing und Quantenkommunikation und können in lokal veränderten 2D-Materialien realisiert werden. In Zukunftsprojekten wie der neuromorphen Elektronik werden selbstlernende Netzwerke auf Basis von 2D-Materialien konzipiert.

Damit solche Visionen Realität werden, müssen skalierbare Herstellungsverfahren von 2D-Materialien entwickelt und in industriell relevante Fertigungsketten integriert werden. Im neu gegründeten internationalen Graduiertenkolleg 2D-MATURE untersucht die Universität Duisburg-Essen in Zusammenarbeit mit der University of Waterloo (Kanada) und der RWTH Aachen daher intensiv neuartige Skalierungsverfahren von 2D-Materialien, die natürlich auch eine attraktive Materialklasse für klassische Anwendungen wie Detektoren, Lichtquellen oder Energiespeicher darstellen.

Fazit – Wissenschaftliche Faszination trifft auf immenses Anwendungspotenzial. Dazu ist noch ein Stück Weg zu gehen. Forscher*innen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen arbeiten hier gemeinsam mit industriellen Partnern an vorderster Front, um 2D-Materialien für die nächste Computergeneration nutzbar zu machen.

Referenzen
[1] K. Novoselov, A. Geim, S. Morozov,D. Jiang, Y. Zhang, S. Dubonos, I. Grigorieva, A. Firsov, Science 306, 666 (2004)
[2] B. Bekdüz, U. Kaya, M. Langer, W. Mertin, G. Bacher, Scientific Reports 10, 12938 (2020)
[3] U. Hutten, L. Daniel, A. Grundmann, N. Stracke, M. Abdelbaky, Y. Beckmann, M. Heuken, W. Mertin, H. Kalisch, A. Vescan, G. Bacher, T. Kümmell, 2D Materials 8, 045015 (2021)
[4] D. Akinwande, C. Huyghebaert, C.-H. Wang, M. Serna, S. Goossens, L.-J. Li, H.-S. Wong, F. Koppens, Nature 573, 507 (2019)

Bilder
Abbildung 1: Fabrikation von 2D-Materialien auf Waferskala (© Werkstoffe der Elektrotechnik, Universität Duisburg-Essen und © AIXTRON SE, Herzogenrath)
Abbildung 2: Roadmap zukünftiger Anwendungen basierend auf 2D-Materialien (aus [4], Reprinted by permission from Springer Nature: Nature 573, Akinwande et al., Graphene and two-dimensional materials for silicon technology, © 2019)

Bildergalerie

Quelle: NMWP-Magazin

Universität Duisburg-Essen

Mitten in der Metropolregion Ruhrgebiet liegt die Universität Duisburg-Essen (UDE) – eine der jüngsten und größten Universitäten Deutschlands. Ihr breites Fächerspektrum reicht von den Geistes-, Gesellschafts- und Bildungswissenschaften über die...mehr...