Offenes Datenformat vereinfacht 3D-Druckprozess
Mit dem Open Vector Format OVF lassen sich sowohl additive als auch abtragende Prozesse über das Netzwerk steuern. © Fraunhofer ILT, Aachen.
Ein neues Datenformat vereinfacht die Datenverarbeitung entlang der Prozesse beim 3D-Druck von Metallen. Damit lassen sich Fertigung und Prozesskontrolle in Echtzeit zusammenführen – nicht nur bei additiven, sondern auch bei subtraktiven Verfahren wie der Mikrostrukturierung.
Für den 3D-Druck von Metallen gibt es vielfältige Verfahren. Am geläufigsten ist die Laser Powder Bed Fusion (LPBF), in welcher Laser durch schichtweises Belichten von Metallpulver ein Werkstück aufbauen. Entlang der Prozesskette müssen die Konstruktionsdaten hierbei mehrfach umgewandelt werden. Dabei entstehen teils Datenvolumen im zweistelligen Gigabyte-Bereich. Sie zu verarbeiten kostet nicht nur Zeit, sondern bringt selbst moderne IT-Systeme an Grenzen.
Ein Forschungsteam der Lehrstühle für Lasertechnik LLT und für Digital Additive Production DAP der RWTH Aachen University sowie des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT in Aachen hat eine praktikablere Lösung entwickelt. Das neue Open-Vector-Format beschleunigt den 3D-Druck, erlaubt verteilte Datenverarbeitung und vereinfacht neben der Anlagenskalierung auch die Steuerung größerer Anlagenparks. Das ist Industrie 4.0 in der Praxis.
Warum ein neues Datenformat?
Der Bedarf an einem neuen Datenformat erschließt sich beim Blick auf die Abläufe in der LPBF-Prozesskette. Nach der Konstruktion mit einem CAD-Programm müssen die Bauteilkonturen im zweiten Schritt in kleinste geometrische Strukturen umgewandelt werden. In der Regel sind das Dreiecke (»Tesselation«). Anschließend folgt das virtuelle Einpassen des Bauteils in den Bauraum, wobei es so gedreht und gegebenenfalls mit anderen Teilen im virtuellen Bauraum angeordnet wird, um dessen Volumen optimal zu nutzen (»nesting and orientation«). In diesem Schritt wird die Konstruktion außerdem durch etwaige Stützstrukturen abgesichert. Bis hierher werden die Daten im Prozess als dreidimensionale Koordinaten geführt.
Es folgt das so genannte »Slicing«, welches die 3D-Struktur in tausende 2D-Schichten für den LPBF-Prozess übersetzt. Denn LPBF-Anlagen breiten nach jeder Laserbelichtung ein frisches Pulverbett aus, fixieren darin per Laser die vorgesehene Bauteilstruktur und gehen dann zur nächsten Schicht über. Neben den 2D-Konturen der jeweiligen Schicht setzt dieser Prozess präzise Anweisungen zur Maschinensteuerung voraus.
An diesem Punkt ergibt sich der Bedarf: Denn während für 3D-Konstruktionsdaten ausreichend Formate existieren, werden die Daten nach dem Slicing vor allem über proprietäre Lösungen der jeweiligen LPBF-Anlagenhersteller verarbeitet. Das liegt auch daran, dass standardisierte Lösungen anderer Bereiche, wie das Format »G-Code« für CNC-Maschinen oder das CLI-Format (Common layer interface) für den 3D-Druck nur bedingt nutzbar sind. So basiert G-Code auf der Speicherung der Koordinaten im Textformat (ASCII), wodurch die Datenvolumen schnell auf einige 10 GB anschwellen. Entsprechend zeitaufwändig ist die Verarbeitung dieser Datenmengen.
Was kann das neue Format?
Die neue Lösung »Open Vector Format OVF« bietet zunächst einmal offene Strukturen, so dass die Nutzer vollen Zugriff auf die Geometriedaten haben. Diese werden in einem am Fertigungsprozess orientierten Vektorformat gespeichert; das reduziert den Umfang der Dateien gegenüber dem Textformat drastisch. Zusätzlich lassen sich im neuen OVF Fertigungsinformationen wie zum Beispiel die Laserleistung oder die Delay-Zeiten beim Scanprozess speichern. Bei Mehrstrahlanlagen wird zudem die so genannte Scan-Feed-Allocation festgelegt, also die Aufteilung auf mehrere Strahlquellen. Im Detail basiert das Format auf der Open-Source-Technologie »Protocol Buffers«, die auch Google für strukturierte Daten nutzt. Protocol Buffers definiert eine Interface Description Language (IDL), die zur Definition der OVF-Daten genutzt wurde.
Das Format ist für sechs von Google unterstützte Programmiersprachen lesbar, 30 weitere Sprachen können ebenfalls damit arbeiten. Es basiert auf Binärdaten. Für den 3D-Druck ist die schichtweise Verarbeitung der Daten wichtig, was die Steuerung über ein Netzwerk ermöglicht und so die lokale Datenhaltung stark reduziert. Experimentelle Vergleiche zeigen, dass das neue Format in ähnlicher Geschwindigkeit verarbeitet wird wie proprietäre Formate der Maschinenhersteller – und damit erheblich schneller als andere offene Formate wie G-Code.
Perspektive: Prozessüberwachung einbinden, Steuerung über Netzwerke
Stärken hat das OVF auch bei der Prozessüberwachung: Um die Kontur des Werkstücks im Zuge der Bearbeitung an Soll-Daten abzugleichen, müssen einerseits der Zugriff auf die Konstruktionsgeometrie gewährleistet und andererseits die Vergleichsmöglichkeit mit Daten der 3D-Vermessung gegeben sein. Hier liegt eine zentrale Motivation für die Entwicklung des neuen Formats: OVF erlaubt es Systementwicklern, LPBF-Anlagen mit einer Bildverarbeitung ihrer Wahl zu koppeln und die Daten zu verknüpfen. Das dient nicht nur der Qualitätssicherung, sondern erleichtert obendrein den Leistungsvergleich verschiedener LPBF-Anlagen. Diese Option besteht auch dann, wenn mehrere LPBF-Systeme samt Prozessüberwachung über ein Netzwerk gesteuert werden.
Anwendung in der Mikrostrukturierung
Der automatisierte Vergleich von Soll- und Ist-Daten und das Unterstützen der Maschinensteuerung über das Netzwerk sind auch für ablative Verfahren wie der Laser-Mikrobearbeitung relevant. Aus diesem Grund interessieren sich auch Forscherinnen und Forscher der RWTH Aachen und des Fraunhofer ILT jenseits der Additiv-Community für den Einsatz des OVF-Formats. Ein Beispiel ist das Multistrahlverfahren, das simultan viele kleine Löcher bohrt. Ein Kamerasystem prüft anschließend, ob diese durchgängig gebohrt sind oder noch Materialreste stehen. Durch den Vergleich der Kameradaten mit der Sollgeometrie lässt sich so entscheiden, ob und wo Nacharbeit nötig ist. Die Anweisungen für die Nacharbeit lassen sich dann direkt in OVF programmieren.
Für die Community, mit der Community
Offenheit war den Programmierinnen und Programmierern im Projekt ein wichtiges Anliegen. Es geht darum, als Forschende aus Basis des Inputs der 3D-Community eine optimale, herstellerunabhängige Lösung zu entwickeln. Die Definition des Formats ist daher auf GitHub verfügbar. Dort sind auch Tools hinterlegt, um andere Formate in OVF zu konvertieren. Obendrein findet sich auf der Plattform Validierungssoftware, mit der sich OVF-Datensätze überprüfen lassen. Zudem ist ein Slice-Viewer geplant, der die einzelnen Schichten visualisiert. Zum OpenVectorFormat auf GitHub geht es hier: www.github.com/Digital-Production-Aachen/OpenVectorFormat
Das neue Format ist in den Laboren an der RWTH Aachen und des Fraunhofer ILT bereits im Einsatz. Die Forschenden sind mit Herstellern von 3D-Aufbereitungssoftware sowie mit Scanner-Herstellern im Gespräch, die das Format in ihre Software integrieren wollen.