Fraunhofer ISE: Multikristalline Siliciumsolarzelle mit 21,9 Prozent Wirkungsgrad - Weltrekord zurück
© Foto Fraunhofer ISE Die multikristalline Weltrekordsolarzelle aus n-Typ HPM Siliciummaterial hat eine Fläche von 2 cm x 2 cm. Die Zelle ist sehr gut entspiegelt, daher sind kaum noch Korngrenzen des Siliciummaterials zu erkennen und sie erscheint nahezu schwarz.
Das Potenzial der Photovoltaik (PV) ist noch nicht ausgeschöpft, Industrie und Forschung arbeiten intensiv an der weiteren Effizienzsteigerung und Kosten-reduktion für Solarzellen, dem Herzstück von PV-Kraftwerken. Für multikristallines Silicium, das Arbeitspferd der Solarzellenindustrie, haben die Forscher am Fraunhofer ISE jetzt einen Wirkungsgrad von 21,9 Prozent erreicht und damit den Weltrekord wieder nach Freiburg geholt.
Höhere Wirkungsgrade und optimierte Prozessschritte sind entscheidend, um den Preis für Solarstrom noch weiter zu senken. An beiden Stellschrauben arbeitet das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Beim Wirkungsgrad verzeichnen die Freiburger Forscher jetzt einen neuen Weltrekord. Eine multikristalline Siliciumsolarzelle wandelt 21,9 Prozent des Sonnenlichts in elektrische Energie um. Damit hält das Fraunhofer ISE erneut den Weltrekord für multikristalline Siliciumsolarzellen, den es bereits von 2004 bis 2015 innehatte. Die Solarzelle besteht aus n-Typ High Performance (HP) multikristallinem Silicium, das eine im Vergleich zu p-Typ höhere Toleranz gegenüber wichtigen Verunreinigungen, insbesondere Eisen, hat. In der industriellen Fertigung wird heute multikristallines p-Typ Siliciummaterial eingesetzt und die durchschnittlichen Wirkungsgrade liegen bei 19 Prozent. Der vom Fraunhofer ISE eingeschlagene neue Material- und Technologieansatz hat das Potenzial den Wirkungsgrad für multikristallines Silicium in naher Zukunft auch noch weiter zu verbessern.
Vom Material bis zur Zelltechnologie
»Wir freuen uns sehr über dieses herausragende Ergebnis, das ganz
wesentlich darauf beruht, dass wir die gesamte Wertschöpfungskette der
Silicium-Photovoltaik am Fraunhofer ISE bearbeiten«, sagt
Institutsleiter Dr. Andreas Bett. »Aus der gesamten Palette von der
Kristallisation des Siliciums bis hin zur Qualitätssicherung von
PV-Kraftwerken waren bei der aktuellen Weltrekordsolarzelle die Stufen
Materialentwicklung, Charakterisierung und Zelltechnologie beteiligt.«
Die Forschergruppen am Fraunhofer ISE standen im intensiven Austausch,
um das Material und den Zellprozess in Abstimmung zu optimieren. Dr.
Stephan Riepe, Leiter der Gruppe Silicium - Kristallisation und
Epitaxie, erläutert dies so: »In unserem Silicon Material Technology
Center SIMTEC war das Ziel, den Kristallisationsprozess für diese
Materialklasse so zu entwickeln, dass das Material im Hinblick auf den
vorgesehenen Solarzellenprozess optimiert ist. Dies geschah im steten
Austausch mit den Kollegen, bis wir gemeinsam das Ziel
Weltrekordwirkungsgrad erreicht hatten.« Dort bleiben die Fraunhofer
Forscher aber nicht stehen, die Arbeiten gehen weiter. Das Projekt
»multiTOP«, in dessen Rahmen das Rekordergebnis erzielt wurde, läuft
noch bis März nächsten Jahres. Geleitet wird es von Dr. Jan Benick, der
am Fraunhofer ISE das Team Innovative Reinraumtechnologien für
hocheffiziente Siliciumsolarzellen verantwortet. Er blickt in die
Zukunft: »Unser Ziel ist es, für die multikristallinen n-Typ Wafer eine
weiterführende Zelltechnologie zu entwickeln, die das Potenzial dieses
Materials aufzeigt. Die Frage ist, wie weit sich die Effizienzlücke zu
monokristallinem Material schließen lässt.« Einen entscheidenden Link
zwischen Material- und Zelltechnologieforschern stellen die Kollegen von
der Solarzellencharakterisierung dar. Dr. Martin Schubert,
Abteilungsleiter Charakterisierung und Simulation, nimmt dabei quasi die
Rolle des Navigators ein: »Mit unseren Charakterisierungsarbeiten
konnten wir den Kollegen auf der Materialseite helfen, dieses in seiner
Qualität zu verbessern und an den Prozess anzupassen und auf der anderen
Seite den Solarzellenentwicklern Hinweise geben, wo die wesentlichen
Verluste in der aktuellen Zelltechnologie liegen.«
35 Jahre integrierte Solarenergieforschung
Über die Querschnittsarbeit zwischen Material, Charakterisierung und
Zelltechnologie hinaus flossen noch weitere Entwicklungen des Fraunhofer
ISE in die neue Weltrekordsolarzelle ein. »Für die
Rückseitenkontaktierung kam die am Institut entwickelte
TOPCon-Technologie zum Einsatz, mit der wir im letzten Jahr den
Weltrekord für beidseitig kontaktierte monokristalline
Siliciumsolarzellen auf 25,3% verbessern konnten«, freut sich Dr. Martin
Hermle, Abteilungsleiter Hocheffiziente Siliciumsolarzellen am
Fraunhofer ISE. Bei TOPCon handelt es sich um einen passivierenden
Rückseitenkontakt, der auf der Solarzellenrückseite ganzflächig und
strukturierungsfrei aufgebracht wird. Dies vereinfacht den
Herstellungsprozess bei gleichzeitiger Erhöhung der Effizienz der
Solarzelle. Der neue Weltrekord zeigt, dass die TOPCon Technologie
sowohl für mono- als auch für multikristallines Silicium geeignet ist,
und somit das Potenzial hat, den gesamten Siliciummarkt zu bedienen.
Über 35 Jahre Forschung und Entwicklung an der gesamten
Wertschöpfungskette der Photovoltaik machen das Fraunhofer ISE zu einer
der international führenden Forschungseinrichtungen für Solarzellen.
Das Projekt »multiTOP« wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie BMWi gefördert.