LHybS – Leichtbau durch neuartige Hybridwerkstoffe
Getreu dem Motto „der richtige Werkstoff an der richtigen Stelle“ wird der Multi-Material Gedanke konsequent weitergedacht und mithilfe einer Top-Down Methodik auf die Dickenrichtung des Werkstoffes übertragen.
Aufgrund stetig steigender Sicherheitsanforderungen und aktueller Herausforderungen beim globalen Klimaschutz erfordert der Automobilbau einen verstärkten Einsatz von Leichtbauwerkstoffen. Trotz erheblicher Forschungsanstrengungen und einer Weiterentwicklung konventioneller Werkstoffe, sowie der Berücksichtigung von Leichtbauwerkstoffen wie Faser-Kunststoff-Verbunden (FKV), ist eine Gewichtseinsparung im Karosseriebau nur noch in den seltensten Fällen erreichbar.
Der Projektansatz
Im Rahmen des Projektes „LHybS – Leichtbau durch neuartige
Hybridwerkstoffe“ wird ein neuartiger Ansatz entwickelt, der erstmalig eine
methodische Vorgehensweise zur beanspruchungsgerechten Auslegung von
geschichteten Hybridwerkstoffen ermöglicht. Das Projekt verfolgt dabei das
ambitionierte Ziel einen anforderungsgerechten Mehrschichtverbund zu
entwickeln, welcher sich ähnlich verarbeiten lässt wie die aktuell im
Karosseriebau zum Einsatz kommenden Werkstoffe. Das dickenabhängige
Eigenschaftsprofil des Werkstoffes folgt dabei einem Top-Down-Ansatz und leitet
sich aus Gesamtfahrzeugsimulationen ab. Hierbei werden neben den rein mechanischen
Aspekten alle Anforderungen berücksichtigt, die sich aus dem Einsatz des
Werkstoffs für ein gewähltes Bauteil ergeben.
Von der Simulation zum Werkstoff
Die maßgeschneiderte Werkstoffentwicklung erfolgt anhand von
zwei identifizierten Demonstratorbauteilen direkt im Gesamtfahrzeugmodell. Die
Bauteile werden dabei in mehrere Einzelschichten unterteilt, deren Materialeigenschaften
zuerst frei parametrisiert werden. Sobald ein Optimum der Schichteigenschaften
gefunden ist, erfolgt ein Abgleich der idealisierten Werkstoffkennwerte mit
einer realen Materialdatenbank, um konkrete Werkstoffpendants aufzuzeigen.
Abschließend werden die entwickelten Schichtverbunde in Gesamtfahrzeug- und
Karosseriesimulationen validiert und mit den Werten der Referenzstruktur
verglichen. Durch eine reine Werkstoffneuentwicklung konnte eine
Massenreduktion von mindestens 20 % bei gleichbleibenden oder verbesserten
Karosserieeigenschaften erzielt werden.
Nanostrukturierung von Oberflächen zur Haftverbesserung
Die Qualität der Grenzflächen zwischen den Einzelschichten
bestimmt maßgeblich die Verbundeigenschaften des Hybridwerkstoffes. Die
Haftfestigkeit kann dabei durch ein maßgeschneidertes Oberflächendesign
zwischen Faserverbundwerkstoff und metallischer Komponente gesteigert werden.
Um eine gute Haftfestigkeit der Einzelschichten im FML zu gewährleisten widmet
sich das LHybS Projekt u.a. der Methodenentwicklung zur Optimierung der
Grenzflächeneigenschaften. Eruiert werden verschiedene Oberflächenverfahren,
die eine nanoskalige Profilierung der Oberfläche ermöglichen. Besonders
hervorzuheben sind das Laserstrahlverfahren sowie die anodische Oxidation
verzinkter Stahlwerkstoffe. Beide Verfahren eignen sich hervorragend aufgrund
der geringen Materialabtragstiefe der nur wenige Mikrometer dicken
Verzinkungsschicht. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass durch die erzeugten
Nanostrukturierungen die Verbundfestigkeit des FML signifikant zunimmt.
Materialeigenschaften ändern sich
Multimaterialbauweise und Grenzflächen zwischen artverschiedenen
Materialien existieren in allen biologischen Organismen, die über Schalen,
Schnäbel und Knochen verfügen. Oftmals sind diese Strukturen auch großen
mechanischen Belastungen ausgesetzt. Im Laufe der Evolution entwickelten sich
daher Grenzphasen mit gradierten Übergängen, die den Sprung der Materialeigenschaften
abmildern. Dieses Prinzip wird innerhalb des LHybs-Projektes in einem
Bionikansatz auf Fasermetalllaminate übertragen. Durch Additivierung des Klebstoffs
wird die Steifigkeit innerhalb der Grenzschicht gradiert, sodass der E-Modul in
der Nähe des steiferen Fügepartners zunimmt.
Tiefziehen von FML-Platinen
Bei der Umformung von FML-Platinen können neben typischen
Metallumformfehlern zusätzlich noch weitere FML spezifische Versagensfälle
auftreten. Druckspannungen führen beispielsweise zum Versagen einzelner Fasern
durch Ausknicken. In Teilbereichen hoher Normalkräfte kann es zur Verdrängung
des Matrixwerkstoffs in benachbarte Bereiche und somit zu unerwünschten lokalen
Wanddickenänderungen kommen. Um diese unerwünschten Effekten zu vermeiden,
wurde ein für die FML-Umformung angepasstes Werkzeug- und Prozessdesign
entwickelt. Dazu wurden in dem Projekt komplementär numerische und
experimentelle Methoden eingesetzt, um Einflussgrößen auf den Umformprozess zu
bestimmen, zu untersuchen und entsprechende Designrichtlinien abzuleiten.
Beanspruchungsgerechte Werkstoffprofile
Mithilfe der im Rahmen des Projekts entwickelten Methodik
lassen sich beanspruchungsgerechte Werkstoffprofile auslegen, die die
Erschließung weiterer Leichtbaupotenziale ermöglichen. Zur Erhöhung der
Verbundfestigkeit von FML werden sowohl geeignete Methoden zur
Oberflächenstrukturierung wie auch bionikbasierende Haftvermittlersysteme erforscht.
Um die Verarbeitung der neuartigen Werkstoffe zu Bauteilen in Tiefziehverfahren
zu ermöglichen, werden Anpassungen am Werkstoff selbst wie auch an den
Umformwerkzeugen und der Prozessführung herausgearbeitet.
Das Forschungsprojekt LHybS wird vom Europäischem Fond für Regionale Entwicklung der Europäischen Union und dem Land Nordrhein-Westfalen unter Leitung des Projektträgers Jülich gefördert.
Abbildung 1: Ansatz des LHybS Projektes; © Leichtbau im Automobil, Universität Paderborn
Abbildung 2: REM Aufnahmen einer gereinigten und einer laserstrukturierten Stahloberfläche, sowie Ergebnisse von Benetzungsstudien an diesen Oberflächen. © Lehrstuhl für Werkstoffkunde, Universität Paderborn