Rostfreie Stähle für federnde Verbindungselemente

Die Universität Siegen bearbeitet dieses Vorhaben mit dem Ziel, einen rostfreien Stahl für die Fertigung von federnden Verbindungselementen in Schlauch-Stutzen-Verbindungen zu entwickeln und diesen mit Hilfe eines Demonstrators zu validieren.

Bei der industriellen Herstellung von Lebensmitteln ist die Einhaltung höchster Hygienestandards erforderlich. Dies gilt auch für die metallischen Verbindungselemente (VE) von Schlauch-Stutzen-Verbindungen (SSV) in lebensmittelverarbeitenden Anlagen. Dafür kommen rostfreie Stähle zum Einsatz, deren Eigenschaften in den „Guidelines on metals and alloys used as food contact materials“ aufgeführt sind. Danach dürfen Legierungen, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, keinerlei Wechselwirkung mit den Lebensmitteln eingehen.

Weiterhin ist es sehr wichtig, dass die Vearbeitungsmaschinen leicht und prozesssicher gereinigt werden können. Vor diesem Hintergrund werden Einfülleinheiten bei der Abfüllung von Getränken modular als SSV aufgebaut, welche mit Hilfe von lösbaren VE gefügt sind. Die heute verwendeten Schneckengewindeschellen aus dem rostfreien Stahl 1.4301 dichten insbesondere bei der Reinigung aufgrund von Temperaturschwankungen nicht leckagefrei ab. Eine bei Raumtemperatur gefügte SSV neigt wegen der unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten von Stahl und Polymeren bei Abkühlung der Anlage zu Leckagen.

Federnde VE kommen heute im Automobil zum Einsatz und gleichen diese Effekte an SSV aufgrund der federnden Wirkung aus (Abbildung 1). Solche Federelemente werden üblicherweise aus einem weichen, unvergüteten Bandstahl ausgestanzt und in einem Biegeprozess mit einer ausgeprägten plastischen Verformung zu einer Federbandschelle eingeformt. Die Festigkeit des Stahls für die notwendige Federkraft wird anschließend durch einen Vergütungsprozess erreicht. Für die Fertigung rostfreier, federnder VE kann dieser Stahl aber nicht verwendet werden, da ein intrinsischer Korrosionsschutz nicht vorhanden ist. Es gibt daher aktuell keine technische Lösung für die Herstellung von rostfreien federnden VE für den Einsatz in der Verarbeitung von Lebensmitteln.

Ziel ist es, einen geeigneten, rostfreien Stahl zur wirtschaftlichen Herstellung von rostfreien federnden VE für SSV zu entwickeln. Das Bauteil aus dem entwickelten Material muss verschiedene Anforderungen erfüllen, nämlich

  • Korrosionsbeständigkeit gegen Reinigungs- und Desinfektionsmittel,
  • Leckagefreiheit bei Temperaturschwankungen,
  • einfache und sichere Montage mit einer Zange,
  • höchste Hygieneanforderungen,
  • wartungsarmer Betrieb und
  • 100% Wiederverwertbarkeit.

Als Basismaterial dient ein kohlenstoffarmer, chromreicher, nickelbasierter Maragingstahl, dessen Festigkeitssteigerung bei einer isothermen Wärmebehandlung durch nanometergroße, fein verteilte, intermetallische Ausscheidungen erfolgt. Hierfür werden mehrere Schmelzen mit gezielt veränderten Zusammensetzungen hergestellt, warmgewalzt, lösungsgeglüht und martensitisch umgewandelt. Die Festigkeitssteigerung erfolgt in einem 2-Schrittverfahren, nämlich durch eine Kaltverfestigung beim Kaltwalzen und durch die nachfolgende Ausscheidungsglühung. Durch das Kaltwalzen können Werkstoffproben mit einem Abwalzgrad von bis zu 60 % realisiert werden. Im Falle eines hochlegierten, chrom- und nickelreichen Stahls mit weniger als 1wt.% Titan sind so Zugfestigkeiten von bis zu 2030 MPa möglich, wobei die Anteile zur Festigkeitssteigerung aus der Kaltverfestigung 370 MPa und aus der Ausscheidungshärtung 880 MPa betragen. Bei der Fertigung einer Federbandschelle sind jedoch die Festigkeit und Umformbarkeit des Stahls nach der Kaltverfestigung zu berücksichtigen, um bei geringer Rückfederung ein rissfreies Bauteil zu erhalten. Diese Restriktionen setzen der Festigkeitssteigerung beim Kaltwalzen fertigungsbedingte Grenzen.

Die Überprüfung der Korrosionsbeständigkeit des Stahls erfolgt in Korrosions- und Spannungsrisskorrosionsprüfungen (Abbildung 2). Im Rahmen des Vorhabens soll so derjenige Stahl ausgewählt werden, welcher bei Berücksichtigung der fertigungsbedingten Restriktionen das höchste Potential zur Fertigung einer Federbandschelle als rostfreies VE bietet. Es ist geplant, einen Demonstrator aus diesem Stahl herzustellen, welcher zur Validierung in einem Feldversuch genutzt werden soll.

Das Ziel der wirtschaftlichen Herstellung eines rostfreien, federnden VE erfordert aktuell eine konventionelle Fertigungstechnologie, welche in diesem Vorhaben verfolgt wird. Im Ausblick möchten die Autoren deshalb noch auf das folgende Entwicklungspotential hinweisen. Die fertigungsbedingten Restriktionen und die technologischen Einschränkungen bei der Gestaltung des Bauteils lassen eine alternative Fertigungstechnologie für diese Bauteile sehr attraktiv erscheinen, nämlich die additive Fertigung. Durch die kurzzeitige, sehr hohe Temperatur beim Erschmelzen des Stahls und die rasche Abkühlung durch Selbstabschreckung beim Erstarren der Schmelze kann eine feinstrukturierte, martensitische Phase ohne Kaltumformung im Bauteil eingestellt werden. Diese Nichtgleichgewichtsphase dient als idealer Ausgangszustand für eine sehr ausgeprägte Festigkeitssteigerung bei der Aushärtung des Stahls. Weiterhin könnten durch additive Fertigung Bauteilgeometrien erzeugt werden, die durch die konventionelle Prozessroute nicht darstellbar sind. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang beispielsweise die Herstellung von Bauteilradien, die nur durch den Wegfall der Rückfederung beim Biegeprozess erzielt werden können, sowie gezielte Materialverstärkungen in hochbelasteten Bereichen. Durch die verkürzte Prozessroute, den reduzierten Verschnitt, die ausgezeichnete Werkstoffnutzung und die Formstabilität des additiv gefertigten Bauteils während der Ausscheidungsglühung könnten so langfristig sogar die Herstellungskosten gegenüber einer konventionellen Fertigungstechnologie gesenkt werden.

Das Projekt „Rostfreie Stähle für federnde Verbindungselemente“ (EFRE-0800621) wird durch den Europäischen Fond für regionale Entwicklung Nordrhein-Westfalen (EFRE.NRW) gefördert.

Abbildung 1: Der modulare Aufbau einer Schlauch-Stutzen-Verbindung zur Verbindung von Bauteil und Schlauch. © Muhr und Bender KG

Abbildung 2: Schematische Darstellung einer Vier-Punkt-Biegevorrichtung zur Spannkungsrisskorrosionsprüfung im 1000- Stunden-Test. © Muhr und Bender KG

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