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Bundesregierung plant einen milliardenschweren Fonds für Deutschland

Olaf Scholz und Peter Altmaier, Die Pläne des Finanz- und des Wirtschaftsministers stoßen in der Start-up-Szene auf Zustimmung. (Foto: AFP)

Es sind alarmierende Zahlen: Jeder vierte deutsche Gründer denkt über einen Umzug ins Ausland nach. Ein Grund dafür: Geldmangel. Insbesondere wenn Start-ups etwas größer sind, bekommen sie nicht so viel Kapital, wie sie eigentlich zum Wachsen brauchen. Wenn Gründer fliehen wollen, ist das ein bedenkliches Zeichen für ein Land, das von sich behauptet, eine Hightech-Nation zu sein. Die Bundesregierung will dem Kapitalengpass deshalb endlich einen großen Wurf entgegensetzen: Nach Handelsblatt-Informationen plant sie eine neue milliardenschwere Kapitalsammelstelle, gespeist aus staatlichen und privaten Geldern, eine Art Zukunftsfonds Deutschland. „Das Konzept sei „weit vorangeschritten“, sagt ein ranghoher Regierungsvertreter. So wurde der Plan bereits von der EU-Kommission daraufhin abgeklopft, ob er mit EU-Recht vereinbar ist. Seit Monaten arbeiten Bundesfinanz- und Bundeswirtschaftsministerium hinter den Kulissen an dem Konzept. Im Bundeswirtschaftsministerium laufen die Planungen unter dem Stichwort „Wasserfallmodell“. Die Idee hinter diesem Modell: Staat und Privatinvestoren stecken Geld in einen sogenannten „Dachfonds“, zum Start ist ein Volumen in Höhe von rund einer Milliarde Euro im Gespräch. Dieser Fonds wiederum investiert in verschiedene Venture-Capital-Fonds, die dann direkt Start-ups finanzieren. Wie bei einem Wasserfall fließen die Gelder so vom Dachfonds über Unterfonds zu Start-ups. Diese verschachtelte Konstruktion soll die Risiken möglichst breit streuen und damit minimieren.

Risikominimierung ist zentral, um nicht Steuergelder zu verfeuern, aber auch, um Privatinvestoren von der Idee zu begeistern. Alle wesentlichen institutionellen Anleger sollen dabei sein: die großen Versicherer, Versorgungswerke, Pensionskassen, Stiftungen und private Vermögensverwaltungen. Der Staat ist deshalb bereit, zunächst mehr Risiken zu tragen und einen größeren Anteil sogenannter „Junior-Anleihen“ zu halten.

Konkret bedeutet das: Kommt es zu Ausfällen, etwa weil ein Start-up insolvent geht, kommt zuerst der Staat für die Verluste auf und erst danach Privatinvestoren. Im Gegenzug erhält der Staat eine höhere Rendite aus dem Fonds als Privatanleger, etwa wenn ein Start-up von einem anderen Unternehmen übernommen wird. Wie genau die „Risiko-Rendite-Profile“ austariert sein sollen, ist noch offen. Anders als beim dänischen Dachfondsmodell soll es aber keine garantierte Rendite für Investoren geben. Dies hält die Bundesregierung nicht für vereinbar mit EU-Recht, weshalb sie das zunächst favorisierte Modell aufgegeben hat. Läuft der Fonds wie erhofft, könnte er nach und nach mit mehr Mitteln aufgestockt werden. Managen könnte den Fonds die KfW Capitals, eine Tochter der halbstaatlichen KfW-Bank, die schon heute in Start-ups investiert. In der Start-up-Szene kommen die Pläne gut an. „Ein Zukunftsfonds Deutschland, der auch größere Finanzierungen stemmen kann, ist ganz wichtig für die deutsche Venture-Capital-Branche. Derzeit sind die Kapitaltöpfe zu klein“, sagt Regina Hodits, Vorstandssprecherin des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften. Niemand brauche Angst zu haben, der Staat werde bei seinen Investitionen in Start-ups womöglich erhebliche Steuergelder in den Sand setzen. „Die Risiken für Steuerzahler und Staat sind sehr überschaubar“, sagt Hodits. Die Vergangenheit zeige: Gut geführte Dachfonds machten aufgrund der breiten Diversifikation in der Regel keinen Verlust.

Entscheidend sei aber, dass der Fonds von einem markterfahrenen Team geführt werde. „Dieses Team sollte ein dediziertes Team sein, das sich vorrangig, wenn nicht ausschließlich um den Zukunftsfonds Deutschland kümmern sollte und am Erfolg des Zukunftsfonds gemessen wird“, fordert Hodits. Sie warnte die Bundesregierung auch davor, zu hohe Beträge ins Schaufenster zu stellen. „Es macht keinen Sinn, gleich einen ganz großen Topf mit zehn Milliarden aufzulegen.“ Zunächst müsse der Fonds der Privatwirtschaft demonstrieren, dass er gut läuft. 

Neue Anlagemöglichkeiten in Zeiten von Niedrigzinsen
Die Bundesregierung will mit dem neuen Dachfonds zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Neben der Behebung des Kapitalmangels für Gründer will sie auch institutionellen Anlegern wie Versicherern in Zeiten von Niedrigzinsen neue Anlagemöglichkeiten eröffnen. In der Versicherungsbranche kommen die Pläne der Bundesregierung gut an. Das geplante Modell werde bei der richtigen Ausgestaltung sicher auf Interesse stoßen, hieß es. Die Anlageprobleme der Branche löse man damit aber nicht. Die Versicherungsbranche muss 1 700 Milliarden Euro anlegen. „Wenn davon eine Milliarde neu in Start-ups fließt, ist das nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt ein Versicherungsmanager.

Finanz- und Wirtschaftsministerium sind nicht die Einzigen, die sich um die Nöte von institutionellen Anlegern kümmern. Vor Kurzem war bereits Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgeprescht und hat für Krankenkassen die Möglichkeit geschaffen, sich künftig mit bis zu zwei Prozent ihrer Finanzreserven an der Entwicklung digitaler Innovationen im Gesundheitswesen zu beteiligen.

Das alles zeigt: Die andauernde Niedrigzinsphase macht sich immer stärker bemerkbar. Aber wenn dadurch ein Durchbruch bei der Start-up-Förderung gelingen sollte und Gründer von einer Auswanderung abgehalten werden könnten, hätte sie auch viel Gutes. Mehr: „Wir müssen uns einfach besser organisieren als Branche“: Der Investor Christian Miele will mit etlichen Unternehmerstars den Lobbyverband der jungen Branche neu ausrichten – und gibt zwei klare Ziele aus.

Quelle: Handelsblatt