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Leichte, flexible und intelligente Umformwerkzeuge

Leichtbau im Werkzeugbau? 3D-gedruckte Umformwerkzeuge? Intelligenz im Werkzeug? Das Zentrum für Smart Production Siegen (SmaPS) erforscht vollkommen neue Werkzeugkonzepte für eine smarte, flexible und ressourceneffiziente Produktion.

Durch die zunehmende Produktindividualisierung und -komplexität in Kombination mit immer kürzeren Produktlebenszyklen wird das Verlangen innerhalb der Fertigungstechnik nach agilen und flexiblen Produktionssystemen immer größer. In der Umformtechnik nehmen dabei die Formwerkzeuge als Bindeglied zwischen Halbzeug und Maschine eine Schlüsselposition ein. Während dort die Maschinen in den letzten Jahren eine deutliche Weiterentwicklung auch mit Methoden der Industrie 4.0 erfahren haben, bleibt diese Entwicklung bei den Werkzeugen bisher zurück. Hinzu kommt, dass die Ressource „Mensch“ von Steuerungssystemen bisher kaum genutzt wird. Das SmaPS  setzt hier thematisch an und forscht und entwickelt in einem fachübergreifenden Team an Projekten zur vernetzten Produktion, neuen Fertigungstechniken und Betriebsmitteln mit den Schwerpunkten:

  • Smarte Leichtbauwerkzeuge für die Fertigungstechnik (Prof. Dr.-Ing. Bernd Engel)
  • Bewegungserfassung Werker (Prof. Dr.-Ing. Martin Manns)
  • Additive Fertigung (Prof. Dr.-Ing. Tamara Reinicke)
  • Integration von Sensoren (Prof. Dr.-Ing. Haring Bolivar)
  • Smarte dezentrale Produktion (Prof. Dr. Volkmar Pipek)

Umformen ist nach DIN 8580 definiert als die plastische Änderung der Form eines festen Körpers unter Beibehaltung der Masse und des Stoffzusammenhaltes. Die Anfänge des Umformens gehen bis ins vierte Jahrtausend v. Chr. zurück [1]. Heute ist die Umformtechnik eine etablierte und weit verbreitete Fertigungstechnik, die sowohl in der Massenproduktion als auch in der individualisierten Massenproduktion von Konsumartikeln und Artikeln des täglichen Bedarfs Anwendung findet.

Aus den funktionellen Anforderungen an den Umformprozess, den Materialfluss und ggf. die Temperatur zu steuern, resultieren verschiedenste technische Anforderungen an das Umformwerkzeug. Zu den allgemeinen Anforderungen zählen eine sehr hohe Maßhaltigkeit, verschleißfeste Oberflächen mit definierten tribologischen Eigenschaften, eine hohe Bruch- und Ermüdungsfestigkeit unter Berücksichtigung etwaiger Missbrauchslasten sowie eine große Steifigkeit [2]. Die Fertigung der hierfür benötigten, hochspezialisierten Werkzeuge erfolgt zu einem großen Anteil durch subtraktive Fertigungsverfahren. Diese limitieren aufgrund von Fertigungsrandbedingungen die geometrische Gestaltungsfreiheit in der Konstruktion und treiben gleichsam die Werkzeugkosten mit jedem Bearbeitungsschritt erheblich. Darüber hinaus basiert die Konstruktion der Werkzeuge oftmals auf Erfahrungswissen, ohne exakte Kenntnis über die Versagensgrenzen von Werkzeugelementen und über die Wirkmechanismen zwischen Werkzeugeigenschaften und Umformprozess. Sehr oft ist das genaue Lastkollektiv nicht bekannt, das sich für die Umformtechnik typisch über dem Umformvorgang ändert.

Als Folge sind die Umformwerkzeuge in der Regel überdimensionierte, großvolumige und entsprechend schwere Einzelstücke.

In einer Zeit, die durch Begriffe wie „Nachhaltigkeit“ und „Ressourcenschonung“ geprägt wird, ist die heutige Gestaltung von Umformwerkzeugen in zweierlei Hinsicht problematisch: Einerseits benötigen die überdimensionierten Werkzeuge selbst ein unnötig großes Werkstoffvolumen und die subtraktive Fertigung verursacht eine zusätzliche Verschwendung von Werkstoffvolumen. Aufgrund der energieintensiven Stahlerzeugung geht hiermit gleichsam eine beträchtliche Verschwendung von CO2 einher. Andererseits müssen Umformwerkzeuge zwecks ihrer Funktionserfüllung bewegt, das heißt beschleunigt und verzögert, werden. Die notwendig zuzuführende Bewegungsenergie ist dabei proportional zum Werkzeuggewicht.

In diesem Kontext bietet der Leichtbau im Werkzeugbau ein enormes Potential zur Schonung von Ressourcen. Versteht man den Leichtbauansatz darüber hinaus nicht nur als Einsparung von Masse sondern vielmehr als Gestaltungsprinzip belastungsangepasster Strukturen mit integrierten Funktionen, ergibt sich zukünftig eine völlig neue Perspektive (vgl. Abb. 1).

Mittels Methoden der Topologieoptimierung entstehen gewichtsreduzierte Werkzeugdesigns mit angepassten Werkstoffkombinationen und Struktursteifigkeiten. Additive Fertigungsverfahren heben dabei die Gestaltungsrestriktionen bedingt durch die subtraktive Fertigung auf und erlauben gleichzeitig die Einbettung von Funk-tionselementen wie Sensoren oder Aktoren. Diese wiederum ermöglichen zusammen mit intelligenten Regelungssystemen Verstellungen der mit dem Halbzeug in Kontakt befindlichen Werkzeugoberflächen mit dem Ziel, definierte Flächenpressungen einzustellen, Rückfederungen zu kompensieren oder gar eine Transformation ihrer geometriegebenden Kontur (vgl. Abb. 2). In Verbindung mit cyberphysischen Systemen wird schlussendlich aus einem stumpfen, starren Werkzeug ein wesentliches Element einer intelligenten Fabrik.

Literaturverzeichnis

  1. E. Doege und B.-A. Behrens, Handbuch Umformtechnik, Hannover: Springer, 2010.
  2. J. Cao, E. Brinksmeier, M. Fu, R. X. Gao, B. Liang, M. Merklein, M. Schmidt und J. Yanagimoto, „Manufacturing of andvanced smart tooling for metal forming,“ CIRP Annals - Manufacturing Technology, pp. 605-628, 2019.
  3. C. Kuhnhen, J. Knoche, J. Reuter, S. Hassan Al-Maeeni, B. Engel, "Hybrid tool design for a bending machine", Procedia CIRP, 14th CIRP Conference on Intelligent Computation in Manufacturing Engineering, Golf von Neapel, Italien 2020 (akzeptiertes Manuskript)

SmaPS wird gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung im Rahmen des Förderprogramms „EFRE.NRW 2014-2020“ des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, Förderkennziffer: 0200545

Lehrstuhl für Umformtechnik, Universität Siegen

Tätigkeitsschwerpunkte

  • Forschung & Entwicklung Biegeumformung
  • Prototypenbau & Erprobung von neuen Werkzeugkonzepten und Biegeverfahren
  • Prozessmodellierung

Branchen- und Technologiefelder

  • Automotive, Maschinen- und Anlagenbau
  • Remote Production in der Umformtechnik
  • Umformwerkzeuge

Wichtigste Regionen für die eigene Wertschöpfung (Entwicklung/Produktion/Märkte)

  • Deutschland
  • Österreich

https://protech.mb.uni-siegen.de/uts/

Abbildung 1: Schematische Darstellung der Elemente eines intelligenten, flexiblen Leichtbauwerkzeugs.
Abbildung 2: Werkzeugflexibilitätslevel am Beispiel des Gesenkbiegens [3]

Bildergalerie

Quelle: NMWP-Magazin

Universität Siegen - Lehrstuhl für Umformtechnik (UTS)

Der Lehrstuhl für Umformtechnik der Universität Siegen (kurz: UTS, Umformtechnik Siegen) arbeitet im engen Verbund mit den Lehrstühlen der Fertigungstechnik, Fahrzeugtechnik und der Werkstofftechnik.  Neben der Lehre bestehen wesentliche...mehr...