Klimaschutz „leicht“ gemacht!

Textile Bewehrungsgitter im Beton revolutionieren das Bauwesen durch die Einsparung von Bauteilgewichten und CO2-Emissionen. Der Einsatz von intelligenten Faserwerkstoffen ermöglichen Betonbauteile mit integrierten Leckagen- / Rissfrühwarnsystemen.

Beton ist der meistverwendete Baustoff der Welt. Zu den Hauptbestandteilen des Betons gehören Zement, Wasser und Sand. Die Zementherstellung verursacht ca. 8 % der globalen CO2-Emissionen, eine globale Wasserkrise steht unmittelbar bevor und der weltweite Bauboom hat eine „Sandknappheit“ hervorgerufen. Solange die Weltbevölkerung weiter zunimmt, werden diese alarmierenden Tastsachen, die Menschheit jedoch nicht davon abhalten, mit dem Bauen von neuen Gebäuden und den notwendigen Infrastrukturen aufzuhören. Um gegen diese Herausforderungen angehen zu können, forschen bereits führende Experten aus Wissenschaft und Industrie nach alternativen Baumaterialien.

Der Verbundwerkstoff „Textilbeton“ ist einer dieser vielversprechenden Alternativen, mit dem eine enorme Menge von Beton eingespart werden kann. Dies geschieht durch das Ersetzen der im Stahlbeton konventionell eingesetzten Stahlgitter mit Textilgitterstrukturen, welche aus Hochleistungsfilamentgarnen, wie z.B. alkaliresistenten Glasfasern, Kohlenstofffasern und/oder Basaltfasern bestehen. In Gegensatz zu Stahl sind diese faserbasierten Bewehrungsmaterialien korrosionsbeständig, wodurch eine dicke Betonabdeckung nicht mehr benötigt wird, welche einzig dem Zweck dient den Stahl vor Korrosion zu schützen.

Anwendungsspezifisch kann die Bauteildicke beim Textilbeton um bis zu 80 % reduziert werden. Die textile Bewehrung, welche die Zug- und Biegezugkräfte aufnimmt, wird hierzu, verglichen zu Stahlbeton, mit einer um bis zu 80 % geringeren Betonmatrix kombiniert. Die Betonmatrix hat die Aufgabe, das Textilgitter zusammenzuhalten und die Druckkräfte aufzunehmen. Eine Einsparung in der Betonmenge führt nicht nur zu einem geringeren Eigengewicht der Bauteile, sondern auch zu einer Einsparung der Zement- und Wassermenge, sowie einer Reduzierung der zementbedingten CO2-Emissionen (bis zu 80 %).

Seit über zehn Jahren werden neue Gebäude und Strukturen mit textilbewehrtem Beton gebaut. Ebenso ist es zur gängigen Praxis geworden, bestehende Bauten durch die Einbringung einer textilbewehrten Betonschicht aufzuwerten.

Neben der umweltfreundlichen Ressourcenschonung bringt der innovative Textilbeton auch andere Vorteile mit sich. Die dünnwandigen, leichten Bauelemente lassen sich einfacher transportieren und montieren. Besonders beim Transport der Betonfertigteilelemente, wie Fassaden- oder Brückenelemente, Rohre, Schächte, etc. kommt es zu einer zusätzlichen Reduzierung der CO2-Emmissionen, welche normalerweise durch den Transport von handelsüblichen Stahlbetonbauteilen entstehen würden. Zudem bieten die Textilbewehrungen eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten. Einfach- oder doppelgekrümmte, dünnwandige Bauelemente sind mit Textilbeton, im Gegensatz zu Stahlbeton, realisierbar. Die CurveTex-Fassade in Abbildung 1 stellt dazu ein Beispiel dar.

Neben diesen Vorteilen bringen faserbasierte Bewehrungsmaterialien auch weitere positive Eigenschaften mit sich, welche der Integration von Funktionen in Bauteilen dienen. Als Beispiel hierzu können elektrisch leitfähige Kohlenstofffasern genannt werden. Ihre elektrische Leitfähigkeit macht sie als Dehnungs- oder Leckagensensoren in Betonbauteilen anwendbar. Nach einer Studie der Weltbank gehen jährlich mehr als 32 Mrd. m3 Wasser durch Leckagen verloren, was 25 % der weltweiten Gesamtwasserversorgung (Wasserversorgung und Abwasserentsorgung) entspricht. In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt „SmartPipe – Erforschung eines textilverstärkten Rohrsystems mit integrierter Überwachungsfunktion“ werden die Kohlenstofffasern gleichzeitig als Bewehrung und Leckagensensoren eingesetzt. In einem Anwendungsbeispiel wird für ein industrielles Wasserrohr mit einer Nennweite von 300 mm (DN 30) eine hybride Textilbewehrung aus AR-Glas- und Kohlenstofffasern verwendet. Der textile Bewehrungskorb in Abbildung 2 wiegt insgesamt 230 Gramm, während ein Stahlbewehrungskorb, mit gleichen mechanischen Eigenschaften ein Gewicht von 7630 Gramm aufweist. Des Weiteren zeigen die Forschungsergebnisse, dass die Wanddicke des Rohres um bis zu 45 % reduziert werden kann. Die elektrisch leitfähigen Kohlenstofffasern dienen zusätzlich als Frühwarnsysteme für Risse und Leckagen im Betonrohr, und überwachen auf der gesamten Rohroberfläche die Wasserverluste nach innen und nach außen. Dieser Ansatz kann genutzt werden, um die globalen Wasserverluste, verursacht durch Leckagen, mittels Frühwarnsystemen zu minimieren.

Am Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University wird Klimaschutz „leicht“ gemacht. Wir freuen uns auf Industrie- und Forschungspartner, mit denen wir die (Leicht)Bauwelt gemeinsam revolutionieren können.

Institut für Textiltechnik (ITA), RWTH Aachen University

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  • Halbzeuge und Produkte für Mobilität, Bauen & Wohnen, Gesundheit, Energie & Umwelt, Information & Kommunikation, Produktion und Werkstoffe
  • Qualifizierungs-Dienstleister
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Branchen- und Technologiefelder

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  • textile Verfahrenstechnik
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Abbildung 1: CurveTex-Fassade: Weltweit erste doppelgekrümmte Beton-fassade mit textiler Bewehrung (Quelle: Stanecker Betonfertigteilwerk GmbH)

Abbildung 2: Bewehrungskörbe aus Stahlgitter (links) und sensorischem Textilgitter (rechts) für ein Betonrohr (Quelle: ITA-RWTH, Peter Winandy)

Abbildung 3: Dünnwandige, zylinderförmige Textilbetonstrukturen mit integrierten Leckagensensoren (Quelle: ITA-RWTH, Gözdem Dittel)

Bildergalerie

Quelle: NMWP-Magazin

Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University

Das Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen University ist mit dem Lehrstuhl für Textiltechnik im Maschinenbau verbunden und wird von Professor Thomas Gries geleitet. Das ITA gehört zum Fachbereich Maschinenbau der RWTH und vertritt die...mehr...