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For­schungs­team erzielt starke Kopplung von Schall- und Spinwellen in Magneten

Technische Uni­ver­si­tät Dort­mund

In mag­ne­tisch­en Materialien gibt es zwei Arten von An­re­gung­en, die perspektivisch als effiziente In­for­ma­tions­trä­ger dienen könnten: die Vibrationen des Kristallgitters und die Schwing­ung­en des mag­ne­tisch­en Moments. Unter der Leitung von Dr. Alexey Scherbakov von der Fakultät Physik der TU Dort­mund hat eine in­ter­na­ti­o­na­le Gruppe von Wis­sen­schaft­lern aus fünf verschiedenen For­schungs­zen­tren nun gezeigt, dass diese beiden An­re­gung­en durch starke Kopplung noch leistungsfähiger werden können.

In unserem Alltag empfangen, verarbeiten und versenden wir riesige Datenmengen. Die klas­si­sche Elektronik, die die Datenverarbeitung mithilfe elektrischer Ladung meistert, hat in der Ver­gan­gen­heit enorme Fortschritte ver­zeich­net, wie man am Beispiel von Smartphones sehen kann. Heutzutage steht sie jedoch vor großen Heraus­forde­rungen, da die An­for­der­ungen an die Energieeffizienz steigen und die Elektronik nicht unbegrenzt kompakter und gleichzeitig leistungsfähiger werden kann. Daher suchen For­sche­rin­nen und Forscher weltweit nach al­ter­na­ti­ven Mög­lich­keiten, Daten zu übertragen und zu verarbeiten, vor allem in Quantencomputern und neuronalen Netzwerken.

In mag­ne­tisch­en Bauteilen gibt es zwei mögliche In­for­ma­tions­trä­ger, die zu­künf­tig in ener­gie­effi­zien­ten Geräten genutzt werden könnten: einerseits die atomaren Vibrationen im Kristallgitter und andererseits die Schwing­ung­en des mag­ne­tisch­en Moments. Als Schall- bzw. Spinwellen zeigen sie ein Verhalten, das Wasserwellen ähnelt. Da sie sich ohne elektrische Ladung ausbreiten, erfahren sie auch keinen elektrischen Widerstand, der Verluste verursachen und den Prozessor aufheizen würde – wie in konventionellen Geräten. Die Wellen schwingen zudem mit Frequenzen von bis zu 100 GHz – die damit wesentlich höher sind als die Taktfrequenzen von wenigen GHz in modernen Prozessoren – während ih­re Wellenlängen weit unter 1 Millionstel Metern liegen. Geräte, die in Zukunft diese Art der Datenverarbeitung nutzen, könnten also erheblich schneller, kleiner und energieeffizienter sein.

Gleichzeitig Schall- und Spinwelle
Um  diese Vorteile ausnutzen zu können, müssen zu­nächst jedoch zuverlässige Mechanismen für die Da­ten­hand­ha­bung ent­wi­ckelt werden. Dafür kann man sich bei­spiels­weise zunutze machen, dass Schallwellen Spinwellen auslösen können und umgekehrt, sodass diese beiden Wel­len­for­men ineinander umgewandelt werden können. Dazu bedarf es jedoch einer möglichst starken Kopplung zwischen den beiden Wellen.

Dem inter­natio­nalen For­schungs­team aus Deutsch­land, Russland, der Ukraine und Großbritannien ist es nun erstmals ge­lungen, eine starke Kopplung zwischen einer Schall- und einer Spinwelle mit identischen Frequenzen in einer räumlichen Struktur ähnlich einem Computerchip zu erzielen. Dazu beobachteten sie die wechselseitige Umwandlung der beiden An­re­gung­en mit einer Zeitauflösung weit unter einer Milliardstel Sekunde. Bei der periodischen Umwandlung ent­steht eine neue Anregung, die gleichzeitig sowohl eine Schall- als auch eine Spinwelle ist.

Um diese starke Kopplung nachzuweisen, wurde die Oberfläche eines Ferromagneten mit einem speziellen Muster versehen: einem Gitter mit Abständen von gerade einmal einigen zehn Nanometern, also einigen zehn Milliardstel Metern. Ein ultrakurzer Laserpuls regt in dem ferromagnetischen Gitter sowohl die Schwing­ung­en der Atome als auch eine schwingende Bewegung ihres mag­ne­tisch­en Moments an – dadurch entstehen die Schall- und Spinwellen. Wenn die Wellen nicht nur in ihrer Frequenz, sondern auch in ihrer räumlichen Struktur übereinstimmen, führt das zu einer besonders starken Kopplung miteinander. Sie bilden also einen Hybridzustand.

Diese Beobachtung könnte zu­künf­tig für tech­no­lo­gi­sche Zwecke ver­wen­det werden: Denn indem man Spinwellen mit Schallwellen koppelt, lassen sie sich auch über größere Distanzen trans­por­tie­ren – was für die Kodierung und Über­tra­gung hochfrequenter Daten er­for­der­lich ist.

Seit unseren ersten Arbeiten im Bereich der ultraschnellen Magnetoakustik vor 10 Jahren haben wir versucht, diese starke Kopplung unmittelbar zu beobachten. Das Wissen aller beteiligten Kooperationspartner zu­sam­men­zu­brin­gen, war maßgeblich für diesen Erfolg: Aus Nottingham erhielten wir magnetische Proben in optimaler Qua­li­tät, die die Grundlage für die Untersuchungen in Dort­mund bildeten. Unsere Beobachtungen wurden durch ausgefeilte theoretische Modellrechnungen aus Sankt Petersburg und Kiew er­klärt und gestützt“, sagt Dr. Alexey Scherbakov. Professor Manfred Bayer, Rektor der TU Dort­mund und Mitglied im For­schungs­team, fügt hinzu: „Auch der Beitrag der Raith GmbH, einem der weltweit führenden Anbieter von Geräten für die Nanofabrikation, soll nicht unerwähnt bleiben: Sie hat Nanogitter höchster Qua­li­tät für uns produziert.“

Originalpublikation: F. Godejohann, A. V. Scherbakov, S. M. Kukhtaruk, et al.: Magnon polaron formed by selectively coupled coherent magnon and phonon modes of a surface patterned ferromagnet. Physical Review  102, 144438 (2020)