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Die Rück­kehr der Über­schall-Flug­zeu­ge soll nach­hal­tig sein

© Cranfield University / DLR

Fast zwei Jahrzehnte nach dem letzten Flug der Concorde könnten bald wieder Überschall-Verkehrsflugzeuge unterwegs sein. Mehrere Hersteller kündigen einen Start der kommerziellen supersonischen Flugzeuge für die nächsten Jahre an. Deswegen untersucht das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam mit internationalen Partnern die Umweltwirkungen einer zukünftigen Flotte von Überschallflugzeugen. Ziel ist es, sowohl die Lärmemission als auch die Klimawirkung dieser Flugzeuge zu bewerten. Die Forschungsergebnisse sollen dazu beitragen, die umweltschädlichen Effekte der Fluggeräte zu reduzieren.

„Für die Concorde galten noch Luftfahrtregularien, die höhere Emissionen im Vergleich zu den im Unterschall fliegenden Flugzeugen erlaubten. Die neue Generation von Überschall-Jets wird sich nun an den konventionellen Flugzeugen messen lassen müssen“, erklärt Prof. Lars Enghardt, Leiter der Abteilung Triebwerksakustik im DLR-Institut für Antriebstechnik. Um neue Zertifizierungsregeln festzulegen, sind die Behörden auf umfangreiche Daten angewiesen. Das EU-Projekt SENECA (noiSe and EmissioNs of supErsoniC Aircraft) liefert hier einen wichtigen Beitrag für die Erhebung dieser Daten.

Zwei neue Überschall-Flugzeugklassen in Planung: Business-Jets und Linienflugzeuge
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwerfen und analysieren zunächst im Computer zwei unterschiedliche Überschall-Flugzeugklassen: Business-Jets für etwa zehn Passagiere und Linienflugzeuge für bis zu 100 Passagiere. Die Linienflugzeuge haben damit ungefähr die Kapazität der Concorde. Die Business-Jets können im Reiseflug Schallgeschwindigkeiten (Machzahlen) von 1,4 bis 1,6 erreichen. Ab einer Machzahl über 1 beginnt der Überschallbereich. In Reiseflughöhe muss ein Flugzeug dazu rund 1000 km/h schnell sein. Die aktuell schnellsten Business-Jets sind mit einer Machzahl von 0,9 unterwegs. Die geplanten supersonischen Linienflugzeuge sollen im Reiseflug sogar Machzahlen zwischen 1,8 und 2,2 erreichen. Sie wären damit mehr als doppelt so schnell wie die derzeitigen Linienflugzeuge.

„Die Effizienz der Flugzeuge im Reiseflug und die Lärmemission in Flughafennähe lassen sich nur schwer miteinander vereinbaren“, erklärt Dr. Robert Jaron vom Institut für Antriebstechnik die Herausforderungen beim Design der Flugzeuge. „Wegen des besseren Strömungsverhaltens sind Überschall-Flugzeuge besonders lang und schmal und haben kleine Triebwerke. Für die Lärmminderung bei Start und Landung wären allerdings Triebwerke mit größeren Durchmessern zu bevorzugen.“ Nach Ansicht des DLR-Teams, in dem auch das Institut für Physik der Atmosphäre mitarbeitet, gibt es gerade bei der Startprozedur noch Spielraum. Die schlechten Gleiteigenschaften beim Unterschallflug werden bei supersonischen Flugzeugen durch eine besonders starke Motorisierung ausgeglichen. Eine höhere Startgeschwindigkeit mit einer frühen Rücknahme des Triebwerksschubs könnte die Lärmbelästigung in Flughafennähe senken. Auch diese Möglichkeit wird im Projekt untersucht. Weiterer Forschungsschwerpunkt von SENECA: Der Schadstoffausstoß und sein Einfluss auf das Klima. Der Überschallverkehr wird deutlich höher fliegen als der gegenwärtige Luftverkehr und hat deswegen wahrscheinlich auch andere Auswirkungen auf die Atmosphäre.

Derzeit gehen die Projektpartner davon aus, dass die ersten neuen Überschall-Flugzeuge wegen der Knall-Problematik nicht mit Überschall-Geschwindigkeit über Land fliegen werden, sondern nur über Wasser. Der Überschallknall wird ausführlich im EU-Projekt MOREandLESS analysiert, an dem das DLR ebenfalls beteiligt ist. Hier ermitteln die Wissenschaftler, wie sich unterschiedliche Flugzeugformen auf die Lautstärke des Knalls auswirken.

Zum Projekt
Das EU-Projekt SENECA läuft bis Ende 2024. Es wird im Rahmen des EU-Programms Horizon 2020 (Nummer 101006742) gefördert. Die Projektkoordination liegt beim DLR-Institut für Antriebstechnik in Berlin. Zu den europäischen Projektpartnern zählen neben dem DLR-Institut für Physik der Atmosphäre Rolls Royce, ONERA, Cranfield University, Manchester Metropolitan University, University of Southampton, MTU Aero Engines, National Aviation University, AEDS, NLR und CIRA. Unterstützt wird das Projektkonsortium von einem internationalen Beirat bestehend aus Zertifizierungsbehörden, Industrie und Wissenschaft.