Nanopartikel verfügbar mit Lichtgeschwindigkeit

Aktueller Prototyp des kompakten Vollautomaten (Maße: L 53 cm, B 41 cm, H 50 cm) zur Produktion kolloidaler Nanopartikel. Designt bei Projekter Industrial Design. © Projekter Industrial Design GbR (Duisburg)

Kolloidale Nanopartikel schnell, einfach und verlässlich mit dem eigenen Laborautomaten herstellen. Das machen zwei Forscher aus Essen unter Einsatz innovativer Lasertechnik möglich. Mit Ihrem Automaten wollen sie weltweit die Nano-FuE beschleunigen.

Kolloidale Nanopartikel verfügen über einzigartige Eigenschaften, welche man von keiner anderen Materialklasse kennt. In den letzten Jahrzehnten konnte man in der Forschung deshalb einen wahrhaften Hype um die kleinen Partikel beobachten, welcher unzählige neue Anwendungen und Produkte in diversen Einsatzfeldern hervorbrachte. So stecken die Partikel in wichtigen Technologien der Energiewende, werden in der Krebsdiagnostik erprobt und schaffen neue Funktionsmaterialien, beispielsweise für die additive Fertigung.

Ein am Markt bereits bekanntes Produkt, welches ohne kolloidale Goldnanopartikel nicht existieren würde, ist der Schwangerschaftstest. Der Test nutzt die gute Biofunktionalisierbarkeit der Goldpartikel aus, aber auch ihre charakteristische rote bis violette Farbe (Abb. 2). Als Nanopartikel erscheint das eigentlich gelbe Metall aufgrund einer besonderen Interaktion mit Licht, welche man Oberflächenplasmonenresonanz nennt, in ungewohnten Farben. Die tatsächliche Farbe hängt dabei von der Größe der Partikel ab. Goldnanopartikel sind deshalb optimale Biosensoren. Silbernanopartikel wechselwirken auf die gleiche Art mit Licht, erscheinen jedoch gelb. Ihr Einsatzgebiet ist jedoch nicht die Detektion biologischer Substanzen, sondern die Bekämpfungen von Mikroben. Hierfür bettet man die Partikel in Lacke oder auch Textilien ein, um diesen antimikrobielle Eigenschaften zu verleihen. Die optisch weniger besonderen Platinnanopartikel sind hervorragende Katalysatoren und finden beispielsweise in Brennstoffzellen Einsatz.

Es existieren unzählige weitere Anwendungen für Nanopartikel verschiedenster Materialien. Viele davon stecken noch in den Kinderschuhen und andere wurden noch nicht einmal entdeckt. Tatsächlich ist die Forschung und Entwicklung auf Basis kolloidaler Nanopartikel langwierig. Bei den gängigen Herstellungsmethoden kann die Verfahrensentwicklung für die Synthese eines neuen Kolloids Monate dauern. Zudem benötigt man Fachpersonal und Spezialequipment, welches in manchen Anwendungsfeldern nicht zur Standardausrüstung gehört. Die alternative Versorgung über den Versandhandel ist zwar einfacher, aber logistisch nicht optimal. Kolloide sind metastabil und somit eher ungeeignet für eine Versorgung mit hohem Logistikaufwand. Die Partikeleigenschaften ändern sich mit der Zeit und Qualitätsschwankungen sind die Regel.

Die Herstellung der Kolloide am Ort und zur Zeit der Weiterverarbeitung bietet die bessere Versorgung. Man muss die Synthese aber vereinfachen, um sie für jeden Forscher und Entwickler zugänglich zu machen. Hier kommt das Team von AutoProNano (Abb. 3) ins Spiel. Bessel und Waag, zwei Forscher der Universität Duisburg-Essen vereinen alle Syntheseschritte in einem Vollautomaten (Abb. 1). Dadurch reduzieren sie die Komplexität der Kolloidherstellung für den Anwender auf wenige Eingaben am Touchdisplay. Der hohe Grad an Automatisierung macht die Bedienung sogar selbsterklärend und ermöglicht eine hochreproduzierbare Kolloidqualität, welche völlig unabhängig vom Bediener ist.

Der kompakte Laborautomat produziert Nanopartikel mit Lichtgeschwindigkeit. Das ist nicht ganz korrekt, aber die Energiequelle der Synthese ist tatsächlich ein Lasersystem. Laserpulse weniger Nanosekunden Länge und von hoher Intensität zerkleinern im Automaten Feststoffe zu Nanopartikeln. Die Partikel werden dabei direkt von einer Flüssigkeit eingefangen und liegen dann als Kolloid vor. Prinzipiell kann so jedes Material zu Nanopartikeln verarbeitet werden und auch die

Flüssigkeit lässt in einem gewissen Rahmen variieren. Der Materialwechsel funktioniert dabei über den Austausch einer praktischen Kapsel, ähnlich wie bei einem Drucker. Aufgebrauchte Kapseln werden die beiden Gründer mit Ihrer zukünftigen Unternehmung recyceln.

Aktuell entwickeln Bessel und Waag ihren Prototyp in einem START-UP transfer.NRW-Projekt mit Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung zur Marktreife. Die Entwicklung des Laborautomaten soll Ende 2021 abgeschlossen sein. Dann wollen sich die Forscher auch offiziell aus der Universität ausgründen. Anfang 2022 soll der Laborautomat dann am Markt verfügbar sein. Bis dahin wird der Prototyp bereits im Rahmen von Forschungskooperationen mit verschiedenen öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen eingesetzt. Die zukünftigen Gründer sind über ihre Universität bereits gut vernetzt und haben im HIGH-TECH.NRW-Accelerator viele neue Kontakte hinzugewonnen. Trotzdem sind sie immer auf der Suche nach neuen Kooperationspartnern und freuen sich über jede Kontaktaufnahme.

Bereits jetzt denken Bessel und Waag einen Schritt weiter. Ihre Automaten sollen nicht nur die Versorgung von FuE mit kolloidalen Nanopartikeln verbessern, sondern auch die von industriellen Produzenten. Die gute Skalierbarkeit der kontinuierlichen Synthesetechnik macht die konsequente Entwicklung von Industrieautomaten möglich. Auf der weiteren Entwicklungsagenda steht die Skalierung an erster Stelle.

Ansprechpartner:
Dr. Friedrich Waag
AutoProNano, Technische Chemie I und Center for Nano-integration Duisburg-Essen (CENIDE), Universität Duisburg-Essen

AutoProNano

Technologie

  • Nanopartikel
  • Kurzpulslaser

Innovation / USP

  • Kompakter Vollautomat zur
  • Synthese kolloidaler Nanopartikel

Zielmärkte

  • Chemie
  • Biomedizin
  • Energie

www.autopronano.eu

Abbildung 1: Aktueller Prototyp des kompakten Vollautomaten (Maße: L 53 cm, B 41 cm, H 50 cm) zur Produktion kolloidaler Nanopartikel. Designt bei Projekter Industrial Design. © Projekter Industrial Design GbR (Duisburg)

Abbildung 2: Mit dem Automaten produzierte, kolloidale Nano-partikel der drei Edelmetalle Silber (links), Platin (mitte) und Gold (rechts) in Wasser. © Friedrich Waag, Universität Duisburg-Essen

Abbildung 3: Das Gründerteam im Laser-labor mit typischer Laserschutzbrille, Tobias Bessel (links) und Dr. Friedrich Waag (rechts). © Yaya Li, Universität Duisburg-Essen

Bildergalerie

Quelle: NMWP-Magazin

CENIDE - Center for Nanointegration Duisburg-Essen, Universität Duisburg-Essen

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